Erklärung von Werner Hoyer, Präsident der EIB:

„Heute ist ein sehr trauriger Tag für Europa. Als Präsident der Europäischen Investitionsbank nehme ich die Entscheidung des Vereinigten Königreichs mit tiefstem Bedauern zur Kenntnis. Selbstverständlich wird die Bank gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und den anderen EU-Einrichtungen daran arbeiten, einen geordneten Übergang zu einer neu zu verhandelnden Regelung sicherzustellen, wie dies im Vertrag über die Europäische Union vorgesehen ist.

Erstmals seit Beginn des europäischen Integrationsprozesses nach dem Krieg hat ein Land beschlossen, den Weg zu einer stärkeren gemeinsamen Lenkung unseres Kontinents und zur Verknüpfung der Schicksale der Nationen nicht weiterzugehen.

Wir sprechen nicht von irgendeinem Land: Es ist die Nation, die als erste eine Art Vereinigte Staaten von Europa vorschlug, um zu verhindern, dass unser Kontinent die furchtbaren Fehler der Vergangenheit wiederholt.

Noch schlimmer als der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wäre nur noch, wenn nun die EU – ihre Führung und die Staats- und Regierungschefs ihrer Mitgliedstaaten – die bittere Lehre aus dieser Abstimmung und die im Vereinigten Königreich ebenso wie in Europa geführte Debatte ignorieren würde.

Wir haben die EU und die europäische Integration leichtfertig für ihre Schwächen kritisiert, ihre Erfolge jedoch zu selten und zu zaghaft verteidigt.

Tatsächlich gibt es zahlreiche Schwächen, und sie müssen entschlossener denn je beseitigt werden.

Wir müssen uns nun aber auch erneut mit Mut und Entschlossenheit für Europa und für einen vereinten europäischen Beitrag zu globalen Lösungen und zum Frieden stark machen. Wir müssen erkennen, dass das Schicksal unserer Völker verbunden ist. Die Mitgliedstaaten müssen besonders darauf achten, die Verdienste und Leistungen der Europäischen Union anzuerkennen, und dürfen nicht der Versuchung erliegen, sie als Sündenbock für Mängel und Fehler verantwortlich zu machen, für die die Union kaum verantwortlich ist.

Diese Grundsätze müssen nach der gestrigen Abstimmung unser Handeln leiten, wenn wir uns mit den Folgen des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs befassen. Dabei sollten wir daran denken, dass wir uns auf Neuland bewegen: Wir stehen am Beginn eines Prozesses, der tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen wird.

Die Europäer müssen nun vereint zusammenstehen, damit Europa stark bleibt, um die weltweite Zusammenarbeit im Interesse des Friedens und des Wohlstands voranzutreiben. Die Globalisierung und der damit einhergehende größere Wettbewerb werden weitergehen. Deshalb müssen wir unsere Kräfte bündeln, um unsere Rolle zu stärken und unsere Werte zu schützen.“

Die Anteilseigner der Europäischen Investitionsbank sind die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Satzung der EIB ist fester Bestandteil des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Anteilseigner der EIB kann nur ein Land werden, das der Europäischen Union angehört.

Mit einem Anteil von 16,11 Prozent am Kapital der EIB zählt das Vereinigte Königreich zu den vier größten Anteilseignern der Bank und hat das Recht, ein Mitglied des Direktoriums der EIB zu benennen.

Derzeit bleibt der Anteil des Vereinigten Königreichs an der EIB bestehen, und am Engagement der Bank im Vereinigten Königreich ändert sich nichts. Über Änderungen der Anteilseignerstruktur oder der Finanzierungstätigkeit der EIB entscheiden die Mitgliedstaaten.

Wir gehen davon aus, dass die Anteilseigner der EIB – die 28 EU-Mitgliedstaaten – das Engagement der Bank im Vereinigten Königreich im Zuge der allgemeinen Diskussionen besprechen, die über die zukünftige Beziehung des Vereinigten Königreichs zu Europa und zu den europäischen Organen zu führen sind. Momentan haben die Anteilseigner der EIB die Bank noch nicht dazu aufgefordert, ihre Vorgehensweise bei Operationen im Vereinigten Königreich zu ändern.

Spekulationen über die Auswirkungen des Referendums auf die EIB – auch über ihre zukünftige Beziehung zur britischen Regierung und ihre zukünftige Förderung langfristiger Investitionen im Vereinigten Königreich – sind verfrüht, solange noch keine Klarheit über den Zeitpunkt, die Umstände und die Bedingungen einer Austrittsregelung herrscht.