Die FEMIP-Konferenz 2006 wurde in Reaktion auf den vom Ministerausschuss der FEMIP in seiner Sitzung vom 25. und 26. Juni 2006 in Tunis geäußerten Wunsch organisiert. Sie ermöglichte eine eingehendere Erörterung der Integrationseffekte der Verkehrs- und Telekommunikationsnetze, der prioritären Investitionen und der Finanzierungsmittel, die sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Geldgebern mobilisiert werden können.

An der von der EIB und der Regierung von Monaco gemeinsam organisierten und am 9. und 10. November 2006 unter der Schirmherrschaft von Fürst Albert II stattgefundenen Konferenz nahmen rund 250 Experten und Fachkräfte für diesen Bereich aus 35 Ländern der Partnerschaft Europa-Mittelmeer teil, um mit dem für die FEMIP zuständigen EIB-Vizepräsidenten Philippe de Fontaine Vive und mit Jacques Barrot, Vizepräsident der Europäischen Kommission, einen interaktiven Dialog zu führen. Des Weiteren gab es Beiträge von etwa 20 erstklassigen Referenten - Vertretern von Behörden, Unternehmensleitern und Experten für Verkehrsfragen.

Der Ablauf der Konferenz, deren detailliertes Programm und Unterlagen auf der Website der EIB unter (www.eib.org/femip/conference) verfügbar sind, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

1 Die Problematik

In den letzten 25 Jahren (1980-2004) haben die Partnerländer des südlichen und östlichen Mittelmeerraums nur wenig von der Globalisierung profitiert (1) . Diese Situation ist vor allem auf die unzureichende regionale Integration - sowohl hinsichtlich der verfügbaren Infrastrukturen als auch auf dem Gebiet der strukturellen Reformen und der Verstärkung der Kapazitäten auf Verwaltungsebene - zurückzuführen. Die regionale Integration erscheint somit von wesentlicher Bedeutung, um in den Partnerländern des südlichen und des östlichen Mittelmeerraums die Voraussetzungen für ein stetiges Wachstum in einer Größenordnung von 6-7% pro Jahr zu schaffen, das sie benötigen, um den mit ihrem Bevölkerungswachstum (2) verbundenen Herausforderungen zu begegnen, ihre Volkswirtschaften zu modernisieren und erfolgreich an der Globalisierung teilnehmen zu können.

Gemäß den jüngsten wirtschaftlichen Projektionen lassen sich hohe Wachstumsraten nur durch eine weitgehende wirtschaftliche Integration der Region erreichen, die durch eine Liberalisierung des Handels und der Dienstleistungen, die Integration der Märkte und die Umsetzung von Reformen zur Verbesserung des geschäftlichen Umfelds geprägt ist (3) .

Vor diesem Hintergrund ist der Aufbau eines integrierten und wirksamen Verkehrssystems Europa-Mittelmeerraum ein wesentliches Element der Entwicklung und der sozialen und wirtschaftlichen Stabilität der Region. Hierauf wurde auf der ersten Europa-Mittelmeer-Konferenz der Verkehrsminister (Marrakech, 15. Dezember 2005) nachdrücklich hingewiesen.

2 Die Sektorpolitik: Ziele und Prioritäten (4) 

Seit ihrer Einrichtung im Oktober 2002 hat die FEMIP in den Partnerländern etwa 5,5 Mrd EUR für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben von regionaler Bedeutung bereitgestellt. Trotz der überzeugenden Ergebnisse (wie etwa des Auftakts zur Schaffung eines Strom- und eines Erdgasverteilungsnetzes in den Maschrik-Ländern oder der Entwicklung von nationalen Eisenbahn- und Autobahnnetzen in den Maghreb-Ländern) verfügen die Partnerländer bei weitem noch nicht über die für die Nord-Süd-Integration erforderliche Infrastruktur auf dem Gebiet der regionalen Zusammenarbeit. Aus diesem Grund sollte ein pragmatischer Ansatz bevorzugt werden, der sich auf die Sektoren konzentriert, bei denen am schnellsten eine Integration erreicht werden kann. Dabei erscheinen der Seeschifffahrts- und der Luftfahrtsektor neben ehrgeizigen grenzüberschreitenden Infrastrukturvorhaben im Bereich der bodengebundenen Verkehrssysteme auf kürzere Sicht prioritär:

2.1: Auf den Seeschifffahrtssektor entfallen - in Tonnagen ausgedrückt - fast 90% des internationalen Güterverkehrs der Region (5), während 45 Häfen für eine Einbindung in das Konzept der zukünftigen Meeresautobahnen geeignet sind. Prognosen zufolge dürften sich diese Verkehrsstrome in den nächsten 20 Jahren verdoppeln (6) . Die nach wie vor unzureichende Qualität der Güterverkehrssysteme wirkt sich jedoch negativ auf die Transport- und Logistikkosten aus, die mehr als 20% des Endwertes der transportierten Waren ausmachen. Die Politik in Bezug auf diesen Sektor muss somit globalen Charakter haben und mehrere Aspekte berücksichtigen: die technische und verwaltungsmäßige Interoperabilität, die Kontrolle über die gesamte Logistikkette, die Organisation der Frachtkorridore zwischen Umschlaghäfen (Drehkreuzen) sowie die intermodalen Verbindungen zwischen den Häfen und ihrem Hinterland.

Infolgedessen befürwortete die Konferenz die Schaffung eines multimodalen Seefrachtsystems im Mittelmeerraum, das:

  • das Netzkonzept bei der Definition neuer Hafeninfrastukturen fördert und den noch fehlenden Verbindungen (Meeresautobahnen und Verbindungen zum jeweiligen Hinterland) Vorrang einräumt,
  • die Normen bezüglich der technischen und verwaltungsmäßigen Interoperabilität bei den Projekten berücksichtigt,
  • Projekte des privaten Sektors unterstützt, die die Schlüssel für die Liberalisierung und Modernisierung des Sektors darstellen.

2.2: Auf den Luftverkehrssektor entfallen 90% des internationalen Passagieraufkommens der Partnerländer des südlichen und des östlichen Mittelmeerraums(7). Bei der Hälfte davon handelt es sich um Verbindungen zwischen diesen Ländern und den Ländern der Europäischen Union. Prognosen zufolge dürften sich diese Verkehrsströme in den nächsten 20 Jahren mehr als verdoppeln. Der Luftverkehrssektor erscheint somit als einer der vorzugsweise zu berücksichtigenden Sektoren, in denen durch eine Förderung der Mobilität von Personen Fortschritte in der regionalen Integration erzielt werden können: Er ist auf die geographischen Dimensionen des Gebiets abgestimmt, erfordert proportional weniger Infrastrukturen als andere Verkehrsmittel und verfügt über ein erhebliches Entwicklungspotenzial (aufgrund des Fremdenverkehrs, des Geschäftsreiseverkehrs und der potenziellen Heimreisen von im Ausland lebenden Bewohnern der Mittelmeer-Drittländer). In Gebieten, in denen ein einheitlicher Luftraum verwirklicht worden ist (sowohl in Europa als auch in anderen Gebieten, z.B. in den Ländern des Andenpakts und in Südostasien) hat sich gezeigt, dass die Entwicklung und Diversifizierung des Verkehrs und die daraus resultierende Verringerung der Verkehrskosten positive wirtschaftliche und soziale Wirkungen haben, die von der Öffentlichkeit in den betreffenden Ländern konkret wahrgenommen werden.

Infolgedessen begrüßte die Konferenz die schrittweise Verwirklichung eines einheitlichen Europa-Mittelmeer-Luftraums und formulierte diesbezüglich folgende Ziele:

  • Förderung der regulatorischen Konvergenz und der technischen Zusammenarbeit durch die Erleichterung der Zugangs der Partnerländer des südlichen und des östlichen Mittelmeerraums zu den auf die Flugverkehrskontrolle und -leitung spezialisierten Einrichtungen;
  • Unterstützung der allgemeinen Einführung der internationalen Normen;
  • Anregung der Öffnung der Luftverkehrsmärkte der Partnerländer für die Fluggesellschaften der 35 Länder der Partnerschaft.

3 Empfehlungen in Bezug auf den Finanzsektor

Die Verwirklichung des integrierten Transport- und Logistiksystems auf regionaler Ebene erfordert erhebliche Investitionen, für die unter bestimmten Bedingungen (die von der Konferenz erörtert worden sind) auch private Finanzierungen in Betracht kommen. Da die für die Entwicklungshilfe verfügbaren öffentlichen Mittel knapp sind, müssen sie Projekten und Verwendungszwecken zugeführt werden, bei denen die beste Hebelwirkung erzielt wird, d.h. entweder für die Förderung von Sektorreformen oder für die Mobilisierung privater Finanzierungsmittel verwendet werden. Vor diesem Hintergrund sprach die FEMIP-Konferenz 2006 folgende Empfehlungen aus:

  • Förderung der Wissenspartnerschaft im Mittelmeerraum. Zu diesem Zweck sollen die Union und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Kapazitäten in den Bereichen Studien und technische Hilfe im Rahmen der FEMIP zu stärken, um ein besseres Verständnis der mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Region verbundenen Probleme (8) zu gewährleisten und institutionelle Reformen zu unterstützen;
  • Verbesserung der Möglichkeiten der internationalen Finanzierungsinstitutionen hinsichtlich der Übernahme von Risiken bei der Finanzierung von Infrastrukturvorhaben und Schaffung von Besicherungsstrukturen zur Abdeckung des Gesetzgebungsrisikos; und
  • Erleichterung des Zugangs der (privaten oder gemischtwirtschaftlichen) Projektträger zu Finanzierungen in Landeswährung. Diesbezüglich regte die Konferenz an, dass die Partnerländer die Öffnung ihrer Finanzmärkte für ausländische Geldgeber in Erwägung ziehen sollten, um ihre Kapazität zur Finanzierung von Vorhaben im Bereich der gemeinnützigen Infrastruktur in Landeswährung auszuweiten.

Die Aktivitäten der FEMIP zugunsten der Modernisierung der Management- und Infrastrukturen in den Partnerländern sind langfristig ausgelegt und berücksichtigen die Wirtschaftspolitik der betreffenden Länder. So bietet die FEMIP den Partnerländern Folgendes:

  • die Möglichkeit des Austauschs von Know-how im Rahmen der Sitzungen des Ministerausschusses und des Expertenausschusses der FEMIP sowie der FEMIP-Konferenzen;
  • eine technische Unterstützung bei Sektorreformen ebenso wie bei der Definition der Projekte;
  • Finanzierungsprodukte, die hinsichtlich der Darlehenslaufzeiten (15-20 Jahre), der Risikoübernahme (im Rahmen der Einrichtung der Speziellen FEMIP-Reserve) und der Zinssätze (Zinsvergütung für bestimmte Umweltprojekte) den Verhältnissen angepasst sind;
  • eine verstärkte Koordination zwischen den Geldgebern - der Europäischen Kommission, den 15 Europäischen Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (EDFI), der Weltbank-Gruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank.

Ergänzend hierzu hat die FEMIP den Meinungsaustausch mit Vertretern der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft intensiviert. Mehr als 20 Zusammenkünfte mit der Geschäftswelt - sowohl in Europa als auch in den Partnerländern - sind von der FEMIP (teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Internationalen Finanzierungsinstitutionen/IFI) organisiert worden. Die FEMIP hat überdies den Status eines ständigen Beobachters in der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer, arbeitet mit den Verbänden zusammen, zu denen sich die Städte und Regionen des Mittelmeerraums zusammengeschlossen haben, und hat Kontakte zu mehreren Universitätsinstituten und akademischen Einrichtungen (z.B. dem FEMISE-Netz und Le Cercle des économistes) geknüpft.


(1) siehe FEMISE-Berichte, insbesondere Zehn Jahre nach Barcelona: Errungenschaften und Perspektiven (Juni 2005), Jahresbericht 2005 (Juni 2006) und Länderprofile (2004 bis 2006).

(2) gemäß den am häufigsten zugrunde gelegten Schätzungen müssen in den Partnerländern 15 Jahre lang jährlich 2 bis 2,5 Mio neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um einen weiteren Anstieg ihrer derzeitigen Arbeitslosenquoten zu verhindern.

(3) Schätzung für das aus einem Prozess weitgehender Integration im Zeitraum 2005-2015 resultierende jährliche Wachstum: Algerien: 6,2%, Tunesien: 5,8%, Marokko: 5,7%.

(4) Den Bezugsrahmen für eine Verkehrspolitik Europa-Mittelmeerraum bilden das Blaubuch über die Möglichkeiten der Entwicklung eines integrierten Europa-Mittelmeer-Verkehrsnetzes, das Ende 2004 vom Europa-Mittelmeer-Verkehrsforum veröffentlicht wurde, sowie der Abschlussbericht der Hochrangigen Arbeitsgruppe für den Ausbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes in die Nachbarländer, der Ende 2005 von Frau Loyola de Palacio vorgelegt wurde.

(5) Die Region verzeichnet ein internationales Seefrachtaufkommen von etwa 720 Mio Tonnen pro Jahr (von denen 270 Mio Tonnen auf Kohlenwasserstoffe entfallen). Dieses Aufkommen verteilt sich zu 40% auf den Güterverkehr innerhalb des Mittelmeerraums und zu 60% auf den Güterverkehr zwischen dem Mittelmeerraum und dem Rest der Welt.

(6) und im Falle des Containerverkehrs verachtfachen.

(7) Jedes Jahr nutzen 100 Millionen internationale Passagiere die 24 Flughäfen der Europa-Mittelmeer-Zone, die jeweils ein Verkehrsaufkommen von mehr als 1 Million Passagiere pro Jahr verzeichnen.

(8) In dieser Hinsicht stellen die in Durchführung befindlichen FEMIP-Studien über die Logistikplattformen für die Seeschifffahrt im Mittelmeer positive Präzedenzfälle dar.