Multilaterale Entwicklungsbanken bauen die Verkehrsverbindungen im Westbalkan aus – davon profitieren auch Serbiens Straßen

Covid-19 geht, eine andere stille Epidemie bleibt – und fordert jedes Jahr 1,3 Millionen Tote und 50 Millionen Verletzte. Die Weltgesundheitsorganisation hat Verkehrstote und -verletzte zu einer Krise epidemischen Ausmaßes erklärt.

Im Westbalkan ist die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten immer noch deutlich höher als in der Europäischen Union.

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© Nis-Merdare

„2022 kosteten Verkehrsunfälle fast 1 300 Menschen auf dem Westbalkan das Leben“, konstatierte EIB-Vizepräsident Kris Peeters in seiner Eröffnungsansprache auf der Regionalkonferenz für Straßensicherheit Vision Zero for the Balkans im Mai in Serbien.

„Wir müssen hier eingreifen, um diesen immensen Verlust an Menschenleben und Wirtschaftsleistung zu verhindern“, so Peeters weiter. „Deshalb haben wir in unseren Leitlinien für Verkehrsfinanzierungen festgelegt, dass sichere und zukunftsfähige Verkehrssysteme für die Bank Priorität haben.“

Schutz für die Schwächsten

Die Konferenz wurde vom Internationalen Straßenverband, der serbischen Agentur für Straßenverkehrssicherheit und der Verkehrsgemeinschaft im Rahmen der siebten UN Global Road Safety Week organisiert. Schwerpunktthema war, wie die Straßenverhältnisse für gefährdete Verkehrsteilnehmende sicherer gemacht werden können. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind über die Hälfte aller Verkehrstoten Fußgänger, Fahrradfahrer und Motorradfahrer.

Auf der Konferenz verwiesen renommierte internationale Fachleute auf Serbiens Fortschritte im Bereich der Straßenverkehrssicherheit: 27 Prozent weniger Verkehrstote zwischen 2011 und 2021. Dennoch liegt die Zahl der Todesopfer pro 100 000 Einwohner mit 7,5 immer noch über dem EU-Durchschnitt von 5,1.

„Der Straßenverkehr muss modernisiert werden, und dabei müssen wir vor allem an die Schwächsten denken: Fußgänger, Fahrradfahrer sowie Motorroller- und Motorradfahrer“, befand Dmitry Mariyasin, stellvertretender Exekutivdirektor der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa.

„Wir fordern die Verantwortlichen in Serbien daher zu mehr Verkehrssicherheit in Städten, strengeren Geschwindigkeitskontrollen und der Behebung von Straßenschäden auf, die zu schweren und tödlichen Verletzungen führen können. Moderne Technologien können dabei helfen“, so Mariyasin weiter.

Ziel: „Vision Null“

Die Europäische Union hat sich mit ihrem Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021–2030 ein klares Ziel gesetzt: 50 Prozent weniger Verkehrstote und Schwerverletzte bis 2030. Bis 2050 soll diese Zahl auf null sinken.

„Mit ‚Vision Null‘ erkennen wir vor allem an, dass alle Straßenverkehrsteilnehmer manchmal dazu verleitet werden, zu schnell zu fahren, abgelenkt werden und Fehler machen“, erklärte Rob Eenink, Präsident des Forum of European Road Safety Research Institutes auf der Konferenz.

„Das Verkehrssystem als Ganzes – unsere Straßen, Fahrzeuge, Signalsysteme – sollte so konzipiert sein, dass niemand abgelenkt oder zu Fehlern verleitet wird. Gefährliche Situationen, in denen dies leicht passieren kann, müssen vermieden werden. Und im Falle eines Unfalls sollte ein Schutz vor schweren Verletzungen da sein“, so Eenink.

Die Europäische Investitionsbank, die Verkehrsgemeinschaft und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung organisierten 2022 in Tirana gemeinsam den Westbalkan-Straßengipfel. Keynote-Rednerin war EIB-Vizepräsidentin Lilyana Pavlova.  Auf dem Gipfel sagten die Verkehrsministerinnen und -minister der beteiligten Länder zu, „Vision Null“ bei ihren Strategien für die Verkehrssicherheit zu berücksichtigen.

Trotz dieses öffentlichen Bekenntnisses ist der Weg noch weit. Erst müssen die entsprechenden Strategien, Gesetze und Investitionen umgesetzt werden.

Die hohe Zahl der Verkehrsunfälle in Serbien muss halbiert werden

2022 kamen in Serbien 553 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. In den vergangenen 30 Jahren waren es insgesamt 30 000 – das entspricht der Einwohnerzahl einer Kleinstadt.

Die serbische Regierung arbeitet daran, Verkehrstote zu vermeiden. Dabei setzt sie speziell bei überhöhtem Tempo und dem Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes an, den beiden Haupttodesursachen auf serbischen Straßen. Mit ihrer neuen nationalen Sicherheitsstrategie will sie die Zahl der Verkehrstoten gegenüber 2019 um 50 Prozent senken.

„Der Verlust von Menschenleben, menschlichem Kapital und Infrastruktur verursacht enorme Kosten für die Kommunen. ‚Vision Null‘ muss für uns alle Priorität haben: Schwerverletzte und Tote im Straßenverkehr dürfen nicht hingenommen werden“, forderte Branko Stamatović, geschäftsführender Direktor der serbischen Agentur für Straßenverkehrssicherheit.

Verkehrssicherheit als Investitionsaspekt

Seit der Annahme ihrer neuen Leitlinien für Verkehrsfinanzierungen im Juli 2022 ist Sicherheit für die EIB einer der vier Hauptpfeiler ihrer Arbeit im Verkehrssektor. Zusammen mit drei Nichtregierungsorganisationen fördert die Bank seit 2021 Investitionen in mehr Straßensicherheit, auch durch Beratung. Im selben Jahr hat sie zudem mit der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa eine Absichtserklärung für eine engere Zusammenarbeit im Bereich Verkehrssicherheit und klimaresiliente Verkehrsinfrastruktur unterzeichnet.

Neben dem Bau neuer Straßennetze erfordert auch die Sanierung bestehender Straßen nach sicheren, nachhaltigeren Standards massive Investitionen. Eine EIB-Studie hat ergeben, dass allein in der EU über zehn Jahre 21 Milliarden Euro investiert werden müssen, um die technischen Standards der unsichersten Straßen anzuheben. Das kann bis zu 7 200 Menschenleben retten.

Die EIB ist seit Langem im Verkehrssektor tätig. Jedes Jahr investiert sie dort rund 11,6 Milliarden Euro. Im Westbalkan hat die Bank bislang Investitionen von fast sechs Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Ergänzt werden die Finanzierungen oft durch Zuschüsse und entsprechende Beratung – damit gute Projekte entstehen, die Sicherheit, Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit fördern.

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Wichtiger Geldgeber für Verkehrsprojekte im Westbalkan

Die EIB Global, der Geschäftsbereich der EIB für ihre Arbeit außerhalb der EU, fördert bereits die Sanierung und die Verbesserung der Sicherheit des serbischen Nationalstraßennetzes auf einer Länge von Hunderten von Kilometern, auch durch höhere Investitionen in die Verkehrssicherheit.

2022 unterzeichnete die EIB Global neue Projekte in Serbien im Volumen von 666 Millionen Euro. Davon entfielen 581 Millionen Euro auf nachhaltigen Verkehr, etwa Wasser- und Schienenwege. 

Neben der Sanierung vorhandener Straßen fördert die EIB Global derzeit auch die Entwicklung neuer Straßenabschnitte nach den höchsten Sicherheitsstandards. So entsteht gerade, gefördert durch einen EIB-Kredit von 100 Millionen Euro und einen EU-Zuschuss von 40 Millionen Euro, die „Autobahn des Friedens“ zwischen Serbien und der albanischen Adriaküste. Zu dem Leitprojekt im Rahmen des Wirtschafts- und Investitionsplans gehört der Bau eines 32 Kilometer langen Autobahnstücks zwischen Niš und Merdare. Die neue Straße soll den regionalen Zusammenhalt stärken und die Zahl der Unfälle um 16 Prozent senken.