Zwei Risikokapitalfonds beflügeln die Technologieszene in Afrika und Nahost und schaffen damit Jobs für Frauen und junge Menschen

Menschen im Nahen Osten auf dem Weg in die Selbstständigkeit helfen – das wollte Walid Hanna schon länger. 2009, als die globale Finanzkrise durchschlug, packte er es an. Aber zunächst musste er dafür das Unmögliche schaffen: Silicon Valley in den Nahen Osten bringen.

Zusammen mit Walid Mansour gründete Hanna die Investmentgesellschaft Middle East Venture Partners und legte 2010 den ersten Fonds über zehn Millionen US-Dollar auf. Der Fonds beteiligt sich mit Risikokapital an jungen Firmen im Nahen Osten und in Nordafrika. Im Vordergrund stehen Technologien, Innovationen, Gründerinnen und junge Menschen.

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„Als wir anfingen, gab es in der arabischen Welt nichts Vergleichbares“, erinnert sich Hanna, der seit über 20 Jahren im Fondsmanagement arbeitet. „Wir mussten ganz neue Wege gehen und unseren Investoren erst einmal erklären, was Venture Capital ist. Das war eine echte Pionieraufgabe.“

Seither hat sich die Firma an mehr als 60 Unternehmen im Nahen Osten, in Nordafrika, der Türkei und Pakistan beteiligt. „Bei uns in der Region ist es für Start-ups schwierig, Kapital zu bekommen“, so Hanna. „Aber jetzt gibt es viele Erfolgsstorys.“

Im Dezember 2022 unterzeichnete die Europäische Investitionsbank eine Beteiligung von 27 Millionen US-Dollar am vierten Fonds der Gesellschaft, dem Middle East Venture Fund IV. Der neue Fonds soll Digitaltechnik-Firmen in der Frühphase helfen. 



Ein Motor für sozialen Wandel

Junge Unternehmen in Nordafrika und im Nahen Osten bieten Lösungen für viele Probleme der Region, etwa mit Digitaltechnologien und Jobchancen, um der hohen Arbeitslosigkeit beizukommen. Aber beim Wachstum stehen sie oft vor großen Hürden: keine passenden Leute, kein Zugang zu anderen Märkten, keine guten Führungskräfte, keine Kredite oder auch nicht die richtige Infrastruktur für das Geschäft. Am schwierigsten ist es, das nötige Wachstumskapital zu erhalten.

„Als wir vor zwölf Jahren anfingen, hatten junge Firmen keine Chance, irgendwelche Mittel zu bekommen“, sagt Hanna. „Jetzt hat sich der Markt entwickelt, aber es ist immer noch schier unmöglich, einen Gründungskredit von einer lokalen Bank zu erhalten.“

Middle East Venture Partners schließt die Lücke und schafft ein unternehmerisches Ökosystem, vor allem im Technologie- und Digitalsektor. Zu den Erfolgsstorys der Firma zählen die Musik-Streaming-App Anghami aus Libanon (das Spotify des Nahen Ostens) und der jordanische Bezahldienst HyperPay für Onlineshops.

Das alles hilft auch den Menschen vor Ort: Der Fonds eröffnet Chancen in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen – Chancen auf Arbeit oder auf Erfolg mit dem eigenen Unternehmen. Das gilt besonders für Frauen und junge Menschen.

„Unsere Investitionen haben schon über 73 000 Jobs geschaffen“, sagt Hanna. „Das bedeutet auch mehr Angebote für Frauen in technischen Berufen. Bei unseren Portfoliounternehmen haben wir derzeit 27 Prozent Frauen auf den festen Stellen.“



Ein neuer Wachstumsmarkt für Risikokapital

Eine andere Fondsgesellschaft für Start-ups in Afrika ist Partech Partners. Das 1982 gegründete Unternehmen zählt zu den aktivsten Technologieinvestoren weltweit und hat aktuell über 240 Firmen aus 40 Ländern im Portfolio.

Mit dem Partech Africa Fund I legte es 2018 den ersten Fonds seiner neuen Afrika-Strategie auf. Das Ziel: mit Kapitalbeteiligungen Afrikas digitale Champions von morgen aufbauen, und zwar in allen Sektoren, von finanzieller Inklusion und Bankgeschäften über Gesundheit und Logistik bis hin zu Bildung. Der Fonds sammelte insgesamt 125 Millionen Euro bei Investoren ein und hat sich mittlerweile an 17 jungen Firmen beteiligt, darunter TradeDepot, Wave, Yoco, Reliance und Nomba. Sie alle sind in Bereichen aktiv, die am meisten zur Wirtschaft und Beschäftigung in Afrika beitragen.

„Venture Capital ist in weiten Teilen Afrikas noch recht unterentwickelt“, erklärt Nur Özdemir, die als Spezialistin für Kapitalbeteiligungen bei der Europäischen Investitionsbank arbeitet. „Aber mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur und der steigenden Verbraucher- und Unternehmensnachfrage ist der Kontinent auch einer der wachstumsstärksten Märkte weltweit. Partech und seine Fonds bringen den Markt für Risikokapital und damit die Digitalisierung und Innovationen voran.“

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Der erfolgreiche Launch des Partech Afrika II dürfte der afrikanischen Start-up-Szene viel Schub geben und noch mehr Interesse und Kapital aus aller Welt anziehen

Mit dem Africa Fund II, der im Februar 2023 aufgelegt wurde, will Partech seinen Erfolgsweg jetzt weitergehen. 245 Millionen Euro warb der Fonds in der ersten Zeichnungsrunde ein. Damit hat er schon jetzt sein Zielvolumen übertroffen und ist der bislang größte Fonds für Afrika. Die Europäische Investitionsbank hat beide Partech-Fonds unterstützt, mit zehn Millionen Euro im Jahr 2017 und mit weiteren 45 Millionen Euro, die 2022 zugesagt wurden.

„Wir sind überzeugt, dass in Afrika viele weitere Champions stecken, und wir wollen ihnen mit dem Partech Africa II aktiv helfen – finanziell, strategisch und operativ“, so Cyril Collon, einer der beiden General Partner von Partech.