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Invested in Housing

Wie Innovationen den Wohnungsbau revolutionieren

 
 

Mit technischen Innovationen lässt sich schon heute bezahlbarer und nachhaltiger bauen

Tamar Shiloh Vidon
Teil der Serie "Invested in housing" 19 June 2025

Vor ein paar Jahrzehnten wurden Gebäude noch am Zeichenbrett entworfen, mit Stift und Papier. Dann kam die computergestützte Planung – im Prinzip dasselbe, nur flotter und effizienter am Bildschirm. Das Wiener Unternehmen GROPYUS setzt jetzt auf Automatisierung, Industrialisierung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz, um Gebäude zu entwerfen, die individuell auf die Anforderungen von Kunden und Grundstücken zugeschnitten sind. Der Clou: Das System plant die Fertigung der einzelnen Bauteile und den effizientesten Weg für Bau und Betrieb gleich mit.

GROPYUS fertigt in seiner automatisierten Fabrik passgenaue Wand- und Deckenelemente aus Holz, die direkt auf die Baustelle geliefert werden und nur noch zusammengesetzt werden müssen. Alle Komponenten – Lichtschalter, Kabel, Wasserleitungen – sind bereits installiert, bevor die Wände errichtet werden.

Was einfach und einleuchtend klingt, ist in Wahrheit ein echter Gamechanger für die Baubranche. Und das wird höchste Zeit, denn angesichts der Wohnungsnot sind schnelle, skalierbare Lösungen gefragter denn je.

„Allein in Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen“, sagt Markus Fuhrmann, Gründer und CEO von GROPYUS.



Gerade im Bauwesen sind neue Ideen wichtig, denn Innovationen sind hier eher Mangelware. Laut der Investitionsumfrage 2024 der EIB-Gruppe setzen 75 Prozent der Bauunternehmen in Europa nicht auf Innovationen – in anderen Branchen sind es 67 Prozent. Nur 55 Prozent der Baufirmen nutzen neue Digitaltechnologien, gegenüber 76 Prozent in anderen Sektoren. Diese Innovationslücke bremst die Branche aus – beim Umweltschutz ebenso wie bei der Schaffung von Wohnraum.

Zum Glück entwickeln Pioniere Lösungen und investieren in Innovationen, die die Planung, den Bau, den Betrieb und die Sanierung von Gebäuden revolutionieren können.

Pioniere wie GROPYUS. Und wie Heidelberg Materials, ein führender Zementhersteller, der seinen ökologischen Fußabdruck verringern will. Oder wie eine Gruppe belgischer Hersteller von Bausteinen, die CO2 speichern. Auch ein Start-up, das mit neuer Technologie die Energieeffizienz sanierungsbedürftiger Gebäude misst, ist dabei.

Hier erfahren Sie, wie diese Unternehmen die Büro- und Wohngebäude von morgen mitgestalten.

Schneller und sauberer bauen

Markus Fuhrmann GROPYUS

2019 tat sich Markus Fuhrmann, der zuvor schon den Essenslieferdienst Delivery Hero mitgegründet hatte, mit zwei Mitstreitern zusammen: Philipp Erler, dem ehemaligen Technikchef von Zalando, und Bernd Oswald, dem früheren COO des Holz-Hybridbau-Spezialisten CREE Buildings. Gemeinsam gründeten sie GROPYUS.

Anders als bei früheren Versuchen mit Fertigbau, die meist auf Einfamilienhäuser abzielten, konzentriert sich GROPYUS auf mehrgeschossige Wohngebäude. Und kombiniert das altbewährte, erneuerbare Baumaterial Holz mit Hightech, Digitalisierung und Automatisierung. Damit packt das Unternehmen gleich mehrere Herausforderungen der Branche an:

  • Umweltbelastung Weil GROPYUS vor allem auf Holz setzt, schrumpft der CO2-Fußabdruck im Vergleich zum klassischen Betonbau gewaltig.
  • Tempo und Planbarkeit Die Montage der vorgefertigten Module in der Fabrik beschleunigt den Bau und sorgt für verlässliche, kurze Zeitpläne.
  • Digitalisierung Vom ersten Entwurf bis zur Endmontage: Digitale Tools machen den gesamten Ablauf schlanker.
  • Integration GROPYUS schaut sich clevere Lösungen aus anderen Branchen ab – etwa Steckverbindungen von Elektroautos oder Badezimmermodule von Kreuzfahrtschiffen – und muss so das Rad nicht neu erfinden.

Um die Forschung und Entwicklung des Unternehmens zu fördern, unterzeichnete die EIB im Dezember 2023 mit GROPYUS eine Venture-Debt-Finanzierung von 40 Millionen Euro, die durch InvestEU besichert ist.

Roboter in der Fabrik von GROPYUS
GROPYUS

„GROPYUS ist attraktiv, weil seine Verfahren schneller sind als die herkömmliche Bauweise und der Bau und Betrieb der Gebäude bis zu 90 Prozent weniger CO2 verursacht“, meint Philippe Hoett vom Venture-Debt-Team der EIB. „Anstelle von Massivholz nehmen sie technisch optimiertes Holz und fertigen alles in einer hochautomatisierten Fabrik.“

Marc Tonteling, Ingenieur bei der EIB, beschreibt die Lösungen als sehr durchdacht: „Viele Kabel wurden durch drahtlose Technologien ersetzt. Einige ihrer Lösungen gibt es einzeln schon, aber GROPYUS schafft es gekonnt, alles zu einem Gesamtsystem zu verbinden.“

GROPYUS kann die Bauweise auch problemlos an unterschiedliche Vorschriften einzelner Länder anpassen. So kann das Unternehmen künftig auch Module für Kindergärten, Schulen und Unterkünfte für Studierende und Senioren liefern.

„Wir betrachten die gesamte Wertschöpfungskette – von den Rohstoffen bis zur Wiederverwendung.“

Wolfgang Dienemann
Heidelberg Materials

Dekarbonisierung von Baumaterial

Holz ist beim Bauen ein echter CO2-Killer. Doch die meisten Gebäude werden nach wie vor mit Zement gebaut, dem „Klebstoff“ in Beton. Und gerade die Zementherstellung zählt seit Langem zu den CO2-intensivsten Industrieprozessen – sie verursacht rund acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.

Heidelberg Materials, ein internationaler Baustoffriese aus Deutschland, will das ändern: mit Innovation, Digitalisierung und Prozessoptimierung.

Ziel des Unternehmens ist es, bis 2050 klimaneutral zu sein. „Wir betrachten die gesamte Wertschöpfungskette“, sagt Wolfgang Dienemann, Director Global Research & Development. „Von den Rohstoffen bis zur Wiederverwendung – wir optimieren den Produktmix, verbessern Prozesse und treiben Kreislaufwirtschaft in allen Bereichen voran.“

Die EIB unterstützt das Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprogramm des Unternehmens mit einem im Dezember 2023 unterzeichneten Kredit über 100 Millionen Euro.

Schon jetzt stammt mehr als ein Drittel des Umsatzes von Heidelberg Materials aus CO2-armen und kreislauffähigen Produkten – bis 2030 sollen es 50 Prozent sein.

Auch Digitalisierungsinitiativen spielen in der Unternehmensstrategie eine wichtige Rolle. „Wir setzen auf künstliche Intelligenz, um unsere Produktionsprozesse laufend effizienter, sicherer und nachhaltiger zu machen“, so Dienemann. Mit selbst entwickelten Tools sagt das Unternehmen Energiepreise vorher und plant den besten Zeitpunkt für die Zementproduktion.

Allerdings, so Dienemann weiter, lässt sich ein erheblicher Teil der CO2-Emissionen bei der Zementherstellung mit herkömmlichen Verfahren gar nicht vermeiden. Deshalb sind CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung weitere wichtige Hebel auf dem Weg zu einer klimaneutralen Bauwirtschaft.

„Am Ende läuft alles auf CO2-Abscheidung hinaus – sobald das möglich und bezahlbar ist“, sagt Eoin Keane, Senior Engineer bei der EIB. „Aber es geht auch darum, den CO2-Ausstoß von vornherein zu verringern.“

Dienemann stimmt zu: „Ein wichtiger Gradmesser für unseren Fortschritt ist die Senkung der spezifischen Netto-CO2-Emissionen“, sagt er. „Wir haben es geschafft, diese Emissionen 2024 um weitere 1,3 Prozent auf 527 Kilogramm pro Tonne zementhaltigen Materials zu senken, und wollen bis 2030 auf 400 Kilogramm pro Tonne kommen.“



Nachhaltig bauen, aber bitte bezahlbar

Heidelberg Materials

Heidelberg Materials setzt auf verschiedene Innovationen:

  • mehr Energieeffizienz in der Produktion
  • alternative Materialien, die mit weniger Klinker auskommen (der CO2-lastige Mix aus Kalk und Ton im Zement)
  • hochmodernes Recycling von Altbeton
  • Vorbereitung der Anlagen auf künftige CO2-Abscheidungstechnologien

All das ist ein großer Schritt nach vorn – aber es zeigt auch, wie schwierig der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und bezahlbarem Bauen ist.

„Das ist alles super, aber allein wird das die Wohnungsnot nicht lösen“, sagt Keane. „CO2-Abscheidung macht das Bauen erstmal teurer, daher geht es um eine langfristige Transformation der Branche.“

Die EIB-Finanzierung sorgt dafür, dass Forschung, Entwicklung und Innovation vorankommen. Fortschritte sollen an internen Klimazielen gemessen werden und nicht etwa Vorgaben für bestimmte Technologien folgen.

Bausteine aus Abfall

CO2ncrEAT

Nicht nur Heidelberg Materials tüftelt an Lösungen für die CO2-Abscheidung. Vier belgische Firmen – Prefer, Lhoist, Fluxys und Orbix – haben gemeinsam einen Mauerstein entwickelt, der CO2 bindet und speichert. Ihre Technik nutzt Industrieabfälle, genau genommen Schlacke aus der Stahlproduktion, und setzt ihnen CO2 zu, um Bausteine mit ähnlichen Eigenschaften wie herkömmlicher Beton herzustellen.

Der sogenannte CO2ncrEAT-Block kommt ganz ohne Zement aus und braucht beim Herstellen keine Hitze, was CO2 spart. Gleichzeitig bindet er aktiv Kohlendioxid und dient so als dauerhafte Kohlenstoffsenke.

Die vier Unternehmen haben dafür einen Zuschuss aus dem Innovationsfonds erhalten, einem Förderprogramm der Europäischen Kommission für innovative, CO2-arme Technologien. Außerdem Unterstützung vom EIB-Team für den Innovationsfonds.



„75 Prozent der Gebäude, die heute stehen, werden auch 2050 noch genutzt. Das ist die größte Baustelle des Jahrhunderts.“
Cédric Favier

Cedrus

Schnellere Sanierung mit KI

Wer die Baubranche grüner machen und die Wohnungsnot lindern will, muss auch alte Häuser auf Vordermann bringen.

„75 Prozent der Gebäude, die heute stehen, werden auch 2050 noch genutzt“, sagt Cédric Favier, Mitgründer des französischen Start-ups Cedrus. „Das ist die größte Baustelle des Jahrhunderts. Eigentümer, die nach Klimaneutralität streben, müssen bei der Sanierung tief in die Tasche greifen.“

Cedrus hat eine Lösung entwickelt, um mithilfe von KI den Zeitaufwand für die energetische Analyse von Gebäuden drastisch zu verringern: Öffentliche Daten werden automatisch gesammelt, Satellitenbilder ausgewertet und bestehende Berichte analysiert. Das spart jede Menge Zeit, erklärt Emilio Sassine, ebenfalls Mitgründer des Unternehmens und Forscher an der renommierten École des Mines, einer französischen Ingenieur- und Technologie-Hochschule.

„Damit können wir nicht nur einzelne Häuser, sondern gleich ganze Gebäudebestände – von zehn bis zu mehreren Tausend Objekten – in relativ kurzer Zeit analysieren.“

Das Start-up, benannt nach der Zeder, weil sie viel CO2 schluckt, hat Kapital vom französischen Venture-Studio 4elements erhalten. 4elements selbst profitiert von Förderung unter InvestEU durch den Europäischen Investitionsfonds, eine Tochtergesellschaft der EIB.

Unterstützung durch die EIB-Gruppe

Die EIB-Gruppe mischt bei diesen Projekten nicht nur als klassischer Geldgeber mit. Sie stärkt auch das Vertrauen anderer Investoren in Start-ups wie GROPYUS und Cedrus.

„Klar, wir geben ihnen in erster Linie Geld“, sagt Hoett, der den GROPYUS-Kredit der Bank betreut hat. „Aber wir sorgen auch dafür, dass sie bekannter werden. Unsere gründliche Prüfung ist ein Gütesiegel, das auch bei künftigen Finanzierungsrunden hilft.“

Für etablierte Unternehmen wie Heidelberg Materials schafft der Fokus der EIB auf Dekarbonisierung starke Innovationsanreize. „Wir unterstützen keine traditionellen, emissionsintensiven Industriezweige“, sagt Keane. „Wir fördern CO2-arme Technologien und den Übergang zur Klimaneutralität.“

Außerdem bringt die EIB-Gruppe einen Aktionsplan für bezahlbaren, nachhaltigen Wohnraum auf den Weg – ein Kernstück der europäischen Investitionsplattform für bezahlbaren, nachhaltigen Wohnraum, an der die EU-Kommission gerade arbeitet. Damit will die EIB-Gruppe 2025 ihre Wohnraumfinanzierungen auf 4,3 Milliarden Euro hochschrauben. Die Gelder fließen in Innovation, Sanierung und Neubauten, flankiert von maßgeschneiderter Beratung.

Hürden auf dem Weg zum Wandel

Trotz vielversprechender Innovationen bestehen weiterhin erhebliche Herausforderungen bei der Transformation der Bauindustrie:

  • Komplexe Vorschriften Bauvorschriften sind nicht nur von Land zu Land verschieden, sondern sogar von Region zu Region – das macht einheitliche Lösungen schwierig.
  • Technische Grenzen Sicherheitsvorgaben, vor allem beim Brandschutz, beschränken den Einsatz von Holz in höheren Gebäuden.
  • Skaleneffekte Neue Bauweisen rechnen sich meist erst, wenn richtig große Stückzahlen gebaut werden. Innovationstreiber stehen so vor einem echten Henne-Ei-Problem.
  • Risikoscheue Akteure Die Bauwirtschaft setzt lieber auf Bewährtes – selbst wenn die Vorteile neuer Verfahren auf der Hand liegen.

Gerade weil die Branche so große Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist Innovation unverzichtbar. Die von der EIB unterstützten Projekte zeigen: Fortschritt ist möglich.

GROPYUS hat bereits 2022 ein erstes neunstöckiges Gebäude mit 54 Wohnungen bei Koblenz fertiggestellt, drei weitere Projekte sind in der Mache: eines in Immendingen mit 116 Wohnungen und zwei in Berlin mit insgesamt 185 Wohnungen. Auch beim Wiederaufbau in der Ukraine will das Unternehmen helfen – Fuhrmanns Frau stammt von dort.

„Unsere Fabrik schafft bis zu 3 500 Wohnungen pro Jahr“, sagt Fuhrmann. „Wir könnten das sogar vervierfachen, aber selbst das ist sehr wenig.“

„Ich bin in einem großen sozialen Wohnbauprojekt in Wien aufgewachsen“, erzählt er. „Meine Familie gehörte zur Arbeiterklasse. GROPYUS will bezahlbaren, nachhaltigen Wohnraum wirklich in großem Stil zugänglich machen. Je mehr Unternehmen und Akteure daran mitwirken, desto stärker werden die europäischen Länder und die EU.“

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