„Der Schwertransport per Lkw, Schiff oder Flugzeug lässt sich nur mit grünen Molekülen biologischen oder synthetischen Ursprungs dekarbonisieren.“
Siedend heißes Frittieröl macht schnöde Kartoffeln zu knusprigen Pommes. Und danach lässt es sich zu Biokraftstoff für Lkw oder Flugzeuge weiterverarbeiten. Das senkt die CO2-Emissionen des Verkehrs – auch und gerade dort, wo es besonders schwierig ist, wie bei Lkw und Flugzeugen.
Der spanische Energiekonzern Moeve baut im andalusischen Huelva eine Anlage zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Dort sollen jährlich 600 000 Tonnen Fettreste, gebrauchtes Öl und sonstige Abfälle zu HVO-Biodiesel und nachhaltigem Kerosin für Flugzeuge verarbeitet werden. Das entspricht etwa 1 % des gesamten Kerosinverbrauchs in Europa.
„Wir erzeugen in dieser Anlage erneuerbaren Diesel. Unser Kraftstoff enthält genau dasselbe Molekül wie normaler Diesel oder Flugkerosin“, erläutert Matteo Vaglio, Leiter Biokraftstoffe bei Moeve (früher: Cepsa). „Nur der Ursprung des Moleküls ändert sich: Es stammt nicht aus fossilen, sondern aus biologischen Rohstoffen, sprich: aus Abfällen.“
Das hat den Vorteil, erklärt Vaglio, dass Dieselmotoren oder Flugzeugtriebwerke diesen Biokraftstoff direkt und ohne Anpassungen verbrennen können. „Auf Kundenseite sind null Investitionen erforderlich“, sagt er. „Sie können einfach zur Tankstelle fahren und reinen Biokraftstoff tanken.“
Treibstoff aus Fetten
In der neuen Biokraftstoffanlage in Andalusien werden gebrauchte Öle und andere Reste mit modernster Technologie zu fortschrittlichen Biokraftstoffen verarbeitet. Das funktioniert folgendermaßen:
- Rohabfälle, wie Öle, werden in mehreren Schritten „raffiniert“, das heißt unter anderem gefiltert und gereinigt. Dann werden sie für die Verarbeitung zu erneuerbaren Kraftstoffen vorbereitet.
- Ungesättigte Fettmoleküle werden durch Hydrierung aufgebrochen. Bei diesem Verfahren werden Wasserstoffatome zugefügt, um Kohlenwasserstoffmoleküle mit biologischem Ursprung zu schaffen.
- Die Atome dieser Kohlenwasserstoffe werden dabei in langen Kohlenstoffketten miteinander verbunden. Die neu entstandenen Kohlenwasserstoffe lassen sich zu erneuerbaren Kraftstoffen und Gasen weiterverarbeiten, mit denen dann traditionelle Verbrennermotoren oder Öfen betrieben werden können.
Die neue Anlage ist so geplant, dass sie die Umwelt wenig bis überhaupt nicht belastet. Für die Kraftstoffproduktion werden erneuerbarer Strom, grüner Wasserstoff und eventuell Biogas eingesetzt, und die Anlage nutzt aufbereitetes Wasser.
Drei Arten von Abfällen sollen verarbeitet werden: landwirtschaftliche Abfälle, also im Grunde Nebenprodukte, die bei der Herstellung von Pflanzenölen anfallen (ölhaltiges Wasser, Fruchthüllen und Schalen, je nach Art des Öls), gebrauchtes Speiseöl und tierische Fette.
Landwirtschaftliche Abfälle sind besonders begehrt, weil Biokraftstoffe aufgrund europäischer Vorschriften zu einem Mindestanteil aus solchen Abfällen produziert werden müssen. Dagegen ist der Anteil von Speiseölen begrenzt, um Betrug zu vermeiden. „Theoretisch könnten Sie sonst 30 Liter Öl verbrauchen, um eine einzige Garnele zu frittieren“, sagt Vaglio. „Und dann könnten Sie das Öl als gebrauchtes Speiseöl verkaufen.“
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Abfall als wertvolle Ressource
Das Einsammeln solcher Abfälle ist ein wachsendes Geschäft.
„In Spanien sammeln inzwischen ziemlich viele Unternehmen Öl ein“, stellt Daniel Colino fest, der als Kreditreferent bei der EIB ebenfalls mit dem Projekt befasst ist. Ein großer Teil des gebrauchten Speiseöls stammt von Fast-Food-Ketten wie McDonald‘s, ein kleinerer von privaten Haushalten.
Durch neue EU-Richtlinien für erneuerbare Energien und nachhaltige Flugkraftstoffe wächst der Markt für Abfälle, die als Rohstoffe wiederverwendet werden. Den Richtlinien zufolge müssen Diesel und andere Kraftstoffe bis 2030 einen Mindestanteil (in der Regel ein kleiner Prozentsatz) an Biokraftstoffen enthalten. Dieser Anteil soll bis 2050 deutlich steigen.
Die neue Anlage von Moeve hat nach Auffassung von Carmine Marzano, Bioökonomie-Experte bei der EIB, einen besonderen Vorteil: Sie kann verschiedene Arten von Abfällen verarbeiten. „Das ist sehr wichtig, weil Biomasse für die Kraftstofferzeugung nicht unbegrenzt vorhanden ist und die EU sehr hohe Zielwerte vorgegeben hat“, erläutert er.
Moeve baut einen neuen Unternehmensbereich für die Beschaffung von altem Speiseöl und anderen Abfällen in ganz Europa auf und greift für den Ankauf von Abfällen in Asien auf seinen Partner zurück. Allerdings sollen, so Vaglio, bevorzugt Abfälle aus Europa verarbeitet werden, um den CO2-Fußabdruck des Unternehmens möglichst gering zu halten. „Wir möchten die Biomasse möglichst im nahen Umfeld beschaffen, damit die Transportwege kurz sind“, erklärt er.
Bevor durch Biokraftstoffe ein Markt für solche Abfälle entstand, landeten das gebrauchte Speiseöl und die Nebenprodukte der Pflanzenölproduktion großenteils auf Deponien oder in Teichen in Palmen- oder Olivenplantagen, was wiederum zu Bodenverschmutzung führte.
„Damit setzen wir ein sehr wichtiges Konzept der Kreislaufwirtschaft um“, erläutert Vaglio. „Wir machen aus einem Problem eine Lösung – Rückstände werden zu grünen Energiemolekülen.“
Andalusien hat einige Vorteile
Moeve verkauft seine Biokraftstoffe direkt über sein eigenes Netz mit über 1 800 Tankstellen, an 7 Flughäfen und 60 Häfen in Spanien sowie über seine globale Handelsplattform. „Moeve verfügt bereits über das erforderliche Netz und potenzielle Abnehmer“, sagt Colino von der EIB.
Das Unternehmen betreibt in Andalusien schon eine andere Biokraftstoffanlage und entwickelt mit dem Andalusian Green Hydrogen Valley eines der bisher größten Wasserstoffprojekte. Für Andalusien sind diese neuen Projekte ein Segen, denn die Arbeitslosenquote in der Region liegt bei rund 19 %. Es wird damit gerechnet, dass durch die Projekte vor Ort insgesamt 10 000 Arbeitsplätze entstehen, 1 000 davon in den Werken von Moeve.
Laut Vaglio hat Andalusien das Potenzial, die „wettbewerbsfähigste Region Europas“ für grüne Moleküle wie Biokraftstoffe und grünen Wasserstoff zu werden. „Hier gibt es freie Flächen, Sonne, Wind, Wasser und eine gute Anbindung an wichtige Handelswege. Damit sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung erneuerbarer Energien und Biokraftstoffe gegeben“, erläutert er.
„In Europa gibt es kaum eine andere Region, die all das erfüllt.“
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ANDALUCIA ADVANCED BIOFUELS
The Project concerns the construction and operation of a 500 ktpa second generation biofuels production facility in Huelva, Andalucia (Spain). The facility will be based on Hydrogenated Vegetable Oil (HVO) technology, it will process a wide variety of fatty residues, such as used cooking oils and other industry residues, to produce biodiesel for road transport and SAF (Sustainable Aviation Fuel) for aviation.