„Lissabon und Dublin verzeichnen einen großen Zustrom von ausländischen Tech-Fachkräften mit sehr hohen Gehältern.“
Eine Branche bremst
Mehr bauen. Das ist die beste Lösung. Aber durch die Pandemie ist das schwieriger geworden. Sie hat Genehmigungsverfahren unterbrochen, Baustoff-Lieferungen verzögert und zu Personalmanagel geführt. Der Wohnungsbau ist zurückgegangen, zumal dann noch steigende Zinsen hinzukamen, weil die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen erhöhten. Die Inflation war wiederum die Folge von Lieferengpässen und steigenden Energiepreisen nach Russlands Einmarsch in der Ukraine.
In den 1990er-Jahren und Anfang der 2000er wurden viel mehr Wohnungen gebaut. Aber die globale Finanzkrise, großteils ausgelöst durch Probleme am US-Hypothekenmarkt, ließ die Bau-Investitionen regelrecht einbrechen. „Und sie haben sich nie mehr ganz erholt“, sagt Sinnott.
Zudem ist in Städten Bauland Mangelware. Viele europäische Innenstädte sind dicht bebaut, und vielerorts gibt es natürliche Begrenzungen wie Parks oder Grünflächen, sodass kaum noch Platz für neue Wohnhäuser da ist.
Und: Der Bausektor muss sich neu aufstellen. Die wenigen großen Unternehmen, die es gibt, vergeben einen Großteil der Arbeit an kleinere Auftragnehmer, die oft unter Personalmangel leiden und nur begrenzt in digitale Werkzeuge oder Schulungen investieren können. Dabei könnten sie genau dadurch effizienter werden. Der Investitionsbericht zeigt, dass in der EU nur rund 25 Prozent der Baufirmen in Innovation investieren. „Das sind sehr kleine Firmen“, sagt Sinnott. „Die haben manchmal noch nicht einmal einen Computer. Und sie leben von Projekt zu Projekt.“
Gleichzeitig entwickeln viele Unternehmen in Europa innovative Technologien und Baustoffe, um schneller bessere Wohngebäude bauen zu können. Damit solche Innovationen in größerem Umfang zum Einsatz kommen, braucht es aber mehr Förderung.
Ungefähr die Hälfte der EU-Länder bieten bereits irgendeine Form von staatlich reguliertem sozialem und bezahlbarem Wohnraum, wenngleich es bei den Regeln und Anspruchskriterien große Unterschiede gibt. Die größten Programme finden sich in Österreich, Dänemark und in den Niederlanden (20 Prozent der Bestandswohnungen), gefolgt von Finnland, Frankreich und Irland (10–20 Prozent). Am wenigsten sozialen Wohnraum gibt es in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. EU-weit fallen 14 Millionen Wohneinheiten in die Kategorie „sozialer Wohnraum“. Ihr Anteil am Gesamtangebot ist in den vergangenen zehn Jahren aber stetig gesunken. 2021 fiel er um drei Prozentpunkte auf acht Prozent. Das Ergebnis: Die Wohnkosten sind stärker gestiegen als die Einkommen.
Wer profitiert von steigenden Immobilienpreisen?
Kaufen und Mieten ist seit 2010 immer teurer geworden – trotz der kurzzeitigen Rückgänge 2011 und 2013, teils infolge der europäischen Schuldenkrise. Von 2010 bis Ende 2024 stiegen die Mieten um 26,7 Prozent, die Kaufpreise um 55,4 Prozent. Einige der heftigsten Steigerungen gab es in Ungarn (234 Prozent), Estland (228 Prozent) und Portugal (120 Prozent). Italien war das einzige Land mit einem Preisrückgang (-4 Prozent).
Wer schon Wohneigentum hat, kann sich über einen unerwarteten Vermögenszuwachs freuen. Fratto, die im EIB-Investitionsbericht das Kapitel über den Wohnungsmarkt mitverfasst hat, sagt, davon hätten auch einkommensschwache Eigentümer profitiert. Vor allem, weil die Immobilie bei ihnen in der Regel einen großen Teil des Gesamtvermögens ausmacht. „Wer im Eigenheim wohnt, hat durch die Preissteigerungen einen enormen Vermögenszuwachs verzeichnet“, sagt sie.
Und auch Menschen mit Zweitwohnsitz an beliebten Ferienorten können sich über steigende Immobilienbewertungen und eine hohe Mietnachfrage freuen. „Eine vermietete Zweitimmobilie kann enorm lukrativ sein“, sagt Fratto.
Andere können sich das Wohnen hingegen kaum noch leisten; das gilt vor allem für viele, die jung sind, mieten oder zum ersten Mal kaufen wollen. Selbst in Ländern, wo die Preise relativ konstant geblieben sind, hält der geforderte Eigenmittelanteil viele Kaufinteressierte ab. In Italien sind die Preise für Wohnimmobilien stabil geblieben, aber Eigenmittel von durchschnittlich 35 Prozent des Kaufpreises können viele einfach nicht aufbringen.
Insgesamt ist der Anteil junger und einkommensschwacher Menschen unter den Eigenheimbesitzern in den vergangenen zwanzig Jahren zurückgegangen:
- Unter den 24- bis 35-Jährigen ist die Eigentumsquote von 2005 bis 2023 um 5,9 Prozentpunkte gefallen – von 64 auf 58 Prozent. Bei der Gesamtbevölkerung beträgt der Rückgang nur 0,8 Prozentpunkte.
- Unter den einkommensschwachen Haushalten ging die Eigentumsquote von 2005 bis 2023 um 9 Prozentpunkte zurück – von 71 Prozent auf 62 Prozent.
Auch wer innerhalb der EU umzieht, hat seltener Wohneigentum. Unter denjenigen, die in den vergangenen zehn Jahren in ein anderes EU-Land gezogen sind, wohnen 18 Prozent in einer eigenen Immobilie – gegenüber 69 Prozent bei denjenigen, die in diesem Land geboren wurden. Die Diskrepanz bleibt dem EIB-Investitionsbericht zufolge noch Jahre nach der Ankunft in einem neuen Land bestehen. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Umzug liegt die Eigentumsquote bei den Zugezogenen bei 40 Prozent und damit immer noch deutlich niedriger als bei den Einheimischen.
Das zeigt: Wer wegen der wirtschaftlichen Chancen in ein anderes Land zieht, hat oft finanzielle Nachteile. Dabei ist diese Flexibilität gut und notwendig für Europas Wirtschaft.
Wenn die Wohnkosten das Wachstum bremsen
Hohe Wohnkosten halten Menschen davon ab, in boomende Städte und Regionen zu ziehen. Das macht es Unternehmen und staatlichen Stellen schwerer, qualifizierte Leute zu finden. Die Gehälter steigen, die Produktivität geht zurück und letztlich leidet das Wirtschaftswachstum.
Außerdem sind steigende Kosten ein Innovationskiller. Wenn ehrgeizige junge Berufstätige, Gründerinnen und Gründer in attraktiven Städten keine Wohnung finden, hören Unternehmen irgendwann auf, dort zu investieren oder zu expandieren. „Da gibt es ganz unterschiedliche Szenarien, wie die Wohnungsnot die Produktivität beeinträchtigt“, sagt Sinnott.
Eine Studie in den USA kommt zu dem Ergebnis, dass ein besseres Wohnungsangebot in wichtigen Städten das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um bis zu 9 Prozent hätte steigern könnte. Fratto arbeitet an einer vergleichbaren Analyse für europäische Wohnungsmärkte.
Zu wenig bezahlbarer Wohnraum hat auch soziale Auswirkungen. Dann lehnen nämlich junge Menschen aus weniger wohlhabenden Familien Angebote von Top-Universitäten oder Arbeitsplätze in Großstädten ab, weil sie es sich nicht leisten können, dort zu wohnen. Sinnott sagt: „Da wirst du an den besten Universitäten deines Landes genommen, meistens in der Hauptstadt, und dann kannst du nicht hingehen, weil deine Eltern zu wenig Geld haben.“
Wohnungsnot hat langfristige Folgen. Wer einmal obdachlos war, hat danach schlechtere Job-Chancen. In der EU hatten in den vergangenen fünf Jahren mehr als 13 Millionen Menschen Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. In dieser Gruppe ist die Arbeitslosenquote mit 15 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung (8 Prozent), auch wenn die Obdachlosigkeit keine finanzielle Ursache hatte.
Wege aus der Wohnungskrise
Die Lösung klingt einfach: mehr bauen. Aber wer schnell und relativ billig neuen Wohnraum schaffen will, stößt je nach Region auf eine Reihe von Problemen:
- Die Bauwirtschaft braucht Innovationen und Investitionen, um produktiver zu werden. Das bedeutet vor allem schnellere und effizientere Arbeitsweisen – vom Einkauf der Baustoffe über modulare Baukonzepte bis hin zu Massenproduktion mit Robotern und modernen Baustoffen für mehr Energieeffizienz und weniger Emissionen. Öffentliche Baufinanzierungen könnten auf solche Projekte konzentriert werden, damit in diesem Bereich eine stabilere Nachfrage entsteht. Dann könnten Baufirmen in Ausrüstung und Anlagen investieren, mit denen sie zu geringeren Kosten mehr produzieren können.
- Regulierungsvorschriften und langwierige Genehmigungsverfahren bremsen Wohnungsbauprojekte. Das Wirrwarr an Regeln auf lokaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene macht alles unglaublich kompliziert und bürokratisch. Eine Harmonisierung der Vorschriften und standardisierte Kennzahlen zur Gebäudeleistung (zum Beispiel bei Energie) würden Innovationen fördern. Außerdem brauchen wir mehr Bauland für große Wohnprojekte.
- Es braucht mehr Investitionen in Energieeffizienz und Sanierungen. Viele europäische Städte sind so dicht bebaut, dass wir den Immobilienbestand optimal nutzen, sprich alte und marode Häuser und Wohnungen sanieren müssen. Das verbessert die Wohnbedingungen und senkt die Energiekosten. Allerdings sind Sanierungen teuer, vor allem für die Eigentümerinnen und Eigentümer. Deshalb brauchen wir neue, innovative Finanzierungen für Investitionen in Energieeffizienz.
- Wir brauchen mehr Geld und bessere Regulierung für sozialen und bezahlbaren Wohnraum. Neue Finanzierungsmodelle könnten Investitionen auslösen, aber parallel dazu braucht es öffentliche Maßnahmen für die Entwicklung von sozialem und bezahlbarem Wohnraum. In vielen Ländern fehlt ein rechtlicher und politischer Rahmen, der den Bau solcher Wohnungen fördert. Immerhin versuchen sie inzwischen, einen solchen Rahmen nach dem Vorbild anderer EU-Länder zu schaffen. Neue Möglichkeiten, Zuschüsse mit kommerziellen Finanzierungen zu kombinieren, könnten ebenfalls helfen, privates Kapital zu mobilisieren.
Die EIB hat seit 2018 fast eine halbe Million Sozialwohnungen in 16 Ländern finanziert – auch die von Anselm Leahy in Dublin. Trotzdem müssen wir und alle anderen noch mehr tun. Die Wohnungskrise verschärft die Ungleichheit und schränkt die Chancen für eine ganze Generation junger Menschen ein. „Das schafft einen Generationenkonflikt“, sagt Sinnott. „Es ist schwierig, die staatliche Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Manchen Gruppen wird eine Vermögensquelle verbaut. Und es verhindert notwendige Zuwanderung.“
„Die Wohnungskrise ist eine fundamentale Belastung für Europas Wirtschafts- und Sozialmodell“, sagt Sinnott.
Wie wir Wohnraum fördern: Storys und Infos
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