Europa hat seit 2007 enorme Anstrengungen unternommen, um die Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden: Es hat seine wirtschaftspolitische Steuerung verbessert, wirksame Auffangmechanismen für den Finanzsektor eingeführt und eine Bankenunion geschaffen. Die Mitgliedstaaten konsolidieren ihre Haushalte und setzen Strukturreformen um. Trotz der Fortschritte bleibt die Wirtschaft in Europa jedoch anfällig. Die Investitionen liegen 15 Prozent unter dem Stand von 2007 und die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen sieben Jahren um 40 Prozent gestiegen.
Dabei lässt sich der Mangel an Investitionen nicht durch fehlendes Kapital erklären. In Europa gibt es genügend Liquidität – sowohl bei den Banken als auch bei den Unternehmen. Aber diese Mittel erreichen die Realwirtschaft nicht. Die Investoren sind risikoscheu geworden: Die langen Krisenjahre und die ungewissen regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sie verunsichert. Unsere Aufgabe besteht nun darin, diesem Marktversagen gegenzusteuern und die Risikobereitschaft in Europa zu erhöhen. Wir müssen diese Lücke schließen und den Projektträgern helfen, das Interesse privater Investoren zu wecken. Wir müssen die Investitionskapazität der EIB-Gruppe und anderer Einrichtungen erweitern. Dies wird mit dem „Investitionsplan für Europa“ bezweckt, der von der Europäischen Kommission eingerichtet wird. Auch der vorgeschlagene neue „Europäische Fonds für Strategische Investitionen“ (EFSI), der bei der EIB angesiedelt werden soll, dient diesem Ziel. Ich werde den Leitungsorganen der EIB vorschlagen, unsere Beteiligung an diesem Plan zu genehmigen.
Der Fonds soll zunächst mit 21 Milliarden Euro ausgestattet werden, die gezielt der Risikoabsicherung dienen. Dies lockt Geldgeber aus der Privatwirtschaft an, weil ihr Verlustrisiko sinkt. Wir können mit diesen Mitteln risikoreichere, aber dafür potenziell sehr nutzbringende Vorhaben fördern. Für Projekte mit hohem Zusatznutzen werden so private Kapitalgeber ins Boot geholt. Insgesamt soll der Fonds neue Investitionen von mindestens 315 Milliarden Euro zur Folge haben. Was die Ermittlung geeigneter Projekte angeht, hat eine Task Force der Mitgliedstaaten unter Federführung der Kommission und der EIB bereits Vorarbeit geleistet. Wenn der Verwaltungsrat der EIB diese neue Konstruktion genehmigt, wird für den Fonds eine eigene Verwaltungsstruktur geschaffen. Damit wird gewährleistet, dass er sich ausschließlich auf seine spezielle Aufgabe konzentrieren kann.
Die Beratungsdienste der EIB und der EU für Investitionsvorhaben sollen unter Federführung der Bank allgemein zugänglich gemacht werden. Die Beratung ermöglicht es den Projektträgern, bei ihren Vorhaben höchste Qualitätsstandards zugrunde zu legen und ihre Finanzierungschancen zu maximieren.
Eine weitere Säule des Juncker-Plans ist der Abbau von Investitionshindernissen. Auf europäischer und auf nationaler Ebene sollen Regulierungsvorschriften vereinfacht und Verfahrenswege verkürzt werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu verbessern, sind Strukturreformen nach wie vor wesentlich.
Die EIB spielt eine Schlüsselrolle für die Konjunkturerholung und das Wachstum in Europa. Sie hat in den zurückliegenden Jahren bewiesen, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise leistet. Wir haben versprochen, mit der 2013 beschlossenen Erhöhung des eingezahlten Kapitals um 10 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen in ganz Europa anzustoßen. Wir sind auf einem guten Weg, um damit im Zeitraum 2013-2015 weitere Investitionen in der Größenordnung von 180 Milliarden Euro auszulösen – und vielleicht sogar noch mehr. Die Bank hat bewiesen, dass sie ihre Mittel wirkungsvoll einsetzen kann. Deshalb spielen wir eine zentrale Rolle für Initiativen wie den neuen Investitionsplan der Kommission. Mit unserem Know-how und unseren Erfahrungen wollen wir in Partnerschaft mit der Kommission neue Impulse für die Realwirtschaft in Europa geben.
Werner Hoyer
Präsident der EIB