In Marokko schob beratende Hilfe mitten in der Coronapandemie öffentliche Investitionen von 300 Millionen Euro an

Im August 2020 kämpfte Marokko mit der ersten Coronawelle. Die Krankenhäuser waren überfüllt, es fehlte an Schutzausrüstung, Geräten und geschultem Personal. All das musste dringend beschafft und bezahlt werden. Die Europäische Investitionsbank schnürte ein Kreditpaket von 200 Millionen Euro und zahlte rasch die erste Hälfte davon aus.

Das Geld war nun da, aber wie weiter?

Es kam darauf an, die Mittel schnell und sinnvoll auszugeben, um die beispiellose Notlage zu bewältigen. Die Behörden mussten sich mit Krankenhäusern im ganzen Land und mit in- und ausländischen Lieferanten abstimmen, um das Material da hinzubringen, wo es am dringendsten gebraucht wurde. Keine leichte Aufgabe!  

Marokko erhielt dazu sogenannte technische Hilfe unter der Resilienzinitiative der EIB. So konnte im November 2021 auch die zweite Tranche von 100 Millionen Euro ausgezahlt werden. Die Beratung half den Behörden, die Gelder schnell einzusetzen. Sie konzentrierte sich auf drei Kernpunkte: 

  • Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe
  • Prozesse für die Zuweisung der Gelder und die Kontrolle der Geldflüsse
  • Beachtung der Umwelt- und Sozialstandards, die für alle EIB-Projekte gelten

„Das Team der Resilienzinitiative arbeitete unter der Aufsicht der Bank hauptsächlich an zwei Aufgaben“, erklärt Mohamed Miftah, der jetzt ein fünfköpfiges Team unter der Initiative leitet. „Erstens sorgte es vor Ort für eine bessere Koordination der Projekte. Und zweitens half es, den Weg für wichtige Projekte in den Bereichen Gesundheit, Energie und Verkehr frei zu machen, die das EIB-Portfolio in Marokko größtenteils ausmachen.“



Projekthürden

Die Europäische Investitionsbank fördert seit 1979 Projekte in Marokko. 9,6 Milliarden Euro hat sie dort bislang investiert, davon 2,5 Milliarden Euro seit 2017. Bis die Dinge ins Rollen kommen, sind allerdings einige Hürden zu meistern. Komplexe oder überregionale Projekte erfordern viel Vorarbeit und eine genaue Planung. Oft zieht sich auch die Auftragsvergabe hin, weil es mit den Ausschreibungen nicht klappt.

Um derlei Hürden auszuräumen, bietet die Bank beratende Hilfe an. Außerdem überprüft sie jährlich das Kreditportfolio und organisiert regelmäßig Workshops mit den Büros und Agenturen, die Projekte betreuen.

„Marokko ist außerhalb der EU der zweitgrößte Empfänger von EIB-Geldern, nach Ägypten“, sagt Catherine Barberis. Sie leitet bei der EIB den Bereich, der für das Monitoring von Projekten in Nachbarländern zuständig ist. „Alles, was wir tun, soll helfen, dass die Projekte vor Ort gut laufen“, so Barberis.

Die Pandemie hat vieles noch schwerer gemacht, bei der Auftragsvergabe etwa oder den Umwelt- und Sozialstandards. Dadurch lagen Projekte auf Eis, und Kredite wurden nicht ausgezahlt. Einige Kunden brauchten zusätzliche Hilfe, damit die Gelder fließen konnten. Das ergab 2020 eine Analyse des EIB-Portfolios in Marokko.

Anschub für Investitionen

Die Gründe für Verzögerungen waren vielfältig: Für den Ausbau der Straßenbahn zwischen Rabat und Salé beispielsweise mussten Anwohner entlang der geplanten Strecke umgesiedelt werden. Dafür legt die EIB Standards an, denen die Vorschriften in Marokko nicht entsprachen.

Ein Knackpunkt waren die faire Entschädigung der Betroffenen und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Die Bank setzte Umsiedlungspläne durch und achtete auf die Wiederherstellung der Existenzgrundlagen – so, wie es den EIB-Vorgaben entspricht.

Bei mehreren großen Wind- und Solarprojekten stockte die Auszahlung wegen der strengen Anforderungen der Bank an öffentliche Konsultationen: Projektträger müssen die Betroffenen zeitnah klar und umfassend informieren und anschließend deren Meinung dazu einholen.

Ein weiteres Feld ist die Berichterstattung. Für ein Stadtentwicklungsprojekt in Zenata half ein Beratungsteam der EIB bei dem Fortschrittsbericht, der für die Auszahlung vorzulegen ist.

„Die Auszahlungen zeigen, wie gut ein Projekt vorankommt. Deshalb suchen wir nach dem besten Weg, sie zu beschleunigen“, sagt Audrey Givone, leitender Kreditreferent der EIB für Energieprojekte in Marokko. „Wir baten unsere Beraterinnen und Berater in Rabat, sich um auszahlungsreife Projekte zu kümmern. Sie nutzten ihre Erfahrung mit großen öffentlichen Einrichtungen und sind gut vernetzt. Mit ihrer lokalen Kompetenz konnten wir die Bremsen lösen.“

Die Ergebnisse sprechen für sich: Allein 2022 verdoppelten sich die Auszahlungen auf 381 Millionen Euro.

Workshops zur Problemlösung

Im März 2020, kurz vor den Corona-Lockdowns, organisierte die Bank Workshops für Projektträger, Behörden, Kunden und Förderempfänger in Marokko. Zuvor hatte sie ihr Portfolio an öffentlichen Projekten im Land überprüft. In den Veranstaltungen mit über 90 Teilnehmenden ging es vor allem um die Regeln der Bank zur Auftragsvergabe und um die Umwelt- und Sozialstandards. Weitere Workshops folgten seither.

„Als nicht gewinnorientierte europäische Einrichtung bietet die EIB optimale Finanzierungsbedingungen; ihre Organisationsstruktur bringt besondere Vorteile und Herausforderungen mit sich“, sagt Amar Kaddouri, Leiter der Europa-Abteilung im Haushaltsressort des marokkanischen Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen. „Die Workshops sind hilfreich. Sie geben uns die Gelegenheit, Fragen zu stellen.“

Beispielsweise reicht es nicht aus, wenn Projektträger die Landesvorschriften für die Auftragsvergabe erfüllen. Sie müssen auch den Regeln der EIB entsprechen.  Die nationalen Bestimmungen geben manchmal einheimischen Zulieferern oder Dienstleistern Vorrang. Die EIB dagegen verlangt gleichen Zugang und gleiche Chancen bei der Vergabe, und einheimische Anbieter können bis zu 15 Prozent teurer sein als ausländische.

„Die Auftragsvergabe ist der Dreh- und Angelpunkt aller unserer Investitionsprojekte“, erklärt Alaleh Motamedi, der als stellvertretender Leiter Beschaffung der EIB im Juni 2022 einen Workshop leitete. „Deshalb kann es alles blockieren, wenn die EIB-Vorschriften nicht eingehalten werden; selbst wenn das Verfahren den nationalen Regeln entspricht.“

In einem Workshop Mitte Juni ging es zuletzt um rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Verträgen, um Anforderungen des Klimabank-Fahrplans der EIB-Gruppe und um den Klimafonds für Städte als neue Mittelquelle.

Asmaa Sghiouar, Finanzchefin der marokkanischen Strom- und Trinkwasserbehörde ONEE – ein regelmäßiger Kunde der EIB – ist dankbar für die Beratung unter der Resilienzinitiative. Sie habe ihrem Team den Weg durch das Regeldickicht rund um die Auszahlungen und den Projektzyklus gewiesen. „In den Workshops kommen neue Lösungen auf den Tisch“, so Sghiouar. „Wir finden es gut, dass die EIB das anbietet.“



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