Unternehmen brauchen qualifizierte Arbeitskräfte – trotzdem investieren einige nicht in Schulungen zum Kompetenzaufbau. Was hält sie davon ab? Wir analysieren die Ergebnisse unserer Umfrage zu Mitarbeiterschulungen.

Von Patricia Wruuck

Warum investieren Unternehmen in der EU in Mitarbeiterschulungen und warum nicht? Unternehmen spielen für das Schulungsangebot in Europa eine zentrale Rolle. 2016 nahmen 35,9 Prozent der 25–64-Jährigen in der EU an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die meisten dieser Maßnahmen (89,1 Prozent) wurden vom Arbeitgeber bezahlt.

Unternehmen investieren in Schulungen, um ihre Produktivität zu steigern und die Kompetenzen ihrer Arbeitnehmer auf dem neuesten Stand zu halten. Ein Grund dafür ist, dass sich das wirtschaftliche Umfeld unter anderem wegen des technologischen Fortschritts (Automatisierung und Digitalisierung) oder der alternden Bevölkerung laufend verändert.

Aber investieren Firmen genug? Das Gegenteil dürfte der Fall sein: In fast allen EU-Ländern sind Berufsbildungsstrategien allgegenwärtig, wenn auch ohne einheitliche Linie. Allzu oft werden betriebliche Schulungen aber noch durch Zuschüsse gefördert. Rund 20 Prozent der europäischen Unternehmen geben an, dass sie zu wenig in die Ausbildung ihres Personals investieren (EIB, 2018).

Unternehmen erkennen die Vorteile von Schulungen oft nicht

Die ökonomische Meinung geht dahin, dass Unternehmen weniger in Schulungen investieren als aus sozialer Sicht ideal wäre. Der Grund dafür sind Marktschwächen, die wiederum auf Finanzierungsengpässe und externe Faktoren zurückzuführen sind. Finanzierungsengpässe erschweren den Zugang zu externen Finanzierungen oder machen ihn extrem kostspielig. Deswegen scheuen die Unternehmen trotz der erwarteten Vorteile vor Schulungsmaßnahmen zurück.  Die Investitionen bleiben teilweise auch deswegen hinter dem eigentlichen Bedarf zurück, weil Unternehmen, die die Schulungen bezahlen, nicht in vollem Umfang davon profitieren können. Auch die Schulungsempfänger sind ja die Nutznießer, schließlich liefern ihnen die Maßnahmen gute Argumente in Gehaltsverhandlungen – das so genannte „Hold-up-Problem“.

Es ist wichtig, die Faktoren zu verstehen, die Mitarbeiterschulungen beeinflussen – vor allem in einem wirtschaftlichen Kontext, in dem die Ungleichheiten zunehmen, das Alter der Belegschaft steigt und Digitalisierung und Automatisierung voranschreiten. Letztere verdrängen Arbeitsplätze und Aufgaben oder verändern diese (massiv); somit steigt der Bedarf an Umschulungen und die Bedeutung der Erwachsenenbildung. Die bisherigen Erkenntnisse deuten auf einen beunruhigenden Trend hin: Die Wahrscheinlichkeit, an einer betrieblichen oder außerbetrieblichen Schulung teilzunehmen, ist sehr ungleich verteilt. Arbeitnehmer mit niedrigem Abschluss, deren Arbeitsplätze eher automatisiert werden, nehmen weitaus seltener daran teil.

Große Unterschiede bei Mitarbeiterschulungen in Europa

In dem neuen Arbeitspapier Employer-provided training in Europe: Determinants and obstacles untersuchen wir die aktuellen Fakten zum Thema Mitarbeiterschulungen in Europa und analysieren die betrieblichen Schulungsaktivitäten anhand von zwei Arbeitgebererhebungen – der Investitionsumfrage der EIB und der Erhebung über die berufliche Weiterbildung von Eurostat.

Unsere Analyse zeigt, dass die Schere bei der durchschnittlichen Bereitstellung von Mitarbeiterschulungen in Europa weit auseinandergeht: In Griechenland bieten knapp 20 Prozent der Unternehmen Schulungen an, in Lettland sind es 90 Prozent. Zwar sind die Ergebnisse sehr heterogen, aber die Länder, in denen die wenigsten Unternehmen in Schulungsmaßnahmen investieren, liegen alle in Süd- oder Osteuropa. Der EIB-Investitionsumfrage zufolge betrug der Anteil der Unternehmen, die keinen einzigen Euro aufwendeten, im Jahr 2017 in Griechenland über 60 Prozent, in Bulgarien, Italien und Malta über 40 Prozent und in der Tschechischen Republik und der Slowakei unter 15 Prozent.

Die durchschnittlichen Ausbildungsinvestitionen je Arbeitskraft variierten auch in den europäischen Ländern erheblich, von unter 100 Euro in mehreren osteuropäischen Ländern und Griechenland bis zu über 300 Euro in Belgien, Frankreich, Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden. Auch die Mehrheit der osteuropäischen Länder – insbesondere Slowenien, die Slowakei und die Tschechische Republik – investierte relativ wenig in Schulungen gemessen an den Gesamtinvestitionen. Diese umfassen gegenüber den meisten westeuropäischen Unternehmen generell eher Investitionen in Sachgüter.

Die Teilnahme der Beschäftigten an den von den Arbeitgebern angebotenen Schulungen ist in Europa ebenfalls unterschiedlich stark ausgeprägt. Laut der Eurostat-Erhebung von 2015 nahmen durchschnittlich fast 41 Prozent der europäischen Arbeitskräfte an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teil – von weniger als 20 Prozent in Griechenland und Ungarn bis zu mehr als 60 Prozent in Luxemburg und der Tschechischen Republik. Im Jahr 2015 entfielen pro 1 000 Arbeitsstunden durchschnittlich 6,5 Stunden auf die berufliche Weiterbildung – von 3 in Griechenland und Ungarn bis 12,2 in Luxemburg und 13,1 in Belgien. Länder mit einer hohen Teilnahmequote verzeichneten auch eine hohe Stundenzahl für die Schulungen, mit Ausnahme der Tschechischen Republik, wo die Teilnahme am höchsten war, die Stundenzahl aber unterhalb des Stichprobendurchschnitts lag. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto weniger investiert es in der Regel in Investitionen.

Schulungsgegenstand sind oft berufsspezifisches Know-how und IT-Kenntnisse sowie Management- und Problemlösungskompetenzen. Der Anteil der Unternehmen, die 2015 berufliche Weiterbildungsmaßnahmen durchführten, war bei berufsspezifischen Qualifikationen deutlich am höchsten (64,3 Prozent), bei Fremdsprachenkenntnissen am niedrigsten. Management, Teamwork und Kundenbetreuung waren Schulungsgegenstand bei mehr als 20 Prozent der Unternehmen. Die Schulungsmaßnahmen richten sich vor allem danach, welche Kompetenzen bei der Einstellung am schwersten zu finden sind. Laut der EIB-Umfrage zur Investitionstätigkeit in den Bereichen Digitalisierung und Qualifikation ist es für Unternehmen oft schwierig, berufsspezifische Kompetenzen zu finden (EIB, 2018).

Was hält Unternehmen davon ab, mehr Schulungen anzubieten?

Unternehmen bieten vor allem dann keine Schulungen an, wenn die Mitarbeiterqualifikationen dem aktuellen Bedarf entsprechen (etwa 80 Prozent der Antworten).

Jedoch werden auch die Kosten als Grund angeführt. Diese können je nach Unternehmensgröße und finanzieller Lage variieren. Die Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass Unternehmen, die finanzielle Schwierigkeiten haben, weniger in Schulungen investieren. Ein besserer Zugang zu den Finanzmärkten kann die Heterogenität des Schulungsangebots in Europa jedoch nur teilweise verringern, da sich auch andere Faktoren wie Arbeitsmarkteinrichtungen, Produkt- und Arbeitsmarktregulierung und die Produktivitätsvorteile der Schulungen unterscheiden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in Zeiten des Wirtschaftswachstums mehr in Schulungen investiert wird, die Forschung und Entwicklung sowie Bereiche mit einem höheren Anteil an gut ausgebildeten Arbeitskräften betreffen.

Unsere Analyse der Gründe, warum Unternehmen vor internen Schulungen zurückscheuen, zeigt: Es gibt keine Patentlösung, Unternehmensinvestitionen in Schulungen anzukurbeln. Wir benötigen vielmehr einen ganzheitlichen Ansatz. Nur eine Länderdiagnostik kann zeigen, welche konkreten Konstellationen die Unternehmen zurückhalten und was man dagegen tun kann. Darüber hinaus sollten die europäischen Berufsbildungsstrategien in empirischen Untersuchungen genauestens auf ihre Effektivität geprüft werden. Eine solche Analyse könnte dazu beitragen, die besten Lösungen für gemeinsame europäische Herausforderungen wie die alternde Bevölkerung und die Digitalisierung zu finden. Daraus könnten sich konkrete Schlussfolgerungen für die Berufsbildungsstrategien ergeben, etwa wie die alternde Erwerbsbevölkerung angemessen geschult bleibt, geringqualifizierte Arbeitskräfte häufiger in Schulungen eingebunden und die benötigten Kompetenzen – die sich durch die Digitalisierung rasch ändern – herangebildet werden können.