„Uns war klar, dass blaue Technologien in Europa unsere Unterstützung brauchen und unsere üblichen Finanzierungen da nicht greifen. Deshalb musste ein völlig neuer Ansatz her.“
Über 20 Jahre lang war René Hansen in aller Welt unterwegs und tüftelte in den unterschiedlichsten Unternehmen an Innovationen. Mal ging es um Snowboards, mal um erneuerbare Energien. Doch dann zog es den Norweger wieder in die Heimat zurück. Die Chance dafür ergab sich, als ihm Konrad Bergström seine Idee von Elektrobooten unterbreitete.
„Ich wollte zu einer Firma, die wirklich auf Nachhaltigkeit setzt“, erklärt Hansen. „Bergströms Idee entsprach genau meinen Werten und dem, was ich machen wollte.“
Das in Schweden ansässige Unternehmen X Shore will die Bootsbranche umkrempeln und auf Öko-Kurs bringen. Durch die Kombination von Glas und Kohlefasern werden die Boote leichter, leistungsstärker und umweltverträglicher. Sie stoßen viermal weniger CO2 aus als Boote mit Benzinantrieb und sind gleichzeitig leiser. „Boote müssen mit der Natur in Einklang stehen“, meint Hansen. „Unsere sind leicht, energieeffizient und damit ökologisch nachhaltig. Und auch in der Herstellung sind sie deutlich günstiger.“
X Shore liefert den Beweis, dass die Bootsbranche nachhaltig werden kann. Mit Auszeichnungen wie dem „European Powerboat of the Year“ und dem „Best of Boats Award“ macht sich X Shore in der Branche nach und nach einen Namen. Bisher ist das Unternehmen der weltweit einzige Freizeitboot-Hersteller mit dem grünen Siegel von Cicero.
Deshalb hat die Europäische Investitionsbank (EIB) X Shore für das Programm „20 EU Blue Champions“ ausgewählt, über das sie zusammen mit der Europäischen Kommission kostenlos Firmen berät, die erstklassige Lösungen für die blaue Wirtschaft entwickeln. So sollen die Unternehmen wettbewerbsfähig und interessant für Investoren werden. Auch für die EIB, die für solche Projekte eigenkapitalähnliche „Venture-Debt“-Kredite vergibt.
Die Blue-Champions-Initiative gibt es seit Mai 2024. Sie sondiert europaweit Lösungen für Unterwasserrobotik, grüne Schifffahrt und Bioraffinerien bis hin zu Anwendungen für Satellitendaten und Windenergie. Firmen, die es in das Programm schaffen, gelten als Branchen-Pioniere für eine grüne Zukunft. Gefördert werden Technologien für eine nachhaltige blaue Wirtschaft. Denn es geht darum, die Meere für künftige Generationen zu schützen und wiederherzustellen.
Mikroalgen aus dem Meer
Während Hansen nach besseren Lösungen für Boote suchte, zog es Véronique Raoul eher unter die Wasseroberfläche – hin zu ganz kleinen Lebenswesen.
Mit dem Meer fühlte sie sich schon immer eng verbunden. „Zum einen stamme ich aus einer landwirtschaftlichen Familie. Und dann war mein Vater auch noch bei der Marine“, erzählt sie. Eigentlich wollte Véronique Raoul Ozeanografin werden. Doch beruflich ging es zunächst in Richtung Medien, Innovation und Marketing. Nach und nach keimte dann in ihr allerdings der Wunsch, mehr zu tun. Und das führte sie zurück zum Meer.
Sie zog ans Mittelmeer. Nach Nizza. Dort traf sie bei der Jobsuche auf Inalve. Das Unternehmen züchtet im Meer Mikroalgen, einen nachhaltigen Ausgangsstoff für Tiernahrung. Die Firma war genau das, was sie suchte, und schon bald übernahm sie die Leitung.
Mikroalgen sind winzige Organismen. Sie betreiben Fotosynthese und sind für aquatische Ökosysteme enorm wichtig. Zudem lassen sich aus ihnen nachhaltige Produkte herstellen. Das Besondere an Inalve ist die Anbaumethode. „Wir bauen unsere Mikroalgen als Biofilm auf einem Förderband an, das von Zeit zu Zeit durchs Wasser läuft“, erklärt Véronique Raoul. „So bekommen die Algen möglichst viel Licht ab, und wir können die natürlich gewachsene Biomasse schonend ernten. Das spart 80 Prozent Wasser und senkt unsere Klimalast um 60 Prozent.“
Die so produzierte Biomasse ist reich an lebenden Mikroalgen und Polysacchariden, die das Immunsystem stärken. „Fisch- und Garnelenlarven ernähren sich von lebenden Mikroalgen. Auch in der Aquakultur“, sagt Véronique Raoul. „Mit unseren Mikroalgen wachsen die Larven schneller heran und sind resistenter gegen Krankheitserreger. Gleichzeitig ist die Logistik einfacher, und die Überlebensraten sind höher.“
Mikroalgen werden in der Aquakultur immer wichtiger, denn die Nachfrage nach Fischmehl steigt. Die Algen machen den Sektor außerdem nachhaltiger – sie absorbieren je Kilo die doppelte Menge an CO2. Je produktiver die Aquakultur ist, desto weniger müssen wir auf natürliche Meeresressourcen zurückgreifen. Mit der Blue-Champions-Beratung der EIB will Inalve seine Anlagen nun europaweit ausbauen und die Produktion steigern.