„Man erhält auch ohne übermäßige Verarbeitung und ohne Zusatzstoffe einen komplexen Umami-Geschmack.“
2021 fragte sich Morten Sommer, Mikrobiologe an der Danmarks Tekniske Universitet, ob man mithilfe von Mikroben auch gesündere, umweltfreundlichere Lebensmittel produzieren könne. Zusammen mit seiner Kollegin Leonie Jahn sprach er mit Rasmus Toft-Kehler, mit dem er schon mehrere Biotech-Unternehmen gegründet hat, über das Potenzial von Mikroben.
Die drei wussten so einiges über Mikroben und deren Potenzial, aber sie hatten keine Ahnung, wie man leckere Lebensmittel erzeugen kann. Also nahmen sie Kontakt mit dem bekannten Küchenchef und Gastronom Claus Meyer auf. Das von Meyer mitgegründete Restaurant Noma hat drei Michelin-Sterne und gilt als eines der besten der Welt.
„Das Grunddilemma war: ‚Essen ist einerseits etwas Fantastisches und andererseits eines der größten Probleme auf unserem Planeten‘“, erinnert sich Randi Wahlsten, Chief Executive Officer des neu gegründeten Unternehmens Matr Foods. „Die Lebensmittelproduktion verschärft Ungleichheiten, schadet der Natur und verursacht letztlich eine Gesundheitskrise.“
Wahlsten trat wenige Monate nach der Gründung von Matr Foods im Jahr 2021 in das Unternehmen ein. Sie hatte bereits über zehn Jahre in der Lebensmittelindustrie gearbeitet und wollte sich für eine nachhaltigere Produktion engagieren. Als Erstes kam ihr die begrenzte Auswahl an Fleischalternativen in den Sinn, die es damals gab. „Wenn wir Fortschritte bei der Nachhaltigkeit machen wollen, müssen wir einen besseren Ersatz für Fleisch finden, da war ich mir sicher“, erinnert sie sich. „Denn alles, was in dieser Richtung damals angeboten wurde, war hochverarbeitet und aus gastronomischer Sicht wenig spannend.“
Das Team machte sich daran, eine neue Fleischalternative zu entwickeln. Im Gegensatz zu den damals verfügbaren Produkten wollten sie nicht einfach Fleisch nachahmen. Ihr Ziel war vielmehr ein vergleichbar komplexer Geschmack und eine ähnlich saftige Textur, ohne dabei der Gesundheit oder der Umwelt zu schaden. Drei Jahre später verwendet Matr Foods für seinen Fleischersatz Pflanzen wie Rote Beete, Kartoffeln, Bohnen und Hafer, die in Europa angebaut werden. Mithilfe von Pilzfermentation entstehen daraus Burger-Patties oder Hack.
„Man erhält auch ohne übermäßige Verarbeitung und ohne Zusatzstoffe einen komplexen Umami-Geschmack“, erklärt Wahlsten. Er ähnelt einer intensiven Pilz- oder Tomatenreduktion. „Außerdem entsteht durch die Pilze eine Textur, die beim Hineinbeißen Flüssigkeit absondert – wie beim Biss in ein wirklich saftiges Stück Fleisch.“
Fleischersatz im Laufe der Zeit
Das Unternehmen aus Kopenhagen produzierte seine Burger-Patties zunächst von Hand in einer Industrieküche. Es belieferte zwei Edelrestaurants in Dänemark und die beliebte Burgerkette Gasoline Grill mit seinem Fleischersatz. Küchenchefs und Gäste waren gleichermaßen begeistert.
Jetzt sollen rund 40 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung sowie in den Bau und Betrieb einer neuen Produktionsanlage investiert werden. Damit können 3 500 Tonnen an pflanzlichem Fleischersatz hergestellt werden – etwa hundert Mal so viel wie heute. Die Europäische Investitionsbank hat im September einen Venture-Debt-Kredit über 20 Millionen Euro mit Matr Foods unterzeichnet, der von InvestEU abgesichert wird.
Im vergangenen Jahrzehnt hat bei Fleischersatz eine beträchtliche Weiterentwicklung stattgefunden. Die erste Generation bestand vor allem aus Tofu oder Tempeh: Produkte auf Sojabasis, die nicht besonders gut zu europäischen Ernährungsgewohnheiten passen. „Die meisten von uns konnten damit im Alltag kaum etwas kochen“, sagt Stephan Mitrakas, Cleantech Investment Officer bei der Europäischen Investitionsbank. Spaghetti Bolognese mit Tofu-Stückchen, das reißt nicht mit.
Die Produkte der zweiten Generation kamen schon näher an Fleisch heran und waren auch recht erfolgreich. Impossible Foods, der Hersteller des pflanzenbasierten Impossible Burger, plante einen Börsengang, für den das Unternehmen mit rund zehn Milliarden US-Dollar bewertet wurde. Inzwischen ist die Bewertung allerdings etwas gesunken.
Ersatzprodukte enthielten oft viele Zusatzstoffe und „ordentlich Fett“, meist durch Zugabe von Pflanzenölen, sagt Carmine Marzano, Senior Engineer in der Abteilung Bioökonomie bei der Europäischen Investitionsbank. Die Zutatenliste der Produkte ist recht lang und reich an Zusatzstoffen. Alles wird vermischt und dann in die Form eines Burger-Patty gepresst. „Stellen Sie sich eine Nudelmaschine vor“, erklärt Marzano. „Patties werden ähnlich hergestellt, aber die Zutaten sind mit veganen Proteinextrakten vermischt.“
Eine Prise Pilzsporen
Das Produkt von Matr gehört zur dritten Generation. Es sieht Fleisch recht ähnlich, fühlt sich auch so an und kann für typische europäische Gerichte wie Bolognese-Soße oder Hackauflauf verwendet werden.
Matr verbindet die Zutaten nicht mit Zusatzstoffen oder Fett, sondern zerkleinert und kocht Kartoffeln, Rote Beete, Bohnen und Hafer und vermischt das Gemüse dann mit ausgewählten Pilzsporen. Diese Mischung wird in eine Form für Burger-Patties gefüllt, und dann erfolgt eine kontrollierte Fermentation.
In dieser Phase geschieht etwas ganz Wichtiges:
- Die Pilzsporen keimen und formen ein Myzel, also eine wurzelähnliche Struktur aus fadenförmigen Fasern oder Filamenten.
- Diese kleinen Wurzeln brechen die Nährstoffe im Gemüsemix auf und setzen geschmacksintensive Aminosäuren und Stärken frei, die wie Fleisch beim Braten braun werden.
- Das Myzel wirkt wie ein Bindemittel und verleiht den Burgern Struktur und eine saftige Textur.
„Es ist ein bisschen wie Backen“, sagt Wahlsten. Wenn man einfach Wasser, Mehl und Salz zusammenrühren und dann im Ofen backen wollte, würde gar nichts passieren. „Wenn man aber Sauerteig oder Hefe dazu gibt, werden Mikroben aktiviert, die sich von den Nährstoffen im Mehl ernähren. Dadurch entstehen Geschmack und Textur, und man bekommt ein tolles Brot. Genauso machen wir das auch.“
Das Endprodukt ist dank dieses vereinfachten Ansatzes naturnäher.
„Das Verfahren von Matr ist wirklich hoch sauber, und das gefällt uns“, hält Mitrakas fest. „Wir haben am Markt kein anderes Produkt gefunden, dessen Zutatenliste so kurz ist und keine Zusatzstoffe enthält.“
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Nicht nur für Veganer
Laut Wahlsten will sich Matr Foods nicht nur an Veganer oder Vegetarier wenden. Das Unternehmen richtet sich mit seinem Produkt an alle, die weniger Fleisch essen wollen.
„Sämtliche wissenschaftlichen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass unser Fleischkonsum in der westlichen Welt nicht mit Nachhaltigkeit zu vereinbaren ist“, so Wahlsten. „Wir können einfach nicht weiter 60 bis 70 Kilo Fleisch pro Jahr essen. Das hält unsere Erde nicht aus, und unserer Gesundheit tut es auch nicht gut.“
Derzeit kann das Unternehmen gar nicht so viele Pilz-Burger und so viel Pilzhack herstellen, wie nachgefragt werden. Das soll sich mit der neuen Produktionsanlage ändern, und Matr hofft, weitere Restaurants und Burger-Läden als Kunden zu gewinnen. Idealerweise sollen die Produkte auch in Supermärkten und später in anderen europäischen Ländern verkauft werden (Matr vertreibt sein Produkt derzeit nur über einen einzigen Online-Supermarkt in Dänemark). Bei einem größeren Absatzvolumen könnte das Unternehmen seinen Fleischersatz etwas unter dem üblichen Preis für hochwertiges Fleisch oder Biofleisch verkaufen.
Geänderte Gewohnheiten
Es ist immer schwierig, Ernährungsgewohnheiten zu ändern. Wahlsten ist aber optimistisch, wenn sie sich die Entwicklung der Essgewohnheiten in Europa in den vergangenen Jahrzehnten anschaut. Sushi ist ein Beispiel dafür: Das war vor 25 Jahren in Europa kaum bekannt. Heutzutage jedoch, so Wahlsten, weiß praktisch jedes elfjährige Kind, welches Sushi – oder zumindest welches japanische Gericht – es am liebsten isst.
„Sushi entsprach so gar nicht den europäischen Gewohnheiten. Inzwischen essen die Menschen es gern, finden es spannend und es ist überall zu bekommen“, sagt sie. „Das zeigt, was für ein Wandel möglich ist.“
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MATR FOODS (IEU GT2)
The project aims at financing the innovative Danish start-up MATR Foods ApS for its RDI activities and the construction and operation of a first-of-a-kind plant for the production of new, clean label plant-based meat alternatives.