- Internationale Bankengruppen behaupten ihre starke Präsenz in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, 73 Prozent mit gleichbleibendem und 18 Prozent mit noch größerem Engagement in den letzten sechs Monaten
- Trotz des Krieges in der Ukraine beurteilen Bankengruppen ihre Tätigkeit in der Region weiterhin zuversichtlich; 45 Prozent wollen ihr Geschäft ausbauen, weitere 45 Prozent wollen es auf dem aktuellen Niveau weiterbetreiben
- Nachfrage nach Krediten wegen Liquiditätsbedarf von Unternehmen bleibt groß, Kreditkonditionen verschlechtern sich; dieser Trend dürfte anhalten, vor allem wegen Bedenken über die künftige Kreditqualität, lokale Marktaussichten und EU-Vorschriften
Internationale Bankengruppen, die in Mittel-, Ost- und Südosteuropa tätig sind, haben laut den jüngsten Umfrageergebnissen Widerstandsfähigkeit und Engagement bewiesen. Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Strategien der Banken und auf die Aussichten für die kommenden Monate, die eine nachhaltige Ausrichtung auf die Bankenmärkte in der Region erkennen lassen.
Laut der Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, die die Europäische Investitionsbank (EIB) im März 2023 durchführte, haben die Mutterbanken ihr Geschäft in der Region entweder aufrechterhalten oder ausgebaut. Die überwiegende Mehrheit (73 Prozent) der Mutterbanken hielt ihr Geschäftsvolumen auf gleichbleibendem Niveau, 18 Prozent bauten ihre Präsenz in den letzten sechs Monaten sogar aus. Tatsächlich wirkte sich der Krieg in der Ukraine nicht auf die Strategien und Ziele der Bankengruppen für andere Bankenmärkte in der Region aus.
EIB-Chefvolkswirtin Debora Revoltella: „Die gesammelten Daten bestätigen das anhaltende Engagement internationaler Bankengruppen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa und ihre Bemühungen um Stabilität. Das Vertrauen des Bankensektors in das Marktpotenzial und seine Fähigkeit, schwierige wirtschaftliche Gegebenheiten und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zu meistern, sind sehr ermutigend.“
EIB-Vizepräsidentin Lilyana Pavlova: „Die Region Mittel-, Ost- und Südosteuropa beweist einmal mehr ihr Potenzial, ihre Resilienz und ihre Bereitschaft, die aktuellen geopolitischen Schwierigkeiten zu überwinden. Die Unterstützung der Bankengruppen für das Wirtschaftswachstum muss aufrechterhalten werden. Die EIB-Gruppe wird auch weiterhin die notwendigen Finanzierungsmittel für die Region bereitstellen und auf künftige Bedarfe reagieren.“
Die Umfrage beleuchtete langfristige Strategien. Grenzüberschreitend tätige Bankengruppen signalisierten darin ihre Absicht, ihr Geschäft entweder auf gleichbleibendem Niveau zu halten (45 Prozent) oder es selektiv in der Region auszubauen (45 Prozent). Die Gruppen sehen in den meisten Bankenmärkten in der Region hohes oder mittleres Marktpotenzial. Außerdem meldeten sie für lokale Märkte eine höhere Rentabilität im Vergleich zur Gruppenebene, außer in Polen.
Die Umfrage, in der Daten während der Krisen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse erhoben wurden, gibt Einblicke, wie sich die Kreditnachfrage und das Angebot in der Region entwickeln. Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen ist die Kreditnachfrage seitens der Bankkunden solide und dürfte sich leicht erhöhen.
Die Nachfrage wird vor allem durch den Liquiditätsbedarf der Unternehmen, insbesondere für Betriebskapital, angekurbelt. Die Segmente Anlageinvestitionen und Privatkunden (auch für Immobilien) dürften in den nächsten Monaten rückläufig sein.
Auf der Angebotsseite blieb das Kreditangebot knapp und dürfte in allen Geschäftssegmenten und in den meisten Ländern schwach bleiben, mit Ausnahme der Banken in der Slowakei, die mit positiven Angebotsbedingungen rechnen. Allerdings deutet die Umfrage darauf hin, dass sich die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage im nächsten Erhebungszeitraum leicht verringern dürfte.
Die Bankengruppen sind nach wie vor optimistisch, was das Finanzierungsumfeld angeht, wobei die Finanzierung von Privatkunden und Unternehmen im Vordergrund steht. Trotz der düsteren Wirtschaftsaussichten trat die erwartete Verschlechterung der Kreditqualität in den letzten sechs Monaten nicht ein. Angesichts des geringeren Wachstums, der hohen Inflation und der höheren Zinssätze rechnen die Banken jedoch mit einem Anstieg der Problemkredite, insbesondere im Privat- und Firmenkundenbereich.
Die Umfrageergebnisse bestätigen, dass die Mutterbanken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa ihre Positionen in der Region trotz des Ukrainekriegs größtenteils aufrechterhalten haben. Die Schulden dürften nicht zurückgehen, und die meisten Banken rechnen mit einem stabilen oder höheren Kredit-Einlagen-Verhältnis.
Das Engagement der Bankengruppen in der Region hat sich in den letzten sechs Monaten positiv entwickelt, wobei eine größere Anzahl von grenzüberschreitenden Gruppen (27 Prozent) plant, ihr Engagement in den nächsten sechs Monaten zu erhöhen, was auf positive Zukunftsaussichten schließen lässt.
Die langfristigen Strategien der Bankengruppen lassen erkennen, dass der Schwerpunkt auf Stabilität oder Expansion liegt, was auf das wahrgenommene hohe oder mittlere Marktpotenzial und die höhere Rentabilität in den meisten Bankenmärkten in der Region im Vergleich zur Gruppenebene zurückzuführen ist.
Die erhobenen Daten spiegeln die starke Position und das anhaltende Engagement internationaler Bankengruppen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa trotz wirtschaftlicher Herausforderungen und geopolitischer Unsicherheiten wider.
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Hintergrundinformationen
Die Umfrage zum Kreditgeschäft in Mittel-, Ost- und Südosteuropa
Im März 2023 wurden internationale Bankengruppen zu ihren Strategien und ihrem Engagement in Mittel-, Ost- und Südosteuropa befragt. Die Umfrage erhebt Daten zu Kreditanforderungen und -konditionen sowie zu den verschiedenen Einflussfaktoren im Inland und international. Auch die Kreditnachfrage wird untersucht. Die Umfrage enthält konkrete Fragen zur Kreditqualität und zu den Refinanzierungskonditionen der Banken. Damit kann ein Datenbestand aufgebaut werden, mit dem sich die Gesundheit des Bankensektors in Mittel-, Ost- und Südosteuropa nahezu in Echtzeit beurteilen lässt. Die Umfrage wurde von der Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB entwickelt und ist Teil einer Berichtsreihe der EBWE, des IWF und der Weltbank für die Wiener Initiative.