• EIB erwartet, dass die kommenden sechs Monate zeigen werden, wie sich das Kreditgeschäft bei strengeren Konditionen und einem potenziellen Anstieg der Problemkredite behauptet
  • Tochterinstitute in Mittel-, Ost- und Südosteuropa arbeiten weiterhin rentabler als die Gruppen selbst
  • Tschechische Banken erwarten qualitative Verschlechterung der Kreditanträge und weiter rückläufige Kreditvergabe
  • Rasch steigende Zinsen und der Ukrainekrieg haben die Risikobereitschaft und die Kreditnachfrage, insbesondere nach Hypotheken, in Tschechien weiter gedämpft

Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Bank der Europäischen Union, hat ihre Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (CESEE Bank Lending Survey) veröffentlicht. Die Umfrage gibt einen Überblick über den Bankensektor sowie über die Kreditnachfrage, das Kreditangebot und die Kreditqualität in der Region. Sie stützt sich auf im September 2022 erhobene Daten und skizziert die voraussichtliche Entwicklung des EU-Bankensektors in den nächsten sechs Monaten.

Der gestiegene Liquiditätsbedarf der Unternehmen und die höhere Nachfrage der Haushalte nach Hypothekarkrediten führten zu einer Zunahme der Kreditanträge in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. In den kommenden sechs Monaten erwarten die Banken einen weiteren, wenn auch moderateren Anstieg der Gesamtkreditnachfrage, hauptsächlich weil Firmen ihren Betriebskapitalbedarf decken müssen. Die von der EIB befragten Banken rechnen mit einem Rückgang bei den Anlageinvestitionen und im Privatkundengeschäft, auch bei Verbraucherkrediten und Hausdarlehen.

EIB-Vizepräsidentin Lilyana Pavlova: „Wer die Wirtschaftsentwicklung verstehen und die Finanzierungsbedingungen in der Europäischen Union gut einschätzen will, braucht eine Umfrage wie diese, die über die Lage der Banken informiert. Dank der Arbeit der Ökonominnen und Ökonomen der EIB haben wir einen guten Überblick über das Geschäftsumfeld in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Auf dieser Grundlage können wir der Region die notwendige Finanzierung zur Verfügung stellen, um adäquat auf die Bedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft einzugehen.“

Debora Revoltella, Chefvolkswirtin der EIB: „Trotz der trüben wirtschaftlichen Erwartungen melden Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa erneut einen guten Zugang zur Refinanzierung. Zu verdanken ist das einem anhaltend positiven Trend bei den Einlagen von Privat- und Firmenkunden. Mit Blick in die Zukunft erwarten die Banken angesichts sich weltweit verschärfender Rahmenbedingungen strengere Kreditkonditionen und bereiten sich auf einen potenziellen Anstieg von Problemkrediten vor.“

Ergebnisse der EIB-Umfrage 2022 zum Kreditgeschäft der Banken in der Tschechischen Republik

Alle in der Tschechischen Republik tätigen Mutterbanken sehen im Bankenmarkt des Landes ein hohes oder mittleres Potenzial und daher keinen Grund, ihre Einschätzung in Bezug auf ihre Marktpositionierung und das Marktpotenzial zu ändern.

Diese Banken arbeiten in der Tschechischen Republik rentabler als die Gruppe selbst. In den letzten sechs Monaten haben jedoch die rasch steigenden Zinsen und der Ausbruch des Ukrainekriegs die Risikobereitschaft gedämpft und die Kredite auf dem tschechischen Markt verteuert. Der Anstieg der Inflation veranlasste die tschechische Nationalbank, ihren Repo-Satz weiter zu erhöhen. Im Juni 2022 lag er bei 7 Prozent.

Während die Banken im Großen und Ganzen keine Veränderung der Gesamtkreditnachfrage meldeten, gab es zwischen den Marktsegmenten erhebliche Unterschiede. Alle befragten Banken verzeichneten eine rückläufige Nachfrage nach Hypothekarkrediten und mehrheitlich eine steigende Kreditnachfrage von Großunternehmen.

Durch die Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage verringerte sich das Kreditangebot in allen Produktgruppen. Fast alle befragten Banken reduzierten ihr Angebot an Hypothekarkrediten. Die Banken stellten insgesamt eine Verschlechterung der Qualität der Kreditanträge fest und rechnen damit, dass sich dieser Trend in den nächsten sechs Monaten fortsetzt.

Der Großteil der Banken wird voraussichtlich das Kreditangebot in den meisten Produktgruppen weiter reduzieren, mit Ausnahme von Hypothekarkrediten.

Die meisten Banken in der Tschechischen Republik erwarten eine Zunahme der Problemkredite und damit eine Umkehrung der rückläufigen Entwicklung der letzten sechs Monate. Der Zugang zu Refinanzierungsmitteln scheint sich für tschechische Banken nicht wesentlich verändert zu haben. Die Refinanzierungsbedingungen sind nach wie vor günstig, da die meisten Banken in den letzten sechs Monaten leichten Zugang zu Privatkundeneinlagen hatten. Die Banken konnten sich bereits weitgehend über das stabile inländische Einlagengeschäft refinanzieren.

Deutliche Verschlechterung des Kreditangebots in Mittel-, Ost- und Südosteuropa

Beim Kreditangebot, also der Kreditvergabebereitschaft der Banken, erwarten die Banken in den kommenden sechs Monaten eine deutliche Verschlechterung der Konditionen. Vor allem auf dem Hypothekenmarkt verschärften sich die Kreditanforderungen, insbesondere wegen des Ukraine-Kriegs, des Anstiegs der Inflation und Zinsen und der allgemeinen Konjunkturabschwächung in den Ländern. Damit wird also eine hohe Nachfrage auf verschärfte Konditionen auf der Angebotsseite treffen.

Mutterbanken: Optimistischer Ausblick

Grenzüberschreitend tätige Bankengruppen sehen Marktpotenzial im größten Teil von Mittel-, Ost- und Südosteuropa, vor allem in Rumänien und Tschechien Das liegt hauptsächlich daran, dass die Töchter in Mittel-, Ost- und Südosteuropa rentabler arbeiten als die jeweilige Gruppe selbst, außer in Polen.

Ihre langfristige Strategie lässt erkennen, dass grenzüberschreitend tätige Bankengruppen ihr Geschäft in der Region zuversichtlich beurteilen: Über die Hälfte beabsichtigt, es auf dem aktuellen Niveau weiter zu betreiben, und fast ein Drittel will es selektiv ausbauen. Allerdings signalisierten zehn Prozent der Bankengruppen (gegenüber null in der letzten Umfrage), dass sie ihr Geschäft in der Region selektiv zurückfahren wollen. Ungeachtet der Unsicherheit und wachsenden Risiken haben die meisten internationalen Bankengruppen weiterhin Vertrauen in das Potenzial der Region.

Hintergrundinformationen

Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB

Die Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB befasst sich mit Wirtschaftsforschung und volkswirtschaftlichen Studien. Außerdem untersucht sie die Investitionstätigkeit in der Europäischen Union und anderen Regionen. Sie unterstützt damit die Bank bei ihrer Arbeit und Positionierung und bei der Festlegung ihrer Strategien und Leitlinien. Das 40-köpfige Team der Hauptabteilung wird von Chefvolkswirtin Debora Revoltella geleitet.

CESEE Bank Lending Survey

Die Umfrage der EIB zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (CESEE Bank Lending Survey) ist eine halbjährliche Befragung von rund 15 internationalen Bankengruppen und 85 Tochter- oder unabhängigen Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Sie erhebt Daten zu Kreditanforderungen und -konditionen und zu den verschiedenen Einflussfaktoren im Inland und international. Auch die Kreditnachfrage wird untersucht. Die Umfrage enthält konkrete Fragen zur Kreditqualität und zu den Refinanzierungskonditionen der Banken. Damit kann ein Datenbestand aufgebaut werden, mit dem sich der Zustand des Bankensektors in Mittel-, Ost- und Südosteuropa nahezu in Echtzeit beurteilen lässt. Die Umfrage wurde von der Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB entwickelt und ist Teil einer Berichtsreihe der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank für die Wiener Initiative.

Erfahren Sie mehr über unsere Umfragen