Auf ihrem neuen Campus will die Universität Lettlands noch mehr Innovationen hervorbringen. Zu ihren bisherigen Erfolgen zählen Fortschritte in der Quanteninformatik – und Schokopillen.

Andrejs Erglis, der Leiter des Herzforschungsinstituts der Universität Lettlands, spielte Tennis mit Aivars Žimants, dem Gründer einer kleinen Schokoladenfabrik. Im Umkleideraum überlegten sie spaßeshalber, was Kakao und das Herz-Kreislauf-System miteinander zu tun hatten – und heraus kam die Idee für eine Schokolade, die sogar der Doktor empfehlen würde.

So setzten sie das Ganze in die Tat um: Professor Erglis hatte an der Universität Lettlands eine Studie darüber geleitet, wie natürliche Stoffe (z. B. Schokolade) Patienten mit hohem Cholesterinspiegel und erhöhten Entzündungswerten helfen können. Seine Söhne Kristaps und Martins hoben eine Zusammenarbeit mit der Schokoladenfabrik aus der Taufe, gründeten ein Unternehmen namens Purified und hielten nur neun Monate später das fertige Produkt in den Händen: kleine Pillen aus dunkler belgischer Schokolade mit Vitaminen und Inhaltsstoffen, die dem Herz guttun. Die Pillen sind in Folienverpackungen eingeschweißt, die man sonst von Aspirin kennt, und sollen „vier Mal täglich mit einem Glas Wasser“ eingenommen werden, so die Empfehlung.

Aus dieser Innovation, gefördert durch EU-Zuschüsse für die Universität, entstand die Idee für weitere Schokopillen – etwa für eine bessere Sehkraft oder um in Form zu bleiben. Die Pillen sind bereits auf mehreren europäischen Märkten sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in China erhältlich.

„Wissenschaft und Industrie haben sehr effizient und flexibel zusammengearbeitet. An der Entwicklung war ein Team aus Wissenschaftlern und Lebensmitteltechnikern sowie erfahrenen Unternehmern beteiligt“, erzählt Kristaps Erglis.

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© University of Latvia

Professor Erglis und seine beiden Söhne Kristaps (rechts) und Martins (links) mit der gemeinsam entwickelten „Cardiochocolate“.

Blutsbande an der Universität

Kristaps ist mittlerweile in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Nach einem Bachelor in Jura wurde ihm klar, „was ihn wirklich interessierte“. Er schrieb sich für Medizin an der Universität Lettlands ein und tat es damit seinem Bruder Martins gleich, der dort momentan seinen Facharzt für Herzchirurgie macht. Martins ist außerdem Geschäftsführer des Schokopillenunternehmens.

Dass beide Söhne des Kardiologieprofessors an der gleichen Uni studieren, ist kein allzu großer Zufall, denn die Universität Lettlands gehört zu den größten Forschungs- und Lehruniversitäten des Landes. Sie hat etwa 15 100 Studierende und damit einen Anteil von 18 Prozent am Hochschulsektor.

Die Universität will ihre Studierendenzahl bis 2022 um 2 400 erhöhen und dabei auch die Zahl der internationalen Studierenden verdoppeln. Mit steigenden Einschreibungen, zunehmenden wissenschaftlichen Aktivitäten und guten Forschungsergebnissen dürfte die Universität ihre Einnahmen aus Wissenstransferaktivitäten – etwa aus der Erfindung der Schokopillen – vervierfachen. All dies spielt wiederum eine wichtige Rolle für den Bau eines neuen Campus.

Ein Team der Europäischen Investitionsbank, das sich das Campusprojekt einmal von Nahem anschauen wollte, wurde – Sie können es sich denken – mit einer Schachtel Schokopillen empfangen.

„Die Universität leistet einen großen Beitrag zur Zukunft der Hochschulbildung in Lettland und zieht mehr Forschungs‑ und Entwicklungsaktivitäten an, die das Land so dringend braucht“, so Jochen von Kameke, der bei der EIB als Kreditreferent für den öffentlichen Sektor in den baltischen Ländern und Polen zuständig ist. „Die Universität verlässt die veralteten Gebäude, die über ganz Riga verteilt sind, und bezieht einen modernen Campus, der westeuropäischen Standards entspricht.“

Die Kosten dafür belaufen sich auf 90 Millionen Euro. Davon stellt die EIB ein Drittel bereit. Das Darlehen fällt unter die Investitionsoffensive für Europa und wird teilweise durch eine Garantie der Europäischen Kommission besichert. Insgesamt soll es helfen, die Lehr‑ und Forschungseinrichtungen zu verbessern, das Gebäudemanagement zu straffen und die Universität kosteneffizienter zu machen. Die Laufzeit von 25 Jahren hätte der Privatsektor nicht bieten können. Außerdem verzichtet die EIB auf eine staatliche Garantie.

Sterne, Chinesisch und Nanotechnologie

Aber Schokolade ist nur eines von vielen Beispielen für das Forschungspotenzial der Universität. Die Forscher und Professoren der Universität Lettlands arbeiteten außerdem an Folgendem:

  • Nanomaterialien und Nanotechnologien
  • Algorithmen für die Quanteninformatik
  • energieeffiziente Pumpen für geschmolzenes Aluminium
  • Hautstammzellen
  • ein chinesisch-lettisches Wörterbuch
  • ein Katalog der Sterne (dabei wurde sogar der neue Asteroid namens Baldone entdeckt)
  • und vieles mehr

Für die kommenden Jahre erhofft sich Indriķis Muižnieks, Rektor der Universität Lettlands, eine Verdopplung der Mittel für die Wissenschaft. Und er wünscht sich, dass die Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter in den Naturwissenschaften und in der Medizin um 20 Prozent und in den Geistes‑ und Erziehungswissenschaften um 10 Prozent steigen wird. Er möchte mehr Studierende anziehen und damit auch mehr Studiengebühren einnehmen. Den Forschern an der Universität möchte er moderne Einrichtungen bieten, damit sie einfacher an Forschungsgelder gelangen.

Kristaps Erglis hofft, dass auch die Schokolade einen Beitrag dazu leistet: „Ich hoffe, sie motiviert die Menschen dazu, zu studieren und innovative Ideen zu entwickeln.“