Die albanische Hafenstadt Durrës hat viele Imperien kommen und gehen gesehen. Von den römischen Legionen bis hin zu den Kreuzrittern – sie alle wussten um die strategische Bedeutung dieses Seehafens. Heute ist Durrës ein wichtiger Knotenpunkt des Korridors VIII, einem 1 500 Kilometer langen Verkehrsnetz, das die Adria mit dem Schwarzen Meer verbindet und durch Italien, Albanien, Nordmazedonien und Bulgarien verläuft. Der Korridor ist Teil eines europäischen Großprojekts, das die wirtschaftliche Vernetzung auf dem Kontinent verbessert.
Doch Albaniens Bahnnetz hat jahrzehntelang gelitten. Kaum Investitionen, kaum Züge – weder für den Personen- noch für den Güterverkehr. Wer von A nach B will, fährt mit dem Auto, der Gütertransport erfolgt per Lkw. Das sorgt für Staus und schlechte Luft, besonders in Küstenstädten wie Durrës.
„In Albanien ist der Bahnverkehr kaum noch existent. Nur wenige Strecken sind noch in Betrieb“, sagt Denis Jakubik, Projektmanager bei EIB Beratung.
Jetzt wird die Strecke von Durrës nach Rrogozhina in Zentralalbanien mit finanzieller und technischer Hilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) saniert.
Bahnfahren wird attraktiver
Für das Projekt gab es einen EU-Zuschuss von 60,5 Millionen Euro aus dem Investitionsrahmen für den Westbalkan und einen EIB-Kredit über 30 Millionen Euro, unterzeichnet im April 2025. Weitere 30 Millionen Euro kommen von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Rund 34 Kilometer Gleise werden saniert, einschließlich Elektrifizierung, Signal- und Telekommunikationssystemen. Es entstehen vier neue Bahnhöfe, darunter eine Haltestelle in Plazh, die die albanische Riviera besser anbindet.
Die Maßnahmen machen das Bahnfahren für Millionen Menschen attraktiver. Wer auf den Zug umsteigt, reist umweltfreundlicher. Küstenstädte wie Durrës, die auf Ökotourismus setzen, profitieren von den elektrifizierten Strecken. Die neuen Signal- und Telekommunikationssysteme sorgen für mehr Sicherheit, Tempo und Zuverlässigkeit.
„Das Projekt schafft neue Arbeitsplätze, fördert den Handel und verbessert die Anbindung“, so die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bei der Vertragsunterzeichnung im April in Tirana.
Foto: @ Delegation der Europäischen Union in Albanien
Weniger Staus auf überlasteten Straßen
„In den letzten 20 Jahren hat Albanien massiv in den Straßenbau investiert, auch mit Krediten der EIB. Doch die Straßen können das wachsende Verkehrsaufkommen nicht mehr aufnehmen“, sagt Piers Vickers, Lead Economist bei der EIB.
„Ohne funktionierendes Schienennetz sehen sich Städte wie Tirana mit zunehmender Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung konfrontiert. Der öffentliche Nahverkehr in der Hauptstadt besteht weitgehend aus Bussen. Die leisten viel, reichen aber nicht für eine Stadt dieser Größe.“
Mithilfe der EIB werden in Albanien insgesamt rund 150 Kilometer veraltete Eisenbahnstrecken saniert: Neben der Strecke Durrës–Rrogozhina stellt die EIB auch Gelder und technische Hilfe für die Modernisierung der 120 Kilometer langen Verbindung zwischen Vorë und Hani i Hotit nahe der Grenze zu Montenegro bereit. Der Kreditvertrag dafür wurde am 20. März 2024 unterzeichnet.
Die sanierte Bahnverbindung zwischen Durrës und Rrogozhina schlägt eine Brücke zwischen West- und Ostalbanien. Sie verbindet Durrës mit Städten wie Elbasan, Pogradec und Lin am Ohridsee – einem beliebten Reiseziel. Die Planung für den nächsten Abschnitt von Rrogozhina nach Pogradec soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein.
„Die Wiederbelebung des Bahnnetzes bringt viele Vorteile“, betont Vickers. „Wir rechnen mit kürzeren Fahrtzeiten, geringeren Fahrzeugbetriebskosten und einem kleineren ökologischen Fußabdruck.“
Die Beratungsteams der EIB helfen Albanien auch, seine Kompetenzen für die Instandhaltung und Reparatur von Bahnstrecken zu verbessern. Denn das albanische Bahnunternehmen hatte kaum Erfahrung mit komplexen Infrastrukturprojekten wie diesem.
„Wir haben bei null angefangen und Teams, Systeme und Know-how im Projektmanagement aufgebaut“, sagt Projektmanager Jakubik. „Weil viele erfahrene Bahnfachleute im Ruhestand sind, fehlte es an Know-how. Wir helfen, diese Lücke zu schließen und die Anforderungen der modernen Bahnbranche zu erfüllen.“
Bessere Anbindung an andere Länder
Die Bahnmodernisierung verbessert auch den Güterverkehr mit den Nachbarländern. Das kurbelt die Wirtschaft an und beschleunigt Albaniens Annäherung an die EU. „Dieses Projekt ist Teil einer viel größeren Vision“, sagt Vickers. „Als Bank unterstützen wir den gesamten Korridor VIII.“
Der Korridor VIII ist Teil der transeuropäischen Verkehrsnetze, mit denen die EU seit den 1990er-Jahren Straßen, Schienennetze, Flughäfen und Wasserwege in Europa verbessert. Die EIB ist seit 2017 in Albanien aktiv und arbeitet nun auch an Studien für den mazedonischen Abschnitt des Korridors VIII, so Vickers.