Präsident Werner Hoyer berichtete auf der Jahressitzung des Rates der Gouverneure der EIB über die Arbeit der Bank im Jahr 2022.


Es gilt das gesprochene Wort


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Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure, Ministerinnen und Minister, Exekutiv-Vizepräsident Dombrovskis, liebe Mitglieder des Prüfungsausschusses und des Verwaltungsrats, Kolleginnen und Kollegen,

es war für mich eine große Freude, diese Bank und die ganze EIB-Gruppe in den letzten zwölf Jahren zu führen, bisweilen auch durch unruhige oder unbekannte Gewässer, wenn es galt, Krisen zu bewältigen: die Wirtschaftskrise, den Brexit, die Pandemie und sogar einen Krieg auf unserem Kontinent.

Und obwohl all das nicht zu erwarten war, war auf Ihre Bank Verlass. Dank der Erfahrung, Kreativität und des unermüdlichen Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir aus Krisen Chancen gemacht und aus diesen Chancen Erfolge. Wir haben gezeigt, dass Europa die Mittel hat und entschlossen reagiert, wenn es nötig ist.

Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure,

die EIB – Ihre Bank – ist ein mächtiges Instrument, um gemeinsame, europäische Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu finden. Nutzen Sie es! Das ist heute meine Botschaft an Sie.

Finanzen

Ihre Bank ist in hervorragender Verfassung. Unterzeichnungen und Auszahlungen laufen sehr gut, wir haben einen guten Bestand an genehmigten Finanzierungen, die Eigenkapitalausstattung ist ausgezeichnet und liegt mit einer harten Kernkapitalquote von derzeit über 36 Prozent über dem Doppelten des Durchschnitts der von der EZB beaufsichtigten Banken; auch unsere Finanz- und Ertragslage ist grundsolide.

Sie als Anteilseigner können nicht nur stolz darauf sein, was die Bank leistet, sondern auch wie sie das tut.

Die EIB gehört in puncto solides Risikomanagement, interne Kontrollen, Anwendung der Bankenregulierung und damit zusammenhängender Werkzeuge und Prozesse zu den besten multilateralen Entwicklungsbanken.

Ich sage das nicht leichtfertig daher. Natürlich weiß ich, dass wie jede andere Einrichtung auch wir unsere Arbeitsweise noch weiter verbessern können und müssen. Aber fest steht: Die EIB ist die einzige multilaterale Entwicklungsbank der Welt, die sich an einem Best-Practice-Rahmen im Bankensektor orientiert. Natürlich werden in jeder Einrichtung individuelle Fehler gemacht, aber ich glaube, wir können alle stolz auf die Professionalität unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Bank nicht nur Vorreiter bei der Förderung wirkungsstarker Projekte ist, sondern dabei auch finanziell hervorragend dasteht.

Wirkung erzielen und solide wirtschaften – das muss kein Gegensatz sein!

Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure,

lassen Sie mich an dieser Stelle dem Prüfungsausschuss ausdrücklich für seine hervorragende Zusammenarbeit über die Jahre hinweg danken. Ihre Empfehlungen sind für uns im Direktorium wichtig, und wir schätzen Ihre Arbeit sehr.

Die Zahlen zeigen: Die EIB hat das Potenzial, noch mehr zu leisten. Ich kann Sie, unsere Gouverneurinnen und Gouverneure, wie jedes Jahr nur ermutigen, dieses Potenzial zu nutzen. Ich sage das nicht aus Größenwahn – verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin vielmehr überzeugt, dass Sie ein mächtiges Instrument and der Hand haben, um Europa und seinen Mitgliedstaaten in einem schwierigen globalen Umfeld zu helfen.

Jahresergebnis

2022 war ein schwieriges Jahr für Europa und die Welt, geprägt vom schleppenden Ende der Pandemie, dem Sprung der Energiepreise, geopolitischen Spannungen und einem Krieg vor unserer Haustür. Trotz dieser Schwierigkeiten hat die EIB-Gruppe geliefert und in Europa und weltweit Investitionen und Innovation auf den Weg gebracht. Damit tragen wir zu einer nachhaltigen Erholung bei und machen unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften resilienter.

Letztes Jahr hat die Gruppe – die EIB und der EIF – mit über 72 Milliarden Euro Projekte gefördert, die wichtige Investitionshürden ausräumen. Das ist ein Anstieg von zwölf Prozent gegenüber 2021 und zeigt, wie stark wir uns der Förderung der grünen und digitalen Wende in Europa und weltweit verschrieben haben.

Ganz oben auf unserer Liste stand mit 19 Milliarden Euro der Energiesektor.

Unter den finanzierten Projekten möchte ich ein 400-Millionen-Euro-Darlehen für Solar- und Windparks auf der iberischen Halbinsel und die Modernisierung des tschechischen Stromnetzes hervorheben. Dafür stellten wir 790 Millionen Euro bereit, unser bisher größtes Darlehen in Tschechien.

Außerdem möchte ich drei Darlehen für die ersten kommerziellen schwimmenden Windparks in Frankreich erwähnen, eine technologische Innovation, die zuerst in Portugal eingesetzt wurde – übrigens im Rahmen eines anderen Projekts, das wir vor wenigen Jahren ebenfalls mitfinanziert haben.

Um Europas Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu verringern, haben wir außerdem unsere eigene Initiative zur Unterstützung von REPowerEU ins Leben gerufen. Damit stellen wir bis mindestens 2027 zusätzliche Mittel für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Stromnetze bereit.

Und wir sind dabei auf einem guten Weg.

Allein dieses Jahr haben wir schon rund 40 Projekte im Bereich nachhaltige Energie für knapp fünf Milliarden Euro unterzeichnet.

Erst gestern hat der Verwaltungsrat drei weitere Projekte genehmigt: neue Windparks in Estland, ein Pilotwerk für Lithium-Ionen-Batterien in Griechenland und eine wegweisende Fabrik für Solarmodule in Italien. Viele weitere Projekte sind bereits in der Pipeline.

Die Themen Energie und Klima machten entsprechend unserem Anspruch als Klimabank mehr als die Hälfte unserer Arbeit aus. Weitere Schwerpunkte letztes Jahr blieben Innovation und Digitalisierung. Die EIB-Gruppe investierte 2022 insgesamt 18 Milliarden Euro in Innovationsprojekte. Das sind 23 Prozent unserer Gesamtfinanzierungen.

Mit dem Geld förderten wir Projekte in vielen unterschiedlichen Bereichen wie Life Sciences, Biotechnologie, Quanteninformatik oder künstliche Intelligenz.

Nicht vergessen werden soll auch unsere Unterstützung für den europäischen Verteidigungssektor. Die EIB finanziert zwar keine Waffen oder Sprengstoffe – und das aus gutem Grund –, aber wir stärken mit der Finanzierung von Dual-Use-Projekten die europäische Sicherheit. Hier geht es oft um modernste Technologien, die auch eine zivile Anwendung haben, etwa in der Luftfahrt, Stichwort Drohnen und Satelliten, und der Cybersicherheit.

Auch hier haben wir im vergangenen Jahr mit deutlich über einer Milliarde Euro unsere Ziele übertroffen.

Unser Verwaltungsrat hat darüber hinaus gerade eine Aufstockung unserer Aktivitäten in diesem Bereich genehmigt. Ich bin zuversichtlich, dass dies für den jetzt nötigen Schub sorgen wird.

Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure,

ich kann Sie nur einladen, Ihre Bank in den kommenden Monaten zu besuchen und mit unseren Fachleuten zu sprechen. Von den Teams vor Ort mehr über unsere innovativen Projekte zu erfahren, ist gut investierte Zeit. Das steht für mich außer Frage.  Sie erhalten dadurch einen faszinierenden Einblick in das europäische Innovations-Ökosystem und erfahren, was Ihre Bank mit der Förderung erstklassiger und wirkungsstarker Projekte für einen Unterschied macht.

Ich bin sehr dankbar für das gute Teamwork mit der Europäischen Kommission, mit der wir in diesem Bereich viel zusammenarbeiten. Und ich bin froh, dass die Umsetzung von InvestEU, dem Leitprogramm der EU für Investitionen, nach Plan verläuft.

Außerhalb der EU

Neben unserer Arbeit in der EU haben wir 2022 auch unsere Finanzierungen außerhalb der EU ausgeweitet, gerade in Regionen, deren Entwicklung erhebliche Herausforderungen und Chancen birgt. Letztes Jahr haben wir Projekte außerhalb der EU mit rund zehn Milliarden Euro unterstützt, vor allem in der Ukraine und der südlichen Nachbarschaft, aber auch in AfrikaAsien, Lateinamerika und Ländern der östlichen Nachbarschaft.

Im Mittelpunkt standen dabei Sektoren von hoher strategischer Bedeutung wie Klima, Gesundheit, Bildung, Wasser und Abwasser, Verkehr, Energie und die Entwicklung des Privatsektors.

Ein großer Teil dieser wichtigen Arbeit ist derzeit gefährdet, weil wir immer noch keinen Nachfolger für den sogenannten Cotonou-Rahmen haben, der es der Bank ermöglicht, in fast 80 Ländern in Afrika, der Karibik und im Pazifischen Ozean tätig zu werden.

Ich habe Sie in einem Schreiben bereits auf dieses Problem hingewiesen und bin Ihnen und Ihren Teams dankbar für Ihre Unterstützung.

Es wäre ein schwerer Schlag für die Position der Union in der Welt, wenn sie einen großen Teil ihrer finanziellen Unterstützung außerhalb der EU einstellen müsste.

Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure, die Entscheidung, die EIB Global einzurichten, unseren neuen Geschäftsbereich für Finanzierungen außerhalb der EU, fiel – wie Sie wissen – vor dem Krieg in der Ukraine, nach langen, teils mühsamen Diskussionen.

Aber jetzt zeigt sich der Wert einer Finanzeinrichtung, die vollständig im Eigentum der EU steht.

Aus meiner Sicht war die Gründung der EIB Global ein Volltreffer.

Schließlich geht es bei dem Krieg in der Ukraine nicht nur um das Überleben Europas, so wie wir es kennen. Es geht um Europas Platz in der Welt, in der russische Soldaten und Propaganda die Präsenz und den Einfluss der EU weiter untergraben.

Auch China konkurriert weltweit intensiv um Herzen, Köpfe und wirtschaftliche Ressourcen.

Mit der EIB Global haben wir Ihnen, als Mitgliedern der EU und unseren Anteilseignern, ein Instrument gegeben, um mithilfe konkreter Investitionsprojekte Europas Interessen in aller Welt zu verfolgen.

Dabei machen wir keine Kompromisse zwischen unserer Arbeit innerhalb und außerhalb der EU. Wir bestehen bei allem, was wir tun, auf einer vollständigen Kostendeckung.

Ukraine

Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure,

eine der wichtigsten Regionen außerhalb der EU ist für uns zurzeit die Ukraine. Nach der grundlosen militärischen Aggression Russlands hat die EIB entschlossen gehandelt und letztes Jahr mehrere finanzielle Hilfspakete geschnürt, um den ukrainischen Behörden und den Menschen zu helfen.

2022 stellten wir 1,5 Milliarden Euro für Projekte bereit, um beschädigte Infrastruktur in der Ukraine wiederherzustellen, die öffentliche Versorgung zu sichern, Energiesicherheit und Energieeffizienz auszubauen und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu helfen.

Dies alles sind Bereiche, in denen die EIB Entscheidendes bewegt und in denen wir die Makrofinanzhilfe der EU flankieren. Unsere Mittel fließen direkt in Investitionsprojekte vor Ort, die die ukrainische Wirtschaft am Laufen halten.

Der Europäische Rat hat erkannt, wie wertvoll die Arbeit der Bank in dem Land und wie dringend die Lage ist. Deshalb hat er die EIB aufgefordert, ihre Unterstützung wichtiger und vordringlicher Investitionen in der Ukraine weiter auszubauen.

Dies ist keine leichte Aufgabe, denn normalerweise stützen wir uns bei unserer Arbeit in der Ukraine auf den EU-Haushalt, der jedoch, wie Sie wissen, keine Ressourcen mehr für solche Projekte hat.

Damit wir 2024 und darüber hinaus weiter in der Ukraine tätig sein können, muss hier unbedingt eine Lösung gefunden werden. Die Bank braucht erneut Haushaltsgarantien dafür, und das schnell.

Vorerst bin ich dankbar, dass viele von Ihnen Mittel für unseren Treuhandfonds „EU für die Ukraine“ zugesagt haben. Damit überbrücken wir die Zeit, bis neue EU-Ressourcen bereitstehen, und können so den Forderungen der Politik bis dahin nachkommen.

Verehrte Gouverneurinnen und Gouverneure, sehr geehrte Ministerinnen und Minister,

dies war ein kurzer Überblick über unsere erfolgreiche Arbeit im Jahr 2022.

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen im Direktorium, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Anteilseignern, Partnern, Kunden und Investoren für ihren Einsatz, ihr Vertrauen und ihre Zusammenarbeit, die diese Erfolge ermöglicht haben.

Die EIB-Gruppe – und ich persönlich – setzen uns weiter für Investitionen und Innovation in Europa und weltweit ein und werden auch künftig an einer grüneren, digitaleren und resilienteren Zukunft für uns alle arbeiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!