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  • Handelsstörungen und Inflation belasten Firmen und Haushalte, gefährden Europas Erholung und treiben Menschen in die Armut
  • Wachstum bricht in Ländern nahe der Ukraine ein und verlangsamt sich auch in anderen EU-Ländern
  • Öffentliche Maßnahmen können Armuts- und Schließungsrisiko für gefährdete Haushalte und Firmen eindämmen

Der Krieg in der Ukraine gefährdet die wirtschaftliche Erholung Europas. Höhere Energiepreise und Handelsstörungen können EU-Unternehmen destabilisieren, die durch die Pandemie bereits geschwächt sind. Gleichzeitig deuten ökonomische Modelle der Europäischen Investitionsbank (EIB) darauf hin, dass die wachsende Inflation mehr Europäerinnen und Europäer in die Armut treiben könnte. Für die Europäische Union wird nun ein reales Wirtschaftswachstum von unter drei Prozent erwartet, während die Europäische Kommission vor dem Krieg noch von vier Prozent ausgegangen war. Eine Rezession ist möglich, und weitere Handelsstörungen oder verschärfte Wirtschaftssanktionen würden das Risiko für die europäische Wirtschaft erhöhen.

Das sind einige der wichtigsten Ergebnisse des neuen Berichts mit dem Titel How bad is the Ukraine war for the European recovery?, der heute von der EIB veröffentlicht wurde. Der Bericht untersucht den kriegsbedingten Wirtschaftsschock und die Folgen für Haushalte, Unternehmen, Banken und Regierungen.

„Die EU-Wirtschaft erholte sich noch von den Folgen der Coronapandemie, als der Krieg ausbrach. Die dadurch ausgelöste Unsicherheit und steigende Lebensmittel-, Rohstoff- und Energiepreise bremsen die Investitionstätigkeit und beeinträchtigen die nachhaltige und inklusive Wirtschaftsentwicklung“, sagt EIB-Vizepräsident Ricardo Mourinho Félix. „Ein weitere gute Abstimmung staatlicher Maßnahmen ist für die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen des Kriegs von zentraler Bedeutung und sendet ein klares Signal an die Märkte. Das reduziert die Unsicherheit und das Risiko einer neuen Rezession. Die EIB-Gruppe steht bereit und gewährt weiterhin langfristige Finanzierungen zu günstigen Zinssätzen, um einen grünen, nachhaltigen Aufschwung und inklusives Wachstum zu fördern.“

EIB-Chefökonomin Debora Revoltella, deren Team den Bericht verfasst hat: „Die Inflation und die steigenden Energiepreise stellen eine neue Bedrohung für bereits pandemiegeschwächte EU-Firmen dar. Unsere Modelle zeigen, dass der Anteil der Firmen, die mit einem Ausfallrisiko behaftet sind, innerhalb eines Jahres von 10 Prozent auf 17 Prozent steigt. Wir müssen daher klare Maßnahmen ergreifen, um Unternehmen zu schützen und sicherzustellen, dass öffentliche Investitionen vollumfänglich als Katalysator für privatwirtschaftliche Investitionen genutzt werden.“

Erhöhtes Armutsrisiko: Haushalte in verschiedenen Ländern in unterschiedlichem Maße betroffen

Die kriegsbedingte Inflation könnte den realen privaten Konsum in der Europäischen Union um 1,1 Prozent verringern, wobei der Effekt von Land zu Land unterschiedlich ausfallen wird. In Ländern, in denen der Konsum empfindlicher auf Energie- und Lebensmittelpreise reagiert und ein relativ hoher Anteil der Bevölkerung von Armut bedroht ist, werden die Auswirkungen stärker zu spüren sein. Länder in Mittel- und Südosteuropa sind tendenziell stärker betroffen.

Die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise werden Haushalte mit geringem Einkommen überproportional belasten, allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Einkommensschwache Haushalte in den reicheren Ländern Nord- und Westeuropas können Preissteigerungen eher auffangen als Haushalte in Mittel- und Südosteuropa, was vor allem mit insgesamt höheren Sparquoten und Einkommen zusammenhängt.

Preissteigerungen erhöhen das Armutsrisiko (Anteil armutsgefährdeter Personen im Jahr 2020 und Zuwachs in Prozentpunkten)

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Quelle: Schätzungen der EIB. Anmerkung: Der Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung bezieht sich auf das Jahr 2020 und ist in Prozent dargestellt. Der Zuwachs infolge des Kriegs wird in Prozentpunkten angegeben.

Während der Coronakrise haben politische Maßnahmen maßgeblich dazu beigetragen, Menschen vor Armut zu schützen. In der aktuellen Krise müssen ebenfalls Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko für gefährdete Haushalte zu mindern und die soziale Inklusion sicherzustellen.

Kriegsbedingtes Umfeld erhöht Risiken für EU-Unternehmen

EU-Unternehmen, insbesondere kleinere Firmen, sind geschwächt aus der Coronakrise hervorgegangen. Schon vor Kriegsausbruch war ungewiss, wie sie die Aufhebung von Hilfsmaßnahmen verkraften würden. Jetzt verstärkt der Krieg die Anfälligkeit von Unternehmen auf dreierlei Weise:

(1)  durch rückläufige Exporte

(2)  durch geringere Gewinne infolge höherer Energiepreise

(3)  durch den erschwerten Zugang zu Finanzierungen, da Banken Risiken meiden

Simulationen der EIB auf Unternehmensebene zeigen: Innerhalb eines Jahres wird der Anteil von Firmen, die Verluste ausweisen, von 8 Prozent auf 15 Prozent und der Anteil der mit einem Ausfallrisiko behafteten Firmen von 10 Prozent auf 17 Prozent steigen. Besonders stark betroffen sind die Chemie- und Pharmaindustrie, der Verkehrssektor, die Lebensmittelbranche und die Landwirtschaft. Unternehmen in Ländern wie Ungarn, Polen, Lettland und Litauen, die näher an der Ukraine und an Russland liegen, werden besonders unter Druck geraten. Außerdem werden Firmen in Griechenland, Kroatien und Spanien stärker unter den Folgen leiden als der EU-Durchschnitt.

Erhöhung des Anteils von Unternehmen, die Verluste melden (in Prozentpunkten)

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Quelle: Schätzungen der EIB

Banken unter Druck

Die Auswirkungen auf Banken dürften begrenzt bleiben, doch für Unternehmen könnte sich der Zugang zu externen Finanzierungsquellen verschlechtern. Insgesamt weist das europäische Bankensystem mit Ausnahme weniger Institute ein geringes direktes Engagement in Russland, Belarus und der Ukraine auf. Diese Banken haben ihre Kapitalpuffer gestärkt, um Abschreibungen von Vermögenswerten in Russland und der Ukraine verkraften zu können. Dennoch werden die Kreditkonditionen derzeit verschärft, insbesondere in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Finanzlage der EU-Mitgliedstaaten dürfte sich verschlechtern

Es ist mit höheren Ausgaben zu rechnen, wenn Länder Flüchtlinge aufnehmen, ihre Militärausgaben erhöhen und Umverteilungsmaßnahmen durchführen, um arme Haushalte angesichts des Energiepreisanstiegs zu unterstützen. Darüber hinaus werden die Einnahmen aufgrund der verlangsamten Wirtschaftstätigkeit voraussichtlich niedriger ausfallen als geplant. Die Haushalte der EU-Nachbarländer der Ukraine und der baltischen Staaten dürften besonders stark belastet werden. Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität könnten den Regierungen finanziellen Handlungsspielraum verschaffen.

Hintergrundinformationen

Die Europäische Investitionsbank

Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist die Einrichtung der Europäischen Union für langfristige Finanzierungen. Ihre Anteilseigner sind die Mitgliedstaaten der EU. Sie vergibt langfristige Mittel für solide Projekte, die den Zielen der EU entsprechen, sowohl in Europa als auch weltweit. Die Bank ist in rund 160 Ländern tätig und gehört zu den weltweit größten multilateralen Geldgebern für Klimafinanzierungen. Vor Kurzem kündigte sie an, den Klimaschutz und die ökologische Nachhaltigkeit stärker zu fördern und dafür im Zehnjahreszeitraum bis 2030 eine Billion Euro zu mobilisieren. Ab 2025 wird sie mindestens 50 Prozent ihrer Mittel für diese beiden Ziele einsetzen. Seit Ende 2020 richtet die EIB-Gruppe zudem alle neuen Finanzierungen an den Zielen des Pariser Abkommens aus.

Weitere Informationen über die Research-Arbeit der EIB finden Sie hier: Unser Research (eib.org)