Ein Unternehmen am Comer See baut Satellitenträger, um Klimadaten aus dem Weltraum zu sammeln und den Orbit von jahrzehntealten Trümmerteilen zu befreien

Satelliten, die Bilder vom Klimawandel einfangen, können Leben retten, wenn terrestrische Netze etwa nach Wirbelstürmen oder Erdbeben ausfallen. In einer Pandemie verbinden sie isolierte Patienten oder solche, die in ländlichen Gebieten leben, digital mit medizinischem Fachpersonal. Und sie liefern uns Daten, die die Gefahren der Erderwärmung – und unsere Fortschritte im Kampf dagegen – dokumentieren.

Aber Satelliten erzeugen auch Weltraumschrott. Kleine Satelliten werden nach erfüllter Mission in die Erdatmosphäre zurückgebracht, wo sie verglühen. Größere landen auf Raumschifffriedhöfen in den Ozeanen oder werden in höhere Umlaufbahnen gelenkt, wenn ihr Absturz die Erde gefährden könnte. Derzeit kreisen etwa 2 000 aktive Satelliten im All. Höchste Zeit also, herauszufinden, wie der Weltraumschrott entsorgt werden könnte.

D-Orbit, ein New-Space-Unternehmen in der Nähe des Comer Sees in Italien, ist Pionier für nachhaltige Weltraumwirtschaft und -logistik.

„Mehrere unserer Kunden betreiben Erdbeobachtungsdienste, die Daten und Informationen über Wetter, Umweltverschmutzung, Forst- und Landwirtschaft, Ozeane, Küstenerosion und wichtige Infrastruktur liefern“, sagt Luca Rossettini, CEO und Gründer von D-Orbit. „Der Weltraum eröffnet unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft und unseren Forschungseinrichtungen neue Chancen.“

Im Oktober 2020 startete D-Orbit mit der europäischen Vega-Rakete vom Raumfahrtzentrum Guayana seinen ersten ION-Satellitenträger (ION steht für In Orbit Now). Der Träger setzte zwölf bildgebende Kleinsatelliten vom Typ Planet SuperDove in einer sonnensynchronen Umlaufbahn in 500 Kilometern Höhe aus. Diese SuperDove-Satelliten ergänzen die bereits bestehende Planet-Satellitenkonstellation und erhöhen deren Abdeckung und Kapazität.

Für die Entwicklung des ION-Satellitenträgers hatte D-Orbit einen Kredit von 15 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank bekommen. Dahinter steht eine Absichtserklärung der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Weltraumorganisation aus dem Jahr 2018.

Mit dem Kredit an D-Orbit wird die EIB erstmals im New-Space-Sektor aktiv. „Der Raumfahrtsektor entwickelt gerade eine große Dynamik und wird viele Marktteilnehmer anziehen. Daher hoffen wir auf weitere Projekte dieser Art“, sagt Hristo Stoykov, Leiter der EIB-Abteilung Wachstumskapital und Innovationsfinanzierung.

EIB-Kreditreferent Fabrizio Morgera, der den Kredit betreute, ergänzt: „Wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette der Raumfahrt finanzieren und unterstützen. Nur so meistern wir die großen Herausforderungen der nahen Zukunft."

>@D-Orbit
© D-Orbit

ION-Satellitenträger

Mikro- und Nanosatelliten

Seine Transportmissionen steuert D-Orbit von seinem Sitz am Comer See aus. Die Satellitenträger können von verschiedenen am Markt verfügbaren Raketen gestartet werden und wie eine Art Weltraumtaxi mehrere Nano- oder Mikrosatelliten aufnehmen.

Die würfelförmigen Kleinsatelliten, CubeSats genannt, wiegen nur wenige Kilogramm. Es gibt auch die Möglichkeit, andere Nutzlasten zu transportieren – etwa Technologien von Start-ups, Forschungsinstituten und Raumfahrtunternehmen, die vor ihrer Kommerzialisierung im Orbit getestet und validiert werden müssen.

„Der ION-Satellitenträger ist eine innovative Lösung, die es kleinen Satellitenbetreibern ermöglicht, ihre Technologien im Weltraum zu testen (In-Orbit-Validierung) und die Kommerzialisierung neuer Satellitendienste zu beschleunigen“, erklärt Christian Kohr, der als Lead Engineer in der EIB-Abteilung Digitale Infrastruktur am D-Orbit-Projekt mitwirkte. Anders Bohlin, Lead Economist bei dem Projekt, fügt hinzu: „D-Orbit ist mit seinem ION-Konzept Innovationsführer auf diesem Gebiet.“

Sobald das Weltraumtaxi voll betriebsfähig ist, wird es jede Nutzlast schneller in den Orbit bringen, als es heute möglich ist. ION ist modular aufgebaut, wobei jedes Modul wie ein Legostein eingesetzt und abhängig von der Nutzlast wieder neu konfiguriert werden kann.

Weg mit dem Weltraumschrott

Die ersten zwei Weltraummissionen von D-Orbit legten den Grundstein für Origin. Die erste im Jahr 2013 bewies, dass das Legostein-System funktioniert. Die zweite im Jahr 2017 testete das Geschäftsmodell der Satellitendienstleistungen und validierte das System für die Außerbetriebnahme und sichere Entsorgung ausgedienter Satelliten. Das System mit dem Namen D3 (D-Orbit Decommissioning Device) wurde mithilfe der Europäischen Kommission und der Europäischen Weltraumorganisation entwickelt und soll verhindern, dass sich zu den etwa 130 Millionen Schrottteilen im Weltraum noch weitere hinzugesellen.

Kreislaufwirtschaft im Weltall ist möglich, wenn man D-Orbit glaubt. Daher dürfte sich das Weltraum-Recycling bald zu einem neuen Geschäftsfeld entwickeln. Dann könnten Raumschiffe im Weltall gebaut werden – mit Ressourcen wie „toten“ Satelliten in greifbarer Nähe.

(D-Orbit ist als erfolgreiches Start-up aus dem Inkubator der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Lissabon hervorgegangen. 2019 arbeitete das Unternehmen mit der ESA an dem Projekt Sunrise, einer Art Müllabfuhr im Weltraum.)

Im Rahmen derselben Mission arbeitete D-Orbit mit dem Nationalen Interuniversitären Konsortium für Telekommunikation und dem Forschungszentrum der Universität Florenz an der In-Orbit-Validierung von SatAlert, einem satellitengestützten Kommunikationsprotokoll. SatAlert liefert bei Naturkatastrophen standortbezogene Informationen über Lebensmittel und Unterkünfte, wenn die lokalen Kommunikationsnetze ausgefallen sind.

Klimadaten – für alle zugänglich

Die Erdbeobachtung spielt eine wichtige Rolle für die Europäische Weltraumorganisation, deren Sentinel-Missionen Teil des Copernicus-Programms der Europäischen Union waren.

Daher will das Klimabüro der Europäischen Weltraumorganisation auch verstärkt Datensätze aus der Satellitenbeobachtung nutzen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Die Daten der Sentinel-Missionen sind für alle kostenlos zugänglich.

Mitte der 1980er-Jahre wurde das Ozonloch durch Erdbeobachtung entdeckt. Dies führte 1987 zur Unterzeichnung des Montrealer Protokolls. Fast 40 Jahre später zeigt die Ozonschicht nun erste Anzeichen einer Erholung. „Für die europäische Raumfahrt bietet sich eine große Chance, weil sich der New-Space-Sektor zu einem bankfähigen und nachhaltigen Geschäftsfeld entwickelt. Und das ist noch nicht alles: Mehr als 2 000 Unternehmen haben sich dem Ökosystem der Europäischen Weltraumorganisation angeschlossen“, freut sich Elia Montanari, bei der Europäischen Weltraumorganisation für Management and Control im Bereich Business Applications zuständig.