Unser digitaler ökologischer Fußabdruck – was steckt dahinter und wie können wir ihn verkleinern?

Digitale Technologien, Internet – viele denken dabei an eine neue, grünere Wirtschaft. Sicher, mit der Digitalisierung können wir die Umwelt schützen. Weniger Papier, Videokonferenzen statt Fliegen, energiesparende intelligente Netze sind nur einige Beispiele.

Aber: In unserer vernetzten Welt ist der digitale Sektor mittlerweile selbst einer der größten Energieverbraucher und Treibhausgasproduzenten. Da wir in unserem modernen Alltag von allem zu viel verbrauchen, wird das Klima auf der Erde immer wärmer. Und Technologie kann kein Allheilmittel sein, wenn wir unser Verhalten nicht ändern.   

Ein paar Zahlen vorweg

  • Der Energieverbrauch des digitalen Sektors (durch die Produktion und Nutzung der Geräte und durch die Übertragung und Speicherung von Daten) steigt pro Jahr um neun Prozent. 2020 soll er 3,3 Prozent des Stromverbrauchs der Weltwirtschaft ausmachen (2013 waren es noch 1,9 Prozent).
  • Bereits 2017 verursachte der Digitalsektor 3,3 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, also weit mehr als der Flugverkehr (zwei Prozent), der oft als einer der Hauptschuldigen genannt wird. 2020 soll der Anteil sogar auf vier Prozent steigen. Das ist so viel CO2, wie ganz Indien 2015 in die Luft blies.

Überrascht? Vielleicht stimmt das mit der „Dematerialisierung“ doch nicht so ganz. Die digitale Wirtschaft verbraucht nämlich einiges an Materie, vor allem sehr viel Energie und Rohstoffe.

Hardware

Bei der Hardware lässt sich der „materielle“ Aspekt am besten veranschaulichen. Auf ihre Produktion entfallen 45 Prozent des gesamten Energieverbrauchs des digitalen Sektors.

Hightech-Geräte wie Smartphones, Tablets, Laptops oder internetfähige Fernseher sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Seit Steve Jobs sein erstes iPhone vorstellte, wurden sieben Milliarden Smartphones gefertigt. Um immer das neueste, leichteste und schnellste Handy zu haben, kaufen wir (in den reichsten Teilen der Welt) alle zwei Jahre ein neues Smartphone – im Durchschnitt.

Über den gesamten Lebenszyklus gerechnet entstehen 90 Prozent des direkten Energieverbrauchs eines Smartphones bei seiner Herstellung. Je öfter wir also ein neues kaufen, desto mehr schaden wir der Umwelt.

Elektronische Geräte bestehen aus Tausenden von Komponenten, Edelmetallen und seltenen Erden (bei einem Smartphone sind es im Schnitt 40). Der Abbau und die Raffination dieser Stoffe sind energie- und wasserintensiv. Die Bergwerke liegen oft in Ländern, in denen Umweltschutz und soziale Normen keine Rolle spielen. Weil wir stets vernetzt sein wollen, nehmen dort nicht nur die Treibhausgasemissionen zu, sondern auch die Abholzung und die Verschmutzung von Böden und Wasser. Von den Menschenrechtsverletzungen ganz zu schweigen. Das Recycling dieser Stoffe steckt noch in den Kinderschuhen und verbraucht selbst sehr viel Energie, was an der hohen Zahl unterschiedlicher Metalle und den geringen Konzentrationen liegt.

Zudem gibt es nur wenige Lager- und Produktionsstätten. Der Digitalsektor konkurriert außerdem mit dem Sektor der erneuerbaren Energien, da auch Windparks, Solarmodule und -batterien mit den knappen Ressourcen hergestellt werden.

Wir sollten deshalb unsere Geräte so lange wie möglich verwenden und gegen die künstlich begrenzte Lebensdauer vorgehen.

Datenverkehr und Datenspeicherung

Unser digitaler ökologischer Fußabdruck birgt aber noch mehr Überraschungen, auch wenn sie nicht so leicht zu greifen sind. So beispielsweise bei der Übertragung und Speicherung unserer Daten.

Bereits 2013 erklärte der damalige Google-Chef Eric Schmidt: „Wir erzeugen alle zwei Tage so viele Informationen, wie insgesamt bis 2003.“ Das ist natürlich schwer zu überprüfen, lässt aber erahnen, welche Dimensionen „Big Data“ annimmt. Durch die fortschreitende Vernetzung in den Schwellenländern und die Hypervernetzung in den entwickelteren Ländern (Stichwort Internet der Dinge) wächst das Datenaufkommen exponentiell.

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Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Grundbausteine unseres vernetzten Alltags:

E-Mails: Was meinen Sie? Wie viele E-Mails werden jede Stunde ausgetauscht? Zehn Milliarden. Nur 20 Prozent davon werden auch gelesen. Diese E-Mails legen – mit Lichtgeschwindigkeit und über mehrere Server – durchschnittlich 15 000 Kilometer bis zu ihrem Empfänger zurück. Wie Marathonläufer brauchen auch E-Mails eine konstante Energiezufuhr. Schätzungen zufolge emittiert jede einzelne E-Mail mindestens vier Gramm CO2. Mit Anhang können es schnell 50 Gramm werden – genauso viel wie bei einer Energiesparlampe, die eine Stunde brennt. Für den weltweiten E-Mail-Verkehr wird die Energie von 15 Kernkraftwerken benötigt.

Videos: Dabei sind E-Mails nichts im Vergleich zu unseren Videos: Die machen nämlich über 60 Prozent des Datenverkehrs aus – und 80 Prozent seines Zuwachses. Zehn Minuten online ein Video ansehen verbraucht so viel Energie wie fünf Stunden lang nonstop E-Mails versenden. Den Rest können Sie selbst ausrechnen.

Datenzentren: Was passiert mit diesen Videos und E-Mails? Sie wandern in die „Cloud“. Hinter dem harmlosen Bild einer weißen Wolke verbirgt sich eine raue Wirklichkeit: Datenzentren mit ihren Tausenden von Servern brauchen nicht nur jede Menge Energie, um Ihre Dateien auszuführen, zu sichern und zu speichern, sondern auch Kühlung – rund um die Uhr.

2017 entfielen 19 Prozent des weltweiten digitalen Energieverbrauchs auf Datenzentren. Mit der Explosion des Datenverkehrs (jedes Jahr 25 Prozent mehr) ist auch die Zahl der Datenzentren sprunghaft gestiegen, und mit ihnen der Stromverbrauch.

Dabei setzen Anbieter von Datenspeichern zunehmend auf erneuerbare Energien. Man darf sich aber fragen, ob das eine sinnvolle Nutzung erneuerbarer Energien ist – bislang reichen sie noch nicht einmal aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Auch beim Bau regenerativer Kraftwerke entstehen erhebliche Emissionen.

Generell beansprucht der digitale Sektor einen zunehmend unverhältnismäßigen Anteil am Stromaufkommen. Der Anteil sinnvoller digitaler Aktivitäten ist dagegen rückläufig. Der reichste Teil der Weltbevölkerung hat auch hier einen größeren Fußabdruck (ein Amerikaner besitzt im Durchschnitt zehn vernetzte Geräte und verbraucht 140 Gigabyte Daten im Monat, bei einem Inder sind es ein Gerät und zwei Gigabyte). Entsprechend groß ist die Verantwortung dafür, dass sich etwas ändert. 

Deshalb nicht vergessen: Jeder Klick hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck. Die Cloud ist nicht immer grün. Wir sollten daher weniger digital unterwegs sein und mehr wiederverwenden. Denn digitale Technologien sollen uns das Leben erleichtern, aber kein Selbstzweck sein.

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WAS KÖNNEN WIR SELBST TUN?

Hardware:

  • Verwenden Sie Ihr Gerät so lange wie möglich. Überlegen Sie es sich gut, bevor Sie auf ein aktuelleres umsteigen.
  • Schalten Sie Ihren Computer aus, wenn Sie ihn nicht mehr benutzen.
  • Stellen Sie Ihren Computer so ein, dass er nach wenigen Minuten Inaktivität in den Schlafmodus wechselt.
  • Schalten Sie Ihr WLAN aus, wenn Sie nicht zu Hause sind. Ihr WLAN-Router verbraucht so viel Energie wie ein kleiner Kühlschrank.

Internet:

  • Benutzen Sie umweltfreundliche Suchmaschinen wie Ecosia.org oder Lilo.org. Sie werden mit erneuerbaren Energien betrieben und kompensieren ihren CO2-Fußabdruck durch Baumpflanzprogramme und ähnliche Projekte.
  • Nutzen Sie nach Möglichkeit den Verlauf oder die Favoriten statt der Suche. Eine Suche kann so viel Strom verbrauchen wie nötig ist, um einen Liter Wasser zum Kochen zu bringen.
  • Grenzen Sie die Suche ein, d. h., suchen Sie nach Möglichkeit auf einer Website (Wikipedia, Editus.lu, Amazon, BBC usw.) statt im gesamten Web.

E-Mails:

  • Melden Sie sich von kommerziellen Verteilerlisten oder Newslettern ab, die Sie nicht brauchen. Programme wie Clean Fox helfen Ihnen dabei.
  • Räumen Sie so oft wie möglich Ihre Mailbox auf.
  • Schicken Sie lieber Links statt Anhänge.
  • Verschicken Sie große Anhänge nicht per E-Mail, sondern über eine Datentransfer-Plattform.
  • Schicken Sie Ihre E-Mails nicht an ellenlange Verteilerlisten, sondern nur an die, die sie lesen müssen.
  • Telefonieren oder treffen Sie sich lieber mit der betreffenden Person.

Videos/Fotos:

  • Schränken Sie Streaming und Online-Spiele so weit wie möglich ein.
  • Verwenden Sie Audio- statt Videodateien.
  • Benutzen Sie beim Streaming lieber WLAN statt 4G und verzichten Sie auf HD (Sie verbrauchen damit vier- bis zehnmal weniger Energie).
  • Weniger ist mehr: Teilen Sie nur Ihre besten Fotos mit dem Rest der Welt. Das gilt erst recht für Selfies, auch wenn die Wahl schwerfällt.

Datenverkehr und Datenspeicherung:

  • Seien Sie wählerisch mit den Daten, die Sie regelmäßig speichern.
  • Speichern Sie große Dateien nicht in der Cloud, sondern auf einer externen Festplatte.
  • Wussten Sie, dass in WhatsApp alle Baby-Fotos, die Sie von Freunden erhalten, automatisch auf Ihrem Handy und in Ihrer Cloud gespeichert werden? Löschen Sie sie, wir sagen es nicht weiter … (Sie können den automatischen Download aus WhatsApp auch deaktivieren unter Einstellungen -> Daten- und Speichernutzung -> Automatischer Download von Medien).

Am Arbeitsplatz:

  • Speichern Sie nicht dieselbe Datei in verschiedenen Systemen ab.
  • Verwalten Sie den Lebenszyklus Ihrer Dokumente: Löschen Sie sie, wenn Sie sie nicht mehr brauchen (zum Beispiel für Prüfungszwecke).
  • Verzichten Sie auf die Wiederherstellung einer Datei oder E-Mail, wenn sie auf einem anderen Weg wiedergefunden werden kann.

Und:

  • Wenn Ihr jugendlicher Nachwuchs für das Klima die Schule bestreikt und danach stundenlang YouTube-Videos ansieht, Online-Games spielt oder Selfies verschickt, dann geben Sie ihm diesen Artikel zu lesen.

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