Bei der europäischen Konkurrenz regt sich Widerstand gegen die quasi ungebrochene Dominanz von Google. Qwant ist die französisch-deutsche Suchmaschine, die sich am Markt durchzusetzen versucht, indem sie ihren Nutzern absoluten Schutz ihrer Privatsphäre und gewaltfreie Suchergebnisse für Kinder verspricht.

„Die Konkurrenz scheitert, weil sie dasselbe wie Google bietet, aber in schlechterer Qualität. Unser Ziel ist es nicht, den weltweiten Marktführer zu schlagen, sondern eine echte Alternative zu bieten“, erklärt Eric Léandri, Geschäftsführer und Mitgründer von Qwant. Die Suchmaschine, deren Name aus der Verschmelzung von „Quantity“ und „Want“ entstanden ist, zeigt auf einer Seite Suchergebnisse für die Gesamtheit des Internets einschließlich sozialer Netzwerke an. Dass sie keine Cookies installiert und die Nutzer so vor Tracking schützt, ist einer ihrer großen Vorteile. „Wir garantieren den Anwendern vollkommenen Schutz ihrer Privatsphäre und sammeln keine Informationen, die Aufschluss über ihre Identität geben, oder Daten ihrer bisherigen Suchanfragen. Wir verkaufen keine persönlichen Daten an Werbevermarkter, und wir passen die Reihenfolge unserer Suchergebnisse nicht dem Profil des Nutzers oder seinem vermeintlichen Einkommensniveau an. Alle, die Qwant nutzen, können dies in vollem Vertrauen tun und der Flut an Werbeanzeigen entkommen, die sich andernorts über sie ergießt“, betont Eric Léandri.

Ein Riss im Google-Universum


Von links nach rechts: Die Gründer von Qwant, Eric Léandri, Alberto Chalon und Jean-Manuel Rozan, setzen auf neutrale Suchergebnisse und den Schutz der Privatsphäre, um zu wachsen.

Von links nach rechts: Die Gründer von Qwant, Eric Léandri, Alberto Chalon und Jean-Manuel Rozan, setzen auf neutrale Suchergebnisse und den Schutz der Privatsphäre, um zu wachsen.

Als Google 2009 einen massiven Strategiewechsel vornimmt, indem es das Tracking seiner Nutzer einführt und soziale Netzwerke ausschließt, fangen die Gründer Eric Léandri, Jean-Manuel Rozan, Patrick Constant und Alberto Chalon an, von einem „Google“ nach europäischer Art zu träumen. IT-Sicherheitsexperte und Unternehmer Eric Léandri ist Initiator des Projekts. Unterstützt wird er vom Finanzexperten Jean-Manuel Rozan, einem ehemaligen Trader. Patrick Constant bringt mit seiner auf Datenverarbeitung spezialisierten Firma Pertimm die notwendige Technologie ein, um die im Web verfügbaren Massen an Daten zu sortieren und zu klassifizieren. Seit rund fünfzehn Jahren entwickelt Pertimm interne Suchmaschinen für namhafte Kunden wie PagesJaunes, Meetic oder die Nasa. Alberto Chalon ist seinerseits Gründer einer privaten Verkaufsplattform in Italien.

Nach zwei Jahren harter Arbeit geht Qwant 2013 an den Start. Heute ist die Suchmaschine in 13 Sprachen (unter anderem in mehreren Regionalsprachen wie Katalanisch, Baskisch, Bretonisch oder Korsisch) und in 35 Ländern verfügbar. Qwant zufolge verzeichnet die Suchmaschine monatlich 32 Millionen Nutzer im Vergleich zu einer Million monatlicher Einzelbesucher zu Beginn sowie 2,6 Milliarden Suchanfragen im Jahr 2016. „Der echte Durchbruch für Qwant kam 2015, als sich der deutsche Medienkonzern Axel Springer am Unternehmen beteiligte. Damals haben wir das neue Design von Qwant präsentiert und die Funktionalitäten vorgestellt, die den Kern der europäischen Suchmaschine ausmachen. 2016 hat sich die Zahl unserer Nutzer mehr als verdoppelt, und diesen Sommer dürften wir die Schwelle von 45 Millionen überschreiten“, fügt Rozan hinzu.

Höhere Legitimität

Um weiter zu wachsen und die führende Suchmaschine Europas zu werden, die von den Nutzern wegen ihrer Werte geschätzt wird, muss sie an Legitimität gewinnen. Dessen sind sich die Gründer der Suchmaschine absolut bewusst. Weil die Europäische Investitionsbank (EIB) Innovation und Digitalisierung zu vorrangigen Bereichen ihrer Finanzierungstätigkeit erklärt hat und neuen Wettbewerbern im hart umkämpften Internetmarkt helfen will, sich zu etablieren, hat sie das französisch-deutsche Start-up mit 25 Millionen Euro unterstützt. Diese Förderung steht auch im Einklang mit der Initiative Horizont 2020 und insbesondere dem Programm „InnovFin – EU-Mittel für Innovationen“, das maßgeschneiderte Finanzierungsprodukte für die Forschungs- und Innovationsprojekte kleiner, mittlerer und großer Unternehmen anbietet sowie für Projektträger, die Forschungseinrichtungen aufbauen. „Um solch einen konkurrierenden Dienst aufzubauen und dessen Entwicklung auf unterschiedlichen Märkten voranzutreiben, braucht es Energie und Ideen, aber auch erhebliche finanzielle Mittel. Ferner werden wir erstmals eine groß angelegte Werbekampagne durchführen, damit wir bekannter werden“, erläutert Jean-Manuel Rozan.

Inzwischen verfügt Qwant über einen Marktanteil von zwei Prozent in Frankreich (gegenüber einem Prozent in Deutschland) und hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 einen Anteil von fünf bis sieben Prozent am europäischen Markt zu erreichen. Qwant betrachtet sich übrigens weder als französisches noch als deutsches Unternehmen, sondern als europäisches. „Wir gehen Partnerschaften mit Wirtschaftsakteuren und Verbänden beider Länder ein, damit Qwant zum Durchbruch europäischer Lösungen beitragen kann. In Deutschland haben wir beispielsweise in Anwesenheit von Angela Merkel und François Hollande eine Kooperationsvereinbarung mit Open Xchange unterzeichnet, bei der es um die Entwicklung einer sicheren Webmail-Plattform geht“, fügt Eric Léandri hinzu.

Qwant Junior: maßgeschneidert für Kinder

Im Jahr 2015 macht das Unternehmen, das inzwischen rund 60 Mitarbeiter unterschiedlicher Herkunft in Paris, Nizza und Rouen beschäftigt, einen weiteren Entwicklungsschritt und bringt Qwant Junior auf den Markt: eine Suchmaschine, die sexuelle oder gewaltbetonte Inhalte aus ihren Ergebnissen verbannt. Qwant stützt sich dabei auf die Schwarze Liste der Universität Toulouse I, um jene Seiten zu sperren, deren Inhalt nicht für Kinder geeignet ist. Heutzutage nutzen rund 2,5 Millionen Schüler Qwant Junior in der Schule. „Klassische Suchmaschinen verfügen über eine Option Safe Search, bei der pornografische Inhalte unterdrückt werden. Diese Option greift aber nicht bei Inhalten mit Gewalt. Nehmen wir die Attentate von Paris als Beispiel: Wenn man im November 2015 in einer klassischen Suchmaschine Paris als Suchbegriff eingegeben hat, ist man auf Bilder mit Gewaltszenen gestoßen ... Bei Qwant Junior hingegen wurden Bilder vom Eiffelturm angezeigt. Außerdem“, so betonen die Gründer, „gibt es keine Werbeanzeigen, und kommerzielle Webseiten werden nicht vorrangig angezeigt“.

Eine Frage der Demokratie

Neben dem Schutz der Privatsphäre der Internetnutzer weisen die Gründer auch auf die Neutralität der Suchmaschine hin. Das heißt, wenn zwei Personen, von denen eine in New York und die andere in Paris ist, bei Qwant den Begriff Andalusien suchen, erhalten sie genau dieselben Ergebnisse. „Wenn man eine Handvoll Suchmaschinen hat, die darüber entscheidet, welche Ergebnisse Milliarden von Menschen zu sehen bekommen, ist das nicht so sehr ein Neutralitätsproblem, sondern vielmehr ein Demokratieproblem“, erklärt Eric Léandri. Jean-Manuel Rozan ergänzt: „Weil wir nicht unsere eigenen Dienstleistungen in den Mittelpunkt stellen, genießen wir das Vertrauen von Partnern aus ganz Europa, die ein gemeinsames Interesse daran haben, eine alternative Suchmaschine zu fördern, die auf Neutralität achtet. Die Vielfalt der Suchmaschinen garantiert die Vielfalt der Wirtschaftsakteure, deren Dienstleistungen in den Suchergebnissen sichtbar gemacht werden.“

Qwant verfolgt einen neutralen Ansatz und finanziert sich durch Werbung, die ausschließlich auf Schlüsselwörtern basiert, die der Nutzer verwendet. Das heißt, bei der Suche nach einem Tablet oder einem Hotelzimmer in Rom werden dem Nutzer diverse Suchergebnisse angezeigt. Klickt der Nutzer auf einen der gesponserten Links, erhält Qwant ein paar Cent.


Crawler: Ein Crawler ist ein sehr kostspieliges Computerprogramm, das automatisiert Webseiten durchsucht und indexiert. Rund 60 Personen betreuen von Paris und Nizza aus die Server und Crawler von Qwant.

Crawler: Ein Crawler ist ein sehr kostspieliges Computerprogramm, das automatisiert Webseiten durchsucht und indexiert. Rund 60 Personen betreuen von Paris und Nizza aus die Server und Crawler von Qwant.

Ein europäisches Phänomen

Anders als in Ländern wie den USA (60 Prozent), Brasilien (65 Prozent), Japan (50 Prozent), Russland (45 Prozent) oder China (25 Prozent) ist die Dominanz von Google in der Alten Welt ungebrochen, obwohl der Internetriese wegen der Überwachung seiner Nutzer stark kritisiert wird. 95 Prozent des europäischen Marktes entfällt auf Google. In Europa ist die Tschechische Republik das einzige Land, in dem die amerikanische Suchmaschine nicht allgegenwärtig ist. Und zwar dank eines hundertprozentig tschechischen Produkts: Seznam. Mehrere Faktoren wie sprachliche und nationalistische Aspekte spielen eine wesentliche Rolle, aber auch die Tatsache, dass es viele äußerst kompetente Internetunternehmen im Land gibt.