Das schwedische Start-up Peppy Pals hat eine App mit Tierfiguren entwickelt, die Kinder emotional fördert

Von Chris Welsch

Als Mutter zweier Töchter suchte die Schwedin Rosie Linder vergebens nach Spielen, die die emotionale Intelligenz von Kindern steigern.

„Wie vermittelt man Empathie? Wie erklärt man einer Fünfjährigen, was Empathie bedeutet?“, fragte sie sich. „Wir haben doch nicht gelernt, wie man seine Kinder zu rücksichtsvollen Menschen erzieht. Wir machen ja keinen Elternführerschein. Kinder lernen am besten spielerisch und wenn sie Spaß daran haben. Fürs Rechnen, Lesen und Sprachen lernen gibt es jede Menge Spiele, aber ich fand nichts, was spielerisch die emotionale Intelligenz von Kindern stärkt.“

Linder sah, wie gut sich Spiele zum Lernen eignen. Aber allzu oft stand ihr der Wettbewerb im Vordergrund, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt. Sie suchte Spiele, die den Kindern zeigen, wie man teilt, hilft und andere versteht.

„Warum verschwenden wir das Potenzial von Spielen, damit Kinder aufeinander schießen oder Barbiepuppen schminken können? Warum entwickeln wir nicht sinnvolle Spiele, die ihnen das beibringen, was wirklich wichtig ist: Empathie und den Umgang mit Gefühlen beispielsweise?“

Gedacht, getan! Die Schwedin, bis dahin in der Wirtschaft tätig, machte sich daran, emotionale Intelligenz zu „gamifizieren“. Das Ziel: ein Spiel, das vermittelt, was Gefühle, Widerstandskraft, Zusammenarbeit und Teilen bedeuten.

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© Chris Welsch

Ein völlig neues Spiel

In Zusammenarbeit mit Spieleentwicklern und einer Kinderpsychologin entstand die erste App des Unternehmens: Peppy Pals Farm. 2014 kam sie auf den Markt – in den Hauptrollen fünf Tierfiguren, mit denen Kinder sich leicht identifizieren können. Peppy Pals bemühte sich um Kredite und Fördergelder und sicherte sich schließlich mit dem Erfolg bei schwedischen und internationalen Wettbewerben eine Anschubfinanzierung. 2015 erreichte das Unternehmen das Finale des Wettbewerbs für Soziale Innovation der EIB.

Die App kam bei Eltern wie Kindern sofort gut an und kletterte auch ohne Marketingbudget weltweit in den Rankings von iOS, Amazon und Google Play nach oben.

Sie ist leicht zu nutzen, weil sie ohne Sprache auskommt. Die Figuren in den Szenen reagieren mit Bewegungen und Gesichtsausdrücken, die jeder versteht.

Linder beschreibt eine typische Situation in dem Spiel: „Das Pferd Sammy und der Hase Gabby sind beide hungrig. Sammy kommt an das Heu dran, Gabby nicht. Das Pferd hat also zwei Möglichkeiten: das Heu allein fressen und damit den Freund traurig machen oder das Heu teilen und abwarten, was passiert. Ganz klar: Wer teilt, gewinnt einen Freund fürs Leben!“

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Für Paulina Olsson, CEO und Mitgründerin von Peppy Pals, ist wichtig, dass selbst kleine Kinder das leicht verstehen.

„Wir haben Wert auf eine hochwertige Animation gelegt, damit die Kinder Gesichtsausdrücke und die Körpersprache der Figuren gut erkennen können. So entsteht ein starkes Bild, an das sich die Kinder im wirklichen Leben erinnern. Wir sagen nicht, was richtig oder falsch ist. Wir zeigen, was passiert, wenn man sich so oder anders verhält.“

Ein Komplettangebot

Als die App und die Figuren von Peppy Pals immer beliebter wurden, meldeten sich auch Buchverleger und andere interessierte Medien. „2015 und 2016 brachten wir mehrere Bücher heraus und 2017 eine Kurzshow fürs Fernsehen“, erzählt Olsson. Die Show, deren Folgen weitgehend aus der Feder von Linder und Olsson stammten, lief beim nordischen Streaming-Dienst Viaplay. 2018 stieg LEGO Ventures mit einer Beteiligung ein – überzeugt, dass Peppy Pals zum eigenen Konzept des spielerischen Lernens passt.

Und jetzt produzieren die Schweden sogar Lieder und Plüschtiere. „Das ist mittlerweile wirklich ein Komplettangebot geworden, mit digitalen und physischen Produkten, mit denen die Kinder lernen und spielen können“, so Olsson.

Für die Unternehmenschefin sind die liebenswerten Figuren von Peppy Pals ein guter Ausgangspunkt für soziales und emotionales Lernen in der Familie. „Wir wollen Kinder und Eltern zusammenbringen. Sie sollen darüber sprechen, was in den Geschichten passiert, und was wir daraus lernen können“, sagt sie. „In jedem Kind das Gute wecken und Bildung jenseits von ABC und kleinem Einmaleins, das ist unser Ziel.“

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Gro Eirin Dyrnes hat eine vierjährige Tochter, die gern mit der App von Peppy Pals spielt. „Ich spreche gerne mit Nelly über die einzelnen Szenen“, sagt Dyrnes. „Als die Eule beispielsweise böse war, weil das Pferd ihren Apfel gegessen hatte, sagte meine Tochter: ‚Oh nein, die Eule ist böse, aber das Pferd wusste doch gar nicht, dass es ihr Apfel war.‘ Ich habe sie dann gefragt, was wir tun sollen. Da sagte sie: ‚Vielleicht können wir der Eule einen neuen Apfel geben, damit sie wieder froh ist!‘“

Nelly helfen die Geschichten, ihre Gefühle zu bewältigen, ist sich Dyrnes sicher. Und sie findet die Szenen auch hilfreich für andere Themen – etwa, dass man die Lieblingsschuhe weitergeben kann, wenn sie zu klein geworden sind.

Laut Peppy-Pals-Gründerin Linder erkennen immer mehr Menschen, wie wichtig emotionale Fähigkeiten im Leben ist.

„Das Weltwirtschaftsforum führt emotionale Intelligenz mittlerweile unter den zehn wichtigsten Kompetenzen für den Arbeitsmarkt im Jahr 2020“, sagt sie.

Olsson fügt hinzu: „Wir müssen den Geist und das Herz bilden. Und wir sollten auch nicht mehr von ‚Soft Skills‘ sprechen, sondern von ‚Grundkompetenzen‘, weil diese Fähigkeiten bis zu 85 Prozent unseres Erfolgs im Leben ausmachen können. Sie entscheiden darüber, wie wir mit unseren Gefühlen umgehen, wie wir Herausforderungen und Rückschläge bewältigen und – was vielleicht am wichtigsten ist – wie wir gute Beziehungen aufbauen und in Teams arbeiten.“