Die südlichen und östlichen Mittelmeerländer sind von der weltweiten Wirtschaftskrise zwar nicht verschont geblieben, haben jedoch unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage sind, Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zu ergreifen.

Um den Partnerländern des Mittelmeerraums[1] eine angemessene Analyse über die Konsequenzen der Krise und Krisenbewältigungsszenarien zur Verfügung zu stellen, hat die Europäische Investitionsbank (EIB) das Forum Euro-Méditerranéen des Instituts de Sciences Économiques (FEMISE) mit einer neuen Studie beauftragt.

Die wichtigsten Elemente dieser Studie, die auf den Webseiten der EIB und der FEMISE (www.femise.org) veröffentlicht wurde, können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Die Partnerländer des Mittelmeerraums haben nach einem Jahrzehnt wirtschaftlicher Fortschritte und Reformen, die ihnen ein starkes Wachstum (4%-6% p.a.) beschert haben, die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise zu spüren bekommen. Zurückzuführen ist dies auf ihre starke Abhängigkeit von entwickelten Volkswirtschaften (u.a. Europa), die ihrerseits durch die Krise in die Rezession abgerutscht sind: Die Partnerländer und ihr makroökonomisches Gleichgewicht hängen in hohem Maße von Leistungsbilanzströmen – internationaler Handel, Geldüberweisungen von Migranten, ausländische Direktinvestitionen und Dienstleistungen (wie Fremdenverkehr) – ab. Im Jahr 2009 verlangsamte sich daher das Wachstum auf 3,7%, was sich auf die Salden der Staatshaushalte auswirkte.
  • Der globale Kontext der Krisenbewältigung, der durch eine Änderung des Rankings der Volkswirtschaften, die Rückkehr zur Strukturpolitik und einen stärkeren Wettbewerb zwischen den verschiedenen Regionen der Welt gekennzeichnet ist, bietet den Partnerländern eine Gelegenheit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Gleichzeitig stellt er jedoch auch eine Herausforderung dar, die darin besteht,  neue Formen des Wachstums (in einer Größenordnung von 7%-8% p.a.) zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, ihre Wirtschaft zu modernisieren und gleichzeitig etwa 60 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen.
  • Die Partnerländer müssen hierfür eine Gesamtstrategie formulieren, die sich auf eine stärkere internationale Öffnung ihrer Wirtschaft, die Entwicklung neuer Aktivitäten und die Realisierung eines integrativeren Wachstums stützt. Dies bedeutet, dass diese Strategie deutlich auf eine Reduzierung von Ungleichheiten und die Entstehung einer Mittelklasse sowie auf die Schaffung eines besseren territorialen Gleichgewichts ausgerichtet sein muss. In diesem Zusammenhang scheinen insbesondere drei Maßnahmen von besonderer Bedeutung: a) Ausbau der Freihandelszone im Mittelmeerraum zur Schaffung eines größeren Binnenmarktes, der durch eine Politik gestützt wird, die Anreize für ausländische Direktinvestitionen schafft; b) schrittweiser Übergang zu einer wissensbasierten Gesellschaft (Schaffung von Humankapital und Innovationen in Unternehmen), die den Ländern raschere Produktivitätssteigerungen ermöglicht; c) Umsetzung strukturpolitischer Maßnahmen, die vor allem darauf abzielen, den Mangel an grundlegender Infrastruktur zu beheben und den Qualitätsstandard wesentlicher Dienstleistungen zu erhöhen sowie die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern (Modernisierung des Bankensektors, Verbesserung der gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen, usw.)
  • Die Empfehlungen der FEMISE-Studie wirken sich auf die Zusammenarbeit zwischen Europa und den Mittelmeer-Partnerländern aus. Dies gilt vor allem für den Inhalt und die Steuerung dieser Zusammenarbeit. Die Schaffung eines stärker integrierten Wirtschaftsraums impliziert daher auf regionaler Ebene eine gemeinsame Vorgehensweise und Abstimmung im Hinblick auf Projekte (Art und Finanzierung der Investitionen sowie Prioritäten) sowie in Bezug auf die Gesellschaft (Entwicklung von Humankapital, Mobilität und Governance) und die Wirtschaftsströme (sowohl Finanz- als auch Handelsströme).

Die Probleme, die sich bei der Krisenbewältigung und im Rahmen der neuen Zusammenarbeit zwischen Europa und den Ländern des Mittelmeerraums ergeben, werden im Mittelpunkt der Debatten des sechsten „Rendez-vous de la Méditerranée“ – der Jahrestagung des „Cercle des économistes“ und des „Institut de la Méditerranée“ – stehen, die sich mit der sozioökonomischen Entwicklung der Partnerländer befasst. Dieses Forum, an dem die EIB aktiv teilnimmt, findet am 4. Dezember in Marseille statt.

Hinweise an die Redaktion:

Die Europäische Investitionsbank (EIB) setzt die wirtschaftliche und finanzielle Partnerschaft zwischen Europa und den Ländern des Mittelmeerraums konkret durch ihr eigens dafür geschaffenes Instrument – die FEMIP (Investitionsfazilität und Partnerschaft Europa-Mittelmeer) – um. Die FEMIP bündelt sämtliche Instrumente, die für die sozioökonomische Entwicklung der Partnerländer zur Verfügung stehen: Darlehen, Kapitalbeteiligungen, technische Hilfe und Studien. Die FEMIP ist seit Oktober 2002 tätig und heute der wichtigste Akteur für Finanzierungen im südlichen und östlichen Mittelmeerraum, wo sie bislang mehr als 10 Mrd EUR, davon 1,6 Mrd EUR im Jahr 2009, bereitgestellt hat. Zu ihren vorrangigen Zielen zählen die Förderung der Entwicklung des privaten Sektors – vor allem von KMU – in den Ländern dieser Region, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen durch die Finanzierung grundlegender Infrastruktur, die Modernisierung des Finanzsektors und der Umweltschutz. Im Rahmen der Union für das Mittelmeer steuert die EIB mit Hilfe der FEMIP die Umsetzung von drei der sechs vorrangigen in der „Erklärung von Paris“ (13. Juli 2008) formulierten Ziele –  den „Mittelmeer-Solarplan“, die „Eindämmung der Verschmutzung des Mittelmeeres“ und den Bau von „Autobahnen und Meeresautobahnen“. Weitere Informationen hierzu unter  www.eib.org/femip.

Die FEMISE ist ein Netzwerk von 87 Wirtschaftsforschungsinstituten aus 14 Ländern der Europäischen Union und den 10 Partnerländern des Mittelmeerraums. Es befasst sich schwerpunktmäßig mit Fragen, die die sozioökonomische Entwicklung der Mittelmeerländer betreffen. Das Netzwerk wird gemeinsam vom Economic Research Forum in Kairo und vom l’Institut de la Méditerranée in Marseille koordiniert. Weitere Informationen hierzu unter  www.femise.org .

Die Studie wird im Rahmen der Partnerschaft zwischen der FEMIP und der FEMISE durchgeführt, die im März 2006 eingegangen und im Juli 2009 verstärkt wurde. Die Partnerschaft, die aus Mitteln des FEMIP-Treuhandfonds finanziert wird, sieht vor, dass die FEMISE bis 2012 im Namen und in Zusammenarbeit mit der FEMIP mehrere Analysen durchführt. Ferner soll die FEMISE sich an bestimmten Maßnahmen des Centre de Marseille pour l’Intégration en Méditerranée (vgl. www.cmimarseille.org) beteiligen. Auf der Grundlage dieser Partnerschaft beteiligt sich die FEMIP auch an der Festlegung des Arbeitsprogramms der FEMISE.



[1] Die FEMIP ist das Instrument der EIB zur Umsetzung der Ziele der Partnerschaft Europa-Mittelmeer. Die FEMIP operiert in folgenden Ländern: Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Israel, Palästina, Syrien und Libanon.