Französische Designerin entwickelt Lampen ohne Strom

Von Chris Welsch

Sandra Rey studierte Industriedesign, als sie 2013 ein Video über Lebewesen der Tiefsee sah, die an einem der dunkelsten Orte unseres Planeten ihr eigenes Licht erzeugen. Tintenfische, Quallen, Fische und Plankton setzen auf Biolumineszenz, um zu kommunizieren, sich zu tarnen und sogar zu jagen. Nur wenige Menschen bekommen diese Unterwasser-Lichtshow je zu Gesicht.

Rey bereitete sich damals auf ihren Master-Abschluss an der Strate École de Design im französischen Sèvres vor und wollte an einem Wettbewerb über Biotechnologie teilnehmen.

Beleuchtung verbraucht unglaublich viel Strom (manchen Schätzungen zufolge insgesamt 19 Prozent des weltweiten Verbrauchs), und auch die Folgen der Lichtverschmutzung werden uns immer bewusster. Rey fragte sich, ob sich diese Probleme lösen lassen, wenn wir wie Tiefseebewohner natürliches, sauberes Licht erzeugen.

Ihr Wettbewerbsbeitrag über natürliches Licht gewann den ersten Preis – und war der erste Schritt hin zur Gründung von Glowee. Das Start-up hat mittlerweile 17 Beschäftigte, die meisten davon Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Forschung und Entwicklung. Überzeugte Investoren haben Glowee fast drei Millionen Euro gegeben. Außerdem erhielt das Unternehmen bereits zahlreiche Auszeichnungen und wird noch von anderen Seiten unterstützt.

Glowee hat auch schon beim Wettbewerb für Soziale Innovation gewonnen. Damit zeichnet das EIB-Institut jedes Jahr europäische Unternehmen aus, die in erster Linie soziale, ethische oder ökologische Ziele verfolgen.

Keine Science-Fiction

„In den Meeren kommt Biolumineszenz gar nicht so selten vor“, erzählt die 28-jährige Rey, die Glowee vor vier Jahren gründete. „Achtzig Prozent aller Meeresbewohner erzeugen selbst Licht – entweder, weil es in ihrer DNA programmiert ist, oder in Symbiose mit Bakterien.“

Biolumineszenz bezeichnet die Fähigkeit von Lebewesen, Licht abzugeben. Vor allem im Meer findet man sie häufig, aber auch an Land, etwa bei Glühwürmchen.

Für ihre Lampen setzt Rey auf die Biolumineszenz von Meeresbakterien. Sie werden so verändert, dass sie ein stärkeres und länger anhaltendes Licht erzeugen, wenn sie fressen und sich vermehren. In nährstoffreichem Salzwasser produzieren die so veränderten E.coli-Bakterien ein weiches Licht – ähnlich wie ein Nachtlicht.

Momentan muss man sich Biolumineszenz-Lampen so ähnlich wie ein Aquarium vorstellen. Sie sind für Innenräume konzipiert und leuchten, solange die Bakterien gefüttert werden. Nun tüftelt Glowee an Technologien, die auch den Einsatz im Freien und unter verschiedenen Bedingungen ermöglichen. Dann könnte Biolumineszenz beispielsweise für die Beleuchtung unserer Straßen genutzt werden. Das Unternehmen will Stadtbeleuchtung entwickeln, die sauberer ist und weniger Lichtsmog verursacht.

Aktuell liefert Glowee Beleuchtung für verschiedene Anlässe wie etwa Firmenfeiern (zu den Kunden zählen LVMH, Adidas und Accor Hotels). Das neueste Produkt heißt „Glowzen Room“ und ist ein Entspannungsort mit Biolumineszenz-Lampen. Im November 2018 richtete die Air France in ihrer First-Class-Lounge am Flughafen Charles de Gaulle-Roissy für eine Woche einen Glowzen Room ein. Dort konnten sich die Passagiere in ruhiger Umgebung auf einem ergonomischen Sessel niederlassen, bei sanftem blau-grünem Licht Entspannungsübungen machen und so vor dem Start Stress abbauen.

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© Chris Welsch

Sandra Rey in ihrem Labor. Hier entstehen Biolumineszenz-Lampen mit Meeresbakterien.

„Es ist wirklich faszinierend“, so Rey bei unserem Gespräch in ihrem Labor im Pariser Vorort Évry. „Wir arbeiten mit etwas, das lebt, das aus der Natur stammt.“

Lichttechnologie im Wandel

Es ist noch ein langer Weg, bis überall auf der Welt Städte mit Glowee-Technik beleuchtet werden können.

„Biolumineszenz-Lampen sind eine disruptive Technologie“, erklärt Rey. „Sie baut nicht auf Vorläufermodellen auf. Man wechselt nicht einfach eine Glühbirne. Wir krempeln die Lichttechnik völlig um, vom ersten Entwurf bis zum Ende der Nutzungsdauer. Uns steht also noch einiges bevor, um Energieunternehmen und Städte von unserem neuen Konzept zu überzeugen.“

Außerdem ist rechtlich noch nichts geklärt – „bisher gibt es noch kein Gesetz zum Umgang mit lebenden Lichtquellen“ – und auch technisch muss noch Vieles erforscht und entwickelt werden. Die Wissenschaftler bei Glowee arbeiten derzeit an Bakterien, die heller leuchten, widerstandsfähiger sind und Kälte oder Wärme besser aushalten.

In gewisser Weise war es ein Segen für Rey, dass sie eine grandiose Idee und kaum praktische Erfahrung hatte.

„Ich hatte keine großen Erwartungen. Das ist im Prinzip mein erster Job, sodass ich jeden Tag etwas Neues lerne – im Management, in der Personalführung, in der Biotechnologie. Und ich weiß noch nicht, wo wir in zwei, drei Jahren stehen werden. Aber genau das macht es ja so spannend.“

„Eines ist jedoch sicher: Jedes Mal, wenn ich Biolumineszenz sehe, also jeden Tag, bin ich fasziniert von ihrer Schönheit.“