Europäisches Start-up rettet Solarmodule vor der Deponie

Solarenergie spielt bei der Energiewende eine wichtige Rolle. Bei der Fotovoltaik dreht sich alles um hochreines Silizium, das Sonnenlicht in Strom wandelt. Die Reinigung von Silizium ist allerdings energieintensiv – bei der Herstellung von einem Kilogramm Fotovoltaik-Silizium fallen 50 Kilogramm CO2 an. Treibhausgase, die wir mit Solarenergie ja gerade vermeiden wollen.

Das französische Start-up ROSI – ein Kürzel für „Return of Silicon“ – hat nun ein wirtschaftlich tragfähiges Verfahren entwickelt, um dieses hochreine Silizium und andere kostbare Materialen zurückzugewinnen und wiederzuverwenden.

Silizium rückgewinnen und umformen

Die Idee für ROSI stammt von drei in Europa ansässigen Technologie- und Branchenfachleuten. Eine von ihnen ist Yun Luo, Physikerin aus Shanghai: „Wir haben alle diese Achterbahnfahrt der europäischen Fotovoltaikbranche mitgemacht. Da ging es auf einmal ganz steil nach unten. Und dann wurde uns klar, dass der Sektor nur nachhaltig wird, wenn er weniger Abfall produziert.“

In der Fotovoltaik-Wertschöpfungskette gebe es zwei Abfallströme, erklärt Luo. Der erste entsteht in der Produktion, wenn sogenannte Ingots (Blöcke) aus hochreinem Silizium in Scheiben geschnitten werden, um Solarzellen herzustellen. Dabei werden rund 40 Prozent als Mikropartikel weggespült.

2019 gingen dadurch etwa 200 000 Tonnen hochreines Silizium im Wert von rund 1,5 Milliarden US-Dollar verloren. Das entspricht einer enormen Menge an CO2. Nun hat ROSI hat eine Technologie entwickelt, um dieses Silizium zurückzugewinnen, umzuformen und wieder in den Herstellungsprozess einzubringen.

Der zweite Abfallstrom entsteht, wenn die Solarmodule ausgedient haben. Also nach etwa 20 bis 25 Jahren. Das bedeutet, dass in den kommenden Jahren eine große Welle von Altmodulen auf uns zurollt. Derzeit ist es schwierig und teuer, die verschiedenen verbauten Materialien zu trennen. Deshalb werden bisher nur der Alu-Rahmen, die Anschlussbox und manchmal auch das Frontglas recycelt.

„Der Rest wird geschreddert und deponiert“, erklärt die Physikerin.

Luo und ihre Partner fanden eine Lösung, um die verschiedenen Teile auszubauen und hochwertige Materialien wie Silizium, Kupfer und Silber mit nicht aggressiven thermischen und chemischen Methoden zurückzugewinnen. „Wir recyceln die Materialien dieser beiden Abfallströme und schließen damit die Fotovoltaik-Wertschöpfungskette“, freut sich Luo.

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© ROSI

ROSI kann alle Arten von Silizium-Modulen recyceln und die Materialien rückgewinnen

Laut ROSI-Ingenieur Hsin-Hsin Fan lassen sich mit dem universellen Verfahren des Unternehmens alle Arten von Silizium-Modulen recyceln, unabhängig von Form und Struktur. „Damit unterscheidet sich unser Prozess von allen anderen. Wir können die Module komplett delaminieren und so die fünf Materialien Silizium, Silber, Aluminium, Kupfer und hochwertiges Glas rückgewinnen.“

Wenn die Altmodule kommen, will das Team um Luo mit der branchenweit besten Technologie aufwarten. „Ich glaube fest an Technologie und Industrialisierung. Die Energiewende, unsere CO2-Bilanz – alles muss auf Technologie basieren.“

Positionierung als Rohstofflieferant

Seit seiner Gründung 2017 hat das Unternehmen rund zwölf Millionen Euro für den Bau von Recyclinganlagen aufgenommen.

Die erste Anlage geht Anfang 2023 in Frankreich in Betrieb, weitere sind in Deutschland und Spanien geplant. ROSI will weiter in Europa expandieren, und dann auch in China, Japan, den Vereinigten Staaten – überall dort, wo viele Solarmodule installiert sind.

Eigenen Berechnungen zufolge könnte das Unternehmen in seinen Anlagen bis 2050 insgesamt 300 000 Tonnen ultrareines Silizium rückgewinnen und dadurch 77 Millionen Tonnen CO2 vermeiden.

Neben der Rückgewinnung hochwertiger Materialien aus Altmodulen hat sich ROSI ein Verfahren patentieren lassen, um die Materialien in verschiedenen Branchen – von Solarherstellern bis hin zu Halbleiterproduzenten – wieder in die Produktion einzubringen. Seinen Hauptumsatz will das Unternehmen mit dem Wiederverkauf erwirtschaften. „Wir sind sehr ehrgeizig und wollen uns nicht als Recyclingunternehmen, sondern als Rohstofflieferant positionieren“, so Luo.

Die Öko-Organisation Soren, die in Frankreich Solarmodule sammelt und recycelt, hat sich zur Revalorisierung von Silizium und Silber aus Altmodulen kürzlich für ROSI entschieden. Soren-Chef Nicolas Defrenne versichert, die Technologie von ROSI sei wirtschaftlich und ökologisch solide: „Außerdem brauchen wir sie, weil weiter Solarmodule hergestellt werden. Und wenn wir bei der Energiewende nicht gleichzeitig auf eine Kreislaufwirtschaft umstellen, wird keine von beiden funktionieren.“

Knackpunkt Abfallverfolgung

Doch auch für das französische Start-up läuft nicht alles reibungslos. Schwierig ist vor allem, an die Altmodule zu kommen. 

Um seine Lieferkette zu sichern, behält das Unternehmen genau im Auge, wann wo welche Abfälle anfallen müssten und wie viele davon im jeweiligen Land tatsächlich eingesammelt werden. 

Bisher war das gemeldete Sammelvolumen viel niedriger als erwartet. „Eigentlich haben wir mit viel größeren Mengen gerechnet. Nun ist unklar, ob sie auf Deponien gelandet sind oder anderswo“, so ROSI-Ingenieur Fan. „Die Sammlung ist der Knackpunkt.“

Beim Wettbewerb für Soziale Innovation, mit dem das EIB-Institut alljährlich Unternehmerinnen und Unternehmer für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement auszeichnet, gewann ROSI 2022 den ersten Preis in der Sonderkategorie „blaue und grüne Wirtschaft“.