Was sind nachhaltige Finanzierungen? Bei nachhaltigen Finanzierungen fließen Umwelt-, Sozial- und Governance-Überlegungen in die Investitionsentscheidung ein. Die „geistige Mutter der grünen Anleihe“ erklärt, wie das die grüne Wende voranbringen wird

Was sind nachhaltige Finanzierungen?

Bei nachhaltigen Finanzierungen geht es darum, Umwelt-, Sozial- und Governance-Überlegungen in die Investitionsentscheidung einzubeziehen. Auf lange Sicht fließt dadurch mehr Geld in nachhaltige Projekte und Aktivitäten. Nachhaltige Finanzierungen sind von zentraler Bedeutung für die Ziele des Europäischen Grünen Deals und damit die grüne Wende – also für die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft durch Nachhaltigkeit in Technologie, Industrie und Verkehr.

Warum müssen wir trotz hoher Lebensmittel- und Energiepreise auf Nachhaltigkeit achten?

Die Menschen denken zuerst an ihre unmittelbaren Probleme – das ist verständlich. Dennoch müssen wir uns alle Gedanken um unsere Zukunft machen. Probleme wie die Knappheit bei Medikamenten, Lebensmitteln und Energie werden nur noch schlimmer, wenn wir uns nicht um die grüne Wende kümmern. In dieser Welt ist alles eng miteinander verflochten. Die Entwicklungsländer leiden schon jetzt stark unter dem Klimawandel, mit entsprechenden Folgen für die Ernährungssicherheit und Migrationsmuster weltweit. Aber auch Europa ist betroffen, wie die wachsende Zahl an verheerenden Überschwemmungen und Bränden zeigt.

Mit der grünen Wende müssen wir uns also zuallererst beschäftigen – und sie nicht „unter ferner liefen“ behandeln. 

Dabei ist es wichtig, kurzfristige Maßnahmen nicht mit langfristigen Lösungen zu verwechseln und die Ursache des Problems nicht mit den Folgen. Unser eigentliches Problem ist nicht, dass wir kein Gas mehr aus Russland bekommen, sondern unsere Abhängigkeit davon. Die Dekarbonisierung ist nicht nur ein Muss in der Klima- und Umweltkrise, sie ist auch der einzige Weg zu sicherer und bezahlbarer Energie für Europa und die ganze Welt. Sie würde Europa zudem krisenfester machen, weil Energiepreisschocks die Wirtschaft dann nicht mehr so stark erschüttern und Russlands Energieerpressung weniger Schaden anrichtet.

Wie haben sich Pandemie und Ukrainekrieg auf nachhaltige Finanzierungen ausgewirkt?

Die Pandemie hat nachhaltige Finanzierungen in ein neues Licht gerückt. Bis dahin galt die Aufmerksamkeit der Finanzmärkte vor allem grünen Anleihen und Klimafinanzierungen.

Während der Pandemie gewannen soziale Finanzierungen an Gewicht. Zu stemmen waren Mehrausgaben für Gesundheit, den zunehmenden Fernunterricht, die Veränderungen am Arbeitsmarkt und die Gefahr für die Unternehmen. Mit dem Abklingen der Pandemie ging das Volumen dieser Finanzierungen dann wieder zurück.

Jetzt wirft der Krieg in der Ukraine ein völlig neues Licht auf das Thema Energie und unterstreicht die Dringlichkeit der Energiewende. Die Energiekrise macht deutlich, dass wir neue und vor allem saubere Energiequellen finden müssen.

Für ein Binnenland wie Tschechien ist die Energiewende eine Herausforderung. Offshore-Windenergie ist hier keine Option, und die verfügbare Fläche ist begrenzt. In kleinerem Maßstab könnte man Solarmodule auf künstlichen Seen installieren, die nicht für Freizeitaktivitäten genutzt werden. Oder sie könnten auf Parkplätzen angebracht werden und so zugleich die Autos vor extremer Hitze schützen. Auch mit anderen Themen müssen wir uns beschäftigen, etwa mit Energiesparen, Batteriespeicherkapazitäten und besseren Netzen, um Nachfragespitzen und -tiefs zu optimieren. Jede kleine Verbesserung hilft.

Es gibt viel zu tun, und das muss an mehr Fronten gleichzeitig geschehen.

Was bringen nachhaltige Finanzierungen in Zeiten der Wirtschafts- und Energiekrise?

Nachhaltige Finanzierungen helfen Projektinitiatoren, ihre Ideen nachhaltig in die Praxis umzusetzen und Investoren von ihrer Strategie zu überzeugen. Auch bei der Preisgestaltung können nachhaltige Finanzierungen helfen oder beim Zugang zu Krediten. Diesen Prozess müssen wir deutlich vereinfachen und beschleunigen.

Mit der EIB als Finanzierungspartner an Ihrer Seite, zeigen Sie anderen, dass Ihre Finanzierung umweltfreundlich ist. Und genau danach suchen unsere Partner gerade: Sie wollen sicher sein, dass die Finanzierung nachhaltig ist, und dafür haben wir klare Kriterien. Als Klimabank der EU nehmen wir an den Finanzmärkten günstiger Mittel auf als Geschäftsbanken. Deshalb können wir langfristige Kredite zu günstigen Konditionen anbieten.

Eine weitere Stärke der EIB ist unser Know-how: Wir beschäftigen Ingenieurinnen, Biologen und Fachleute für soziale Entwicklung. Sie können beurteilen, welche Projekte und Technologien Erfolg versprechen, auch aus ökologischer und sozialer Sicht.

Das schiere Ausmaß der erforderlichen Investitionen übersteigt bei Weitem das, was die öffentliche Hand bereitstellen sollte. Hier sind der Privatsektor und die Kapitalmärkte gefordert. Die Bank kann dabei helfen – nicht nur am Energiemarkt, sondern in allen Marktbereichen, die wir aktiv fördern.

Es gibt Menschen, die Nachhaltigkeit nicht für wichtig halten. Wie machen wir ihnen das Gegenteil klar?

Die grüne Wende mag für viele nicht an erster Stelle stehen. Doch sie hat absoluten Vorrang. Knappe Lebensmittel, Medikamente und Energie, Artenvielfalt, Umwelt und Klima – all das hängt miteinander zusammen.

Das Thema ist wichtig, ob es uns nun passt oder nicht. Zu ignorieren, dass die grüne Wende drängt und Nachhaltigkeit wichtig ist, ist in etwa so, als machten Sie sich beim Löschen eines Hausbrands Sorgen um die Wasserrechnung.

Die Menschen vergessen außerdem oft, dass die grüne Wende auch Jobchancen schafft. In Finnland etwa haben wir jede Menge Windkraft, die wir weiter ausbauen. Das zieht ausländische Direktinvestitionen an, beispielsweise von Stahlunternehmen, die hier mit dieser grünen Energie „grünen Stahl“ produzieren wollen. Das sind Investitionen, die Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen.

Welche anderen Vorteile bieten wir Kunden in der EU auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?

Festzuhalten ist zunächst, dass wir ein breites Angebot an nachhaltigen Produkten haben. Damit decken wir die unterschiedlichen Bedürfnisse ab, aber wir ermöglichen auch den Zugang zu Finanzierungen und das zu besseren Bedingungen. Der erste Vorteil liegt also in den günstigen, flexiblen Finanzierungsbedingungen, die die EIB bietet.

Zweitens haben die Kunden Zugang zu Kreditlinien, die sie je nach Bedarf in Anspruch nehmen können – in Tranchen oder auch auf einmal. Dabei kann jede Tranche unterschiedliche Parameter haben, die auf die individuellen Kundenanforderungen zugeschnitten sind.

Drittens verfügen wir über viel Know-how in Klimafragen, mit dem wir unsere Kunden bei ihrer grünen Wende unterstützen können. Wir können grüne Kredite mit unserer üblichen technischen Due Diligence vergeben, wir können zu grünen Finanzierungen beraten, und wir können in grüne Anleihen investieren. Unsere anerkannten grünen Grundsätze machen uns zu einem gefragten Partner für Klimafinanzierungen.

Und nicht zuletzt hat die EIB-Gruppe eigene Ressourcen, um Kunden über die technische Seite der Projekte zu beraten, etwa den Green Eligibility Checker für Finanzintermediäre, die JASPERS-Initiative zur Projektberatung (Gemeinsame Hilfe bei der Unterstützung von Projekten in europäischen Regionen) und InvestEU.

Sind mittel- oder langfristig neue EU-Vorschriften für nachhaltige Finanzierungen geplant?

Thema Nummer 1 ist im Moment der US-amerikanische Inflation Reduction Act und seine Folgen.

In der EU zielen die meisten Vorschriften auf eine bessere Offenlegung und die Vorbeugung von Greenwashing ab. Es geht darum, für Transparenz zu sorgen. Wenn wir von grünen Investitionen sprechen, meinen wir alles, was einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet, also etwa Energie spart, die biologische Vielfalt erhält oder die Kreislaufwirtschaft stärkt. Für uns muss ein grünes Investment bestimmte Kriterien erfüllen – sonst ist es nicht grün.

Im Hinblick auf andere Nachhaltigkeitsmaßnahmen unterstützt die Bank den RePowerEU-Plan, mit dem Europa seine Abhängigkeit von Gas weiter verringern will.

Das Interview wurde zuerst in der tschechischen Zeitung Echo24 veröffentlicht.