Wie funktioniert künstliche Intelligenz? KI ist eine Technologie mit enormen Chancen, aber auch großen Risiken. Deshalb muss sie reguliert werden. Wir zeigen, was KI leisten kann

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltechnologie der Zukunft mit scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten. Ihre Befürworter loben ihr Potenzial, nicht nur unser Leben, sondern auch das wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld zu verbessern. Aber es gibt auch Kritiker, darunter prominente Kenner der Materie. Sie weisen auf die Risiken der Technologie hin.

Sind unsere Hoffnungen und Ängste berechtigt? Und wie schneidet die Europäische Union im globalen Rennen darum ab, das Potenzial von KI für den Menschen zu nutzen?

Ich habe darüber mit Darragh Mac Neill gesprochen. Er ist als Branchenexperte bei der Europäischen Investitionsbank auf digitale Technologien spezialisiert.

Was ist KI?

KI ist die Simulation menschlicher Intelligenz in Maschinen. Es gibt recht einfache KI, die als „schwache“ KI bezeichnet wird, und fortgeschrittene, sogenannte „starke“ KI. Künstliche Intelligenz wird bereits viel genutzt, beispielsweise für Suchalgorithmen oder Gesichtserkennung. Fortgeschrittene KI kommt etwa beim autonomen Fahren oder bei Operationsrobotern im Krankenhaus zum Einsatz.

In einigen Bereichen ist die KI bereits so leistungsfähig wie der Mensch. In anderen, etwa bei Spieleanwendungen, ist sie sogar schon besser.

Wie funktioniert KI?

Fortgeschrittene KI braucht enorme Datenmengen. Je mehr Daten und je höher deren Qualität, desto besser das Ergebnis. Aus den Daten kann die Technologie dann bestimmte Merkmale herausziehen und sie einordnen, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Beim maschinellen Lernen braucht die Maschine noch menschlichen Input, damit sie weiß, was sie tun muss. Anders beim Deep Learning. Bei dieser sehr viel komplexeren Form der KI lernt die Maschine selbstständig, Informationen zu extrahieren und einzuordnen.

Nehmen wir zum Beispiel das autonome Fahren. Das Fahrzeug empfängt über Kameras oder Radarsysteme und andere Sensoren Daten darüber, was um es herum passiert. Gleichzeitig überwacht es kontinuierlich eingehende Daten zum eigenen Fahrverhalten. Mithilfe von KI werden diese Daten nun eingeordnet, um zu entscheiden, ob ein Eingreifen nötig ist. Das Fahrzeug erhält eine Rückmeldung, wie es die momentane Verkehrssituation sicher meistert.

Wie weit sind wir von fortgeschrittener KI noch entfernt?

Spekulationen über den künftigen Einsatz von KI sind immer interessant, aber niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, wann es soweit ist. Es gab in der Vergangenheit einen großen Hype um das Thema. Bis fortgeschrittene KI im Alltag ankommt, dauert es sicher noch Jahrzehnte. Einige Anwendungen gibt es allerdings heute schon. So wird KI laut der Weltgesundheitsorganisation oder soggenutzt, um zu verstehen, wie sich die aktuelle Pandemie in einigen Regionen in der Bevölkerung ausbreitet. Die Möglichkeiten dieser Art der Anwendung sind bislang allerdings noch sehr begrenzt.

Am Beispiel des autonomen Fahrens lässt sich gut zeigen, vor welchen Herausforderungen die KI steht. Die Systeme dafür werden bereits seit Langem entwickelt und sind recht komplex, weil sich das Umfeld, in dem sich die Fahrzeuge bewegen, ständig verändert. Autonome Fahrzeuge müssen ähnliche kognitive Fähigkeiten erreichen, wie sie ein Mensch hat. Die Schwierigkeit liegt darin, vorherzusehen, welche Situationen entstehen könnten.

Welche Vorteile bietet KI und wo liegen die Risiken?

KI ist das Ergebnis der ständigen Suche des Menschen nach mehr Sicherheit, mehr Komfort und mehr Fähigkeiten. Sie bietet viel Potenzial: eine höhere Produktivität und ein stärkeres Wirtschaftswachstum, weniger Armut, eine höhere Lebenserwartung durch eine bessere Gesundheitsversorgung.

Das autonome Fahren könnte unser Mobilitätssystem komplett verändern und optimieren: weniger Unfälle, aber auch weniger produzierte Fahrzeuge, was wiederum gut für das Klima wäre.

Führerscheine wären dann überflüssig, und die Fahrzeuge würden besser ausgelastet, weil mehrere Personen sie nutzen könnten. Ungenutzte Fahrzeugflotten oder Leerfahrten von Bussen sorgen für viel Verschwendung im bestehenden System. Autonome Fahrzeuge könnten dagegen bei Bedarf angefordert werden, und anstatt sie zu fahren, könnten wir vom Auto aus einkaufen oder arbeiten und so produktiver werden – mit entsprechenden positiven Folgen für die Wirtschaft.

Was die Risiken angeht, so gibt es viele Klischees und Vorurteile. Viele von uns denken bei KI sofort an einen bedrohlichen, bewaffneten Roboter. Fakt ist aber, dass KI eher diskret im Hintergrund arbeiten dürfte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit Ihnen direkt interagiert, ist gering. Sie wird physisch wahrscheinlich gar nicht groß in Erscheinung treten. Alles, was sie braucht, ist eine Internetverbindung. KI ist außerdem rational und vermutlich nicht in der Lage, menschliche Emotionen wie Liebe, Hass oder Empathie zu zeigen.

Die berechtigte Sorge ist, dass KI in den falschen Händen dazu programmiert werden könnte, etwas Böses zu tun – oder dass sie sich solche Untaten selbst beibringt. Denn KI kann die kognitiven Fähigkeiten des Menschen nicht nur erreichen, sie wird diese letztlich übertreffen und aus eigenen Erfahrungen lernen.

Aber zurück zu unserem autonomen Auto. Angenommen, wir befehlen ihm, uns so schnell wie möglich zum Flughafen zu bringen. Möglicherweise tut es das, indem es Tempolimits überschreitet und Menschen überfährt, oder so, dass uns bei der Fahrt übel wird. Es hätte dann sein Ziel zwar erreicht, aber andere, für einen menschlichen Fahrer wichtige Entscheidungskriterien völlig missachtet.

Einige prominente KI-Kenner mit persönlichen Interessen auf diesem Gebiet warnen vor umstrittenen Anwendungen: Hier geht es dann um autonome Waffen, mögliche Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt, ein wachsendes Vermögensgefälle oder die Gefahren für unsere politische und gesellschaftliche Stabilität.

Diese Risiken können gemindert werden. Das muss aber bereits lange im Vorfeld geschehen. Sicherheitsprotokolle müssen gewährleisten, dass KI nur innerhalb klarer Grenzen entwickelt wird.

Das ist ein weiterer Grund, warum es länger dauert, die Herausforderungen von KI zu bewältigen. Es geht nicht nur um die Nutzung selbst, sondern auch um den Rechtsrahmen: KI muss sicher sein.

Gibt es Regeln für die KI?

Mit KI hat der Mensch zum ersten Mal etwas geschaffen, das intelligenter ist als er selbst. Ein Vergleich mit den bisherigen technischen Entwicklungen hinkt daher, denn etwas, das vielleicht klüger ist und schneller lernt als wir, gab es noch nie.

Regeln sind nötig, wenn es um die Sicherheit der KI geht. So brauchen wir bei der KI-Entwicklung Sicherheitsprotokolle, die dafür sorgen, dass negative Szenarios verhindert werden. Wir müssen in der Lage zu sein, Grenzen zu setzen und brauchen entsprechende Standards, damit KI seine Ziele erreicht – das aber unter Beachtung von Entscheidungsmaßstäben, die ein Mensch nach bestem Wissen und Gewissen anlegen würde. Wir müssen jetzt schon über einen Sicherheitsrahmen für KI nachdenken, damit er weitgehend ausgereift ist, wenn die ersten Anwendungen verfügbar werden. Hier gilt es vor allem sicherzustellen, dass unsere Ziele mit denen der KI übereinstimmen.

Derzeit gibt es einen globalen Wettlauf um die KI-Vorherrschaft, bei dem die USA und China die Nase vorn haben. Die Europäische Union fällt dagegen zurück. Zwar hat die Europäische Kommission vor Kurzem ein Weißbuch über KI veröffentlicht, was sehr hilfreich ist. Aber in puncto Investitionen liegen wir immer noch weit hinter den beiden KI-Supermächten zurück.

Jedes Land hat seine eigenen Regeln und Ziele und sieht den Stellenwert des Sicherheitsrahmens anders. Aber all das soll einmal zu einem globalen Standard zusammengeführt werden.

An welchen KI-Projekten beteiligt sich die Europäische Investitionsbank?

Wir konzentrieren uns natürlich auf Anwendungen, von denen Umwelt und Gesellschaft profitieren. Wir haben etwa mit dem Unternehmen Winnow zusammengearbeitet, dessen KI-System die Lebensmittelabfälle in Großküchen reduziert.

Wir finanzieren hauptsächlich die Forschung und Entwicklung, denn in diesem Bereich kommen die Unternehmen nur schwer an Mittel heran. Wir wollen KI-Anwendungen zu einer größeren Reife bringen. Das ist normalerweise der Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung.

Werden sich die Maschinen eines Tages gegen uns wenden?

Wir sollten hier optimistisch sein. Unser Ziel ist nicht, dass KI den Menschen ersetzt, sondern dass sie seine Fähigkeiten ergänzt. Solange Mensch und Maschine die gleichen Ziele verfolgen, bietet uns künstliche Intelligenz Entwicklungsmöglichkeiten wie noch keine andere Technologie zuvor.