Deutsches Start-up vereinfacht und verbessert die Behandlung von Intensivpatienten

Wenn Catherine Schreiber erklären muss, warum das Multiorganunterstützungsgerät ADVOS so revolutionär ist, erinnert sie gerne an die Vorstellung des ersten iPhone 2007: „Das war spektakulär. Und wissen Sie, warum? Weil Sie mit dem iPhone zum allerersten Mal viele verschiede Geräte in einem Telefon bekamen.“

Beim ADVOS multi gilt das gleiche Prinzip – nur, dass das Gerät Leben rettet. Wer einmal eine Intensivstation gesehen hat, kennt das abschreckende Durcheinander aus piepsenden Apparaten und Bildschirmen, Schläuchen und Kabeln, das schwerkranke Menschen am Leben hält. ADVOS kombiniert drei dieser Apparate in einem Gerät und vereinfacht die Behandlung dadurch erheblich.

Das in Europa zugelassene Gerät unterstützt die drei wichtigsten Entgiftungsorgane des Körpers: Leber, Lunge und Nieren. Normalerweise brauchen Intensivpatienten für jedes Organ ein Gerät, und dann müssen noch der Säure-Basen-Haushalt korrigiert und die Entgiftung stabil gehalten werden.

Catherine Schreiber: „Die häufigste Todesursache auf der Intensivstation ist Multiorganversagen.“ Es ist für 60 Prozent der Todesfälle verantwortlich. Genau da setzt ADVOS an. Wie klinische Studien zeigen, verbessert ADVOS die Überlebensrate schwerkranker Patienten von 20 Prozent auf 50 Prozent. Laut einer weiteren Studie hilft es auch Covid-19-Patienten, weil es CO2 aus dem Blut entfernt.

Neue Märkte im Visier

ADVOS wird von dem Münchener Unternehmen ADVITOS hergestellt, das 2021 zu den Finalisten des Social Innovation Tournament des EIB-Instituts gehörte. Der Wettbewerb fördert kreative Umwelt- und Sozialunternehmen, die Lösungen für gesellschaftliche Probleme bieten. ADVITOS war einer der 15 Finalisten, die aus 280 hochkarätigen Kandidaten aus 28 Ländern ausgewählt wurden. Der Wettbewerb für Soziale Innovation prämiert die besten europäischen Sozialunternehmen und fördert innovative Ideen mit sozialer, ethischer oder ökologischer Wirkung.

Catherine Schreiber ist die stellvertretende Geschäftsführerin von ADVITOS. Gegründet wurde das Unternehmen 2005 vom heutigen Geschäftsführer Dr. Bernhard Kreymann. Er erfand das ADVOS-Verfahren und gab seine klinische Tätigkeit auf, um die Innovation im eigenen Unternehmen zu perfektionieren. Heute ist ADVITOS ein voll zertifiziertes Medizintechnikunternehmen mit über 60 Beschäftigten. Sein ADVOS-Gerät wird in 20 deutschen Krankenhäusern und seit Oktober auch in einem Krankenhaus in Österreich eingesetzt.

>@ADVOS
© ADVOS

Dr. Bernhard Kreymann, Gründer und Geschäftsführer & Catherine Schreiber, stellvertretende Geschäftsführerin

Die Vorteile von ADVOS sind schnell erklärt – das Problem ist, die Geräte in die Kliniken zu bringen.

„Das Budget in den Krankenhäusern ist meist knapp. Es fehlt das Geld für neue Geräte“, erklärt Martina Petkov, die bei ADVITOS für Strategie und Geschäftsentwicklung zuständig ist. „Daher setzen wir auf ein nutzungsabhängiges Pay-per-Use-Modell.“

Die Krankenhäuser zahlen dabei pro behandeltem Patienten eine Gebühr, die auch den Support rund um die Uhr einschließt. Über die Krankenversicherung der Patienten erhalten sie das Geld zurück.

ADVOS ist mittlerweile in 21 Krankenhäusern im Einsatz. Über 1 000 Patientinnen und Patienten wurden bereits mit dem Gerät behandelt. Für das Unternehmen bedeutete das im Jahr 2020 Einnahmen von 2,3 Millionen Euro.

Jetzt will ADVITOS in die Schweiz expandieren, danach sollen Frankreich, Belgien und Italien folgen. Auch mit der US-Arzneimittelbehörde FDA ist das Unternehmen im Gespräch, um den Markteintritt in den USA vorzubereiten. Hier will ADVITOS seine Produkte bis 2025 auf den Markt bringen, so Petkov.

Derweil arbeitet das Forschungs- und Entwicklungsteam des Unternehmens an einer noch leichteren Bedienung des Geräts. Künstliche Intelligenz soll es den Intensivkräften einfacher machen und sie so entlasten.

Catherine Schreiber ist seit 2006 bei ADVITOS und noch genauso begeistert von dem Projekt wie am ersten Tag: „Ich habe damals gesehen, dass diese Therapie besonders ist – dass wir damit Menschenleben retten können“, sagt sie. „Unser Gerät ist wirklich innovativ. Es hilft den Intensivstationen so, wie es kein anderes Gerät kann.“