Alle Menschen sollten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, findet Runa Khan. Ihre Organisation Friendship bringt Medikamente, Impfstoffe und Bildung in abgelegene Gebiete Bangladeschs

Als Runa Khan im ländlichen Bangladesch unterwegs war, um ein Bildungsprojekt zu promoten, traf sie Familien ohne jeglichen Zugang zu ärztlicher Versorgung oder Medikamenten. Sie beschloss diesen Menschen zu helfen.

„Man kann nicht gleich die ganze Welt verändern“, sagt Khan. „Man konzentriert sich lieber zuerst auf einzelne Personen, um zu verstehen, was sie brauchen, und bietet ihnen liebevolle Hilfe an.“

Runa Khan hat ihr ganzes Leben versucht, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern. Eines ihrer erfüllendsten sozialen Projekte nahm seinen Lauf, als der französische Segler Yves Marre 1994 mit einem ausgemusterten Schiff nach Bangladesch kam, um es für einen wohltätigen Zweck zu spenden. Das Schiff sicherte Millionen von Menschen eine bessere medizinische Versorgung und gab den Ausschlag für die Gründung von Friendship, einer sozialen Organisation mit über 4 000 Beschäftigten und fünf Niederlassungen weltweit. 

Die Europäische Investitionsbank unterzeichnete 2021 ein Darlehen von 250 Millionen Euro an die Volksrepublik Bangladesch für die Beschaffung von Impfstoffen und die landesweite Covid-19-Impfkampagne. Dank dieser Unterstützung und dem Engagement von Friendship konnten Millionen Menschen in Bangladesch geimpft und besser medizinisch betreut werden.

„Durch die Zusammenarbeit mit Friendship können wir vor Ort mehr bewirken und zu einer nachhaltigen Entwicklung für alle beitragen“, freut sich Katrin Bock, die für Finanzierungen in Bangladesch zuständige Kreditreferentin der EIB. „Wir sehen unsere Partnerschaft als Blaupause für Investitionen in den Gesundheitssektor und Covid-19-Projekte.“



Leben „Land unter“ in Bangladesch

Bangladesch ist ein Land der Flüsse. Fast 75 Prozent der Landesfläche liegen unter dem Meeresspiegel. Diese geografische Besonderheit macht das Land anfällig für häufige und schwere Überschwemmungen.

Besonders gefährdet sind die vier Millionen Menschen, die auf den sogenannten „Chars“, den schwimmenden Inseln des Flusses Brahmaputra, leben. Jedes Mal, wenn der Fluss über die Ufer tritt, fallen Inseln auseinander und verschwinden. Die Menschen müssen ihr Hab und Gut zurücklassen und ein neues Zuhause finden. Dieses Problem wird durch den Klimawandel noch verschärft. „Ich habe Menschen getroffen, die in ihrem Leben über vierzig Mal umziehen mussten“, erzählt Khan.

Durch die Überschwemmungen ist es unmöglich, Krankenhäuser und feste Straßen zu bauen oder Strommasten zu errichten. Deshalb müssen die Menschen ohne Strom, medizinische Versorgung, Verkehrsmittel und sauberes Wasser auskommen.

>@EIB

Ein von Friendship betriebenes Krankenhausschiff, das die Menschen auf den Inseln des Brahmaputra im Norden Bangladeschs versorgt

Mit zwei schwimmenden Krankenhäusern und einem weiteren an Land sichert Friendship die Gesundheitsversorgung auf den Chars und im Küstengürtel von Bangladesch. Dies bedeutet kostenlose Operationen, Medikamente und medizinische Untersuchungen sowie kinder-, frauen-, zahn- und augenärztliche Behandlungen.

Damit allen geholfen werden kann, hat die NGO mithilfe von ausgebildetem Gesundheitspersonal aus der Region ein Netz von mobilen Satellitenkrankenhäusern und stationären Kliniken aufgebaut. „Man braucht ein Boot, um medizinische Hilfe zu bekommen“, erklärt Khan. „Unser Gesundheitssystem entstand aus den Bedürfnissen der Gemeinschaft.“



Überbrückung der letzten Meile

Bangladesch ist fast so groß wie Griechenland, doch leben dort 16-mal mehr Menschen. Als die Coronapandemie ausbrach, war die Impfung der einzige Weg, um am Leben zu bleiben und dem todbringenden Virus zu entkommen.

Friendship trug maßgeblich dazu bei, dass die Impfstoffe Menschen in entlegenen Gebieten erreichten. Die Organisation unterstützte die Impfungen mit Sensibilisierungskampagnen und leistete logistische Hilfe in abgelegenen Gebieten, beispielsweise durch die Registrierung von Patientinnen und Patienten und ihren Transport zu den Impfzentren.

>@EIB

Anfang Juni 2021 waren weniger als 4 Prozent der Bevölkerung Bangladeschs voll geimpft. Heute sind es dank Friendship mehr als 70 Prozent.

„Es gab kaum Leute, die sich nicht impfen lassen wollten“, sagt Khan. „Sie wollten alle dem Tod entrinnen. Durch die Registrierung der Patientinnen und Patienten und ihren Transport zu den Impfzentren konnten alle geimpft werden.“

Gemeinschaften stärken

Bangladesch steht beim Kampf gegen den Klimawandel an vorderster Front. Durch die diesjährigen Rekordüberschwemmungen verloren über 100 Menschen ihr Leben und sieben Millionen weitere ihre Lebensgrundlage. Die Situation dürfte sich im kommenden Jahrzehnt weiter deutlich verschlechtern.

Laut Khan muss die Welt die aktuellen Krisen im Kontext des weitaus bedrohlicheren Klimawandels sehen. „Während wir unsere Gemeinschaften und Länder vor Corona schützen, müssen wir sie auch stärker gegen künftige Krisen wappnen“, so Khan.

Deshalb richtet Friendship den Fokus nicht nur auf die Gesundheitsversorgung. Die soziale Organisation unterstützt den Klimaschutz und Maßnahmen zur Klimaanpassung, die Erhaltung des Kulturerbes, die wirtschaftliche Entwicklung, die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern sowie Bildungsprojekte. Sie ermöglicht Tausenden von Menschen auf den Chars, auch Frauen und Migranten, eine medizinische und schulische Ausbildung. 

„Es gibt keine Pauschallösung – kleine Schritte führen zum Ziel. Geld ist ein Werkzeug, Technologie ein anderes“, weiß Khan. „Wenn man ein Dorf richtig ausbildet, kann man die ganze Insel verändern.“