MyCareMatters hilft Pflegekräften, die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz besser zu verstehen

Geoff, der Ehemann von Zoe Harris, litt an Demenz und war nicht in der Lage, den Pflegekräften seine Bedürfnisse mitzuteilen. Dies hatte mitunter schlimme Folgen, etwa als er einmal 72 Stunden in der Kurzzeitpflege verbrachte, damit Zoe sich von den Strapazen der häuslichen Betreuung erholen konnte.

„In England trinkt man Tee gewöhnlich mit Milch. Geoff mochte ihn aber nur schwarz“, sagt Zoe. „Die Pflegekräfte wussten das natürlich nicht. Deshalb dehydrierte er so stark, dass er nicht mehr laufen konnte.“

Als Geoff 2010 in Vollzeitpflege kam, begann Zoe, kleine Zettel an die Wand neben seinem Bett zu kleben, damit das Pflegepersonal seine Vorlieben und bevorzugten Gesprächsthemen kennenlernte.

„So entstand schließlich eine laminierte Wandtafel, die ich jederzeit aktualisieren konnte. Über Symbole fand das Personal schnell und einfach die benötigten Informationen“, erklärt Zoe. „Die Tafel sollte keineswegs den Pflegeplan ersetzen. Der kann schon mal über 100 Seiten lang sein und wird vom Pflegepersonal aus Zeitmangel meist eh nicht gelesen.“

Solche Details mögen unwichtig erscheinen, sorgen aber für eine starke und vertrauensvolle Beziehung zwischen Pflegekraft und erkrankter Person.

„Meine Tafel zeigte nur das, was das Personal brauchte, um eine Beziehung zu ihm aufzubauen“, betont Zoe. „Als der Pflegedienstleiter mich fragte, ob er solche Tafeln auch für andere Heimbewohnerinnen und Heimbewohner haben könnte, begriff ich, dass dieses simple Hilfsmittel die Pflege Tausender anderer Menschen verbessern könnte.“

So gründete Zoe MyCareMatters (vormals Care Charts UK), ein soziales Unternehmen, das die Pflege von Demenzkranken erleichtert und auch anderen Pflegebedürftigen hilft, die nicht selbst kommunizieren können. Inzwischen wurde die MyCareMatters-Pflegekarte von mehr als 1 400 Pflegeheimen im Vereinigten Königreich übernommen.

Ein einfaches und effektives Tool

MyCareMatters hat seine Aktivitäten seit Einführung der Pflegekarte auf andere Bereiche ausgeweitet. So entwickelte das Unternehmen auch das MyCareMatters Profile, mit dem Menschen ihre eigenen Profile erstellen können. Die Informationen sind von Krankenhäusern überall auf der Welt abrufbar.

Das Profil ist ähnlich aufgebaut wie die ursprüngliche Pflegekarte. Es enthält Angaben zum bevorzugten Namen der erkrankten Person, zu Speisen, Getränken, Musik- und Fernsehprogrammen und zur Religion sowie eine Liste mit Familienmitgliedern.

>@MyCareMatters
© MyCareMatters

Die MyCareMatters-Pflegekarte enthält Informationen zu den Vorlieben einer erkrankten Person und sorgt für eine stressfreiere Beziehung zu Pflegekräften und Angehörigen

Lucy Frost, eine auf Demenz spezialisierte Krankenschwester des National Health Service, hat das MyCareMatters-Profil in einem kommunalen Krankenhaus getestet und ist beeindruckt.

„Wenn man die Wünsche, Bedürfnisse, Vorlieben und Abneigungen einer erkrankten Person kennt, gibt es viel weniger Missverständnisse“, sagt sie. „Das macht es für uns leichter, mit Demenzkranken zu kommunizieren“.

Das MyCareMatters-Profil gehörte 2016 und 2017 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Mit diesem Wettbewerb fördert das EIB-Institut Start-ups, die Lösungen für Umwelt- und Sozialprobleme anbieten. 

Dieser Erfolg spornte das Unternehmen wiederum zum My Future Care Handbook an. Das Handbuch mit dem Untertitel „Plan for Tomorrow, Live for Today“ erklärt ausführlich, wie man seinen Lebensabend plant. Es gibt etwa Tipps zur Erstellung eines Testaments und einer Vollmacht bis hin zu Entscheidungen über die gewünschte oder nicht gewünschte medizinische Versorgung. Die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben aufzuschreiben ist auch ein Geschenk an die Angehörigen und vermeidet zusätzlichen Stress in einer für die Familie ohnehin schon schwierigen Situation, so Zoe.

>@MyCareMatters
© MyCareMatters

Zoe Harris, Gründerin von MyCareMatters

Der Tod sollte kein Tabuthema sein

„Wir richten uns auch an Menschen, die gesund und vielleicht viel jünger sind“, betont Zoe, die vor der Gründung von MyCareMatters Marketingchefin bei einem Finanzdienstleister war. „Wir sollten offener über den Tod und das Sterben sprechen. Der Tod ist eine Tatsache des Lebens, mit der wir alle konfrontiert werden. Daher müssen wir dieses Thema enttabuisieren.“

MyCareMatters finanziert sich durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an Pflegeheime, Krankenhäuser und Einzelpersonen sowie durch Gelder von lokalen Behörden und Stiftungen im Vereinigten Königreich.

Aktuell arbeitet Zoe an einer neuen Version der MyCareMatters-Pflegekarte, die nach wie vor sehr beliebt ist.

„Wir sprechen mit der Pflegedienstleitung und fragen, welchen Unterschied unsere Karte macht. Und es freut uns natürlich, dass sie immer noch fleißig eingesetzt werden.“

Über die Pflegekarte erfährt man auf einen Blick wichtige Fakten über die erkrankte Person, was die Betreuung enorm erleichtert. Zoe erinnert sich an eine Pflegerin, die etwas schroff war. Eines Tages las sie auf Geoffs Pflegekarte, dass er sieben Enkelkinder hatte.

„Dann sagte die Betreuerin: ‚Oh, Geoff, ich wusste gar nicht, dass Sie Enkelkinder haben!‘ Das zauberte ihm ein Strahlen ins Gesicht“, erinnert sich Zoe. „Ab diesem Zeitpunkt nahm sie ihn mehr als Menschen und Teil einer Familie wahr und brachte ihm mehr Wärme entgegen.“