Am 9. November 2012 fand in Brüssel die fünfte Plenarsitzung der Koordinationsinitiative europäischer Banken (European Bank Coordination Initiative – „Wiener Initiative") statt. *

Olli Rehn, Vizepräsident der Europäischen Kommission, die Gastgeber der Veranstaltung war, begrüßte die Teilnehmer: „Wir wandeln die aus der Krise gewonnenen Erfahrungen in praktische Lösungen um.  Die im Hinblick auf eine Gesundung des Bankensektors, das Krisenmanagement und die Bankenunion notwendigen Maßnahmen beeinflussen die Beziehungen zwischen den Behörden der Heimat- und der Gastländer der Banken. Hier bietet die Wiener Initiative Unterstützung, indem sie eine Koordinationsplattform schafft und die Stimme der Gastländer stärkt."

Marek Belka, Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Wiener Initiative und Präsident der polnischen Zentralbank, hob hervor, dass die innerhalb der Eurozone gefassten Beschlüsse auch die Interessen der nicht der Eurozone beigetretenen Länder berücksichtigen müssen. Er wies mit Nachdruck darauf hin, dass Maßnahmen, die von den Behörden eines Landes ergriffen werden, nicht zu einer Instabilität in einem anderen Land führen sollten und dass die Bankenunion nicht nur finanzielle Stabilität fördern, sondern auch gleiche Rechte und Pflichten für alle Beteiligten gewährleisten sollte. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Übertragung von Aufsichtsbefugnissen und der Verantwortung für Finanzstabilität sollte gewahrt werden.

Moderater Abbau der Risikoaktiva wird fortgesetzt, jedoch mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern

Gemäß den von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kürzlich veröffentlichten Daten und den Ergebnissen einer von der Wiener Initiative selbst durchgeführten Umfrage zum Bankensektor, deren Ergebnisse in der Sitzung präsentiert wurden, haben die westlichen Banken ihre Darlehensaktivitäten in Mittel- und Südosteuropa weiter verringert. Die Umsetzung dieser Maßnahme erfolgte langsam, jedoch im 2. Quartal 2012 etwas schneller als im 1. Quartal 2012 [Deleveraging Monitor]. Die kumulative Verringerung der Finanzierungen in der Region (ohne Russland und Türkei) entspricht 4% des BIP seit Mitte 2011, wobei mehrere Länder wesentlich stärker betroffen waren. Dabei gibt es in Abhängigkeit von den lokalen Bedingungen große Unterschiede zwischen den jeweiligen Ländern. Gleichzeitig ist das Kreditwachstum zum Stillstand gekommen. Die Verknappung des Kreditangebots hat dabei eine Rolle gespielt, jedoch sind zurzeit auch die Auswirkungen der schwachen Kreditnachfrage spürbar. Es wurde hervorgehoben, dass die Einschränkungen auf der Angebotsseite auf nationalen und internationalen Faktoren basieren. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Verknappung der Finanzierungen Teil der Bemühungen der Muttergesellschaften um eine Diversifizierung der Refinanzierungsquellen und einen verstärkten Rückgriff auf verlässliche lokale Mittelquellen ist. Die Entwicklung lokaler Kapitalmärkte wird in diesem Zusammenhang als besonders wichtig erachtet. Insgesamt muss die Verringerung der Finanzierungen unbedingt in geordneter Weise erfolgen.

Ein innovativer Rahmen für die Stabilität der Gastländer

Zur praktischen Anwendung der in der Wiener Initiative verankerten Grundsätze hinsichtlich eines Dialogs zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor veranstaltete die kroatische Zentralbank  Ende Oktober ein innovatives transnationales Forum, das sich mit den Gastländern befasste. An diesem Forum nahmen leitende Angestellte der wichtigsten kroatischen Banken und ihrer Muttergesellschaften sowie Vertreter der Regulierungsbehörden der Heimatländer, der kroatischen Aufsichtsbehörde und der IFI teil. Sie diskutierten Fragen im Zusammenhang mit dem Bankensystem, das im Wesentlichen von Bankengruppen der Eurozone kontrolliert wird. Die konstruktiven und offenen Diskussionen haben zu einem besseren Verständnis von grenzüberschreitenden Spill-over-Effekten und ihren Auswirkungen auf das kroatische Finanzsystem beigetragen. In der Plenarsitzung wurde darauf hingewiesen, dass die Behörden anderer Gastländer möglicherweise den Wunsch haben, ähnliche Plattformen zu schaffen, um transnationale Interessen- und Anspruchsgruppen in ihre systemrelevanten Finanzinstitutionen zu integrieren.

Die Gastländer sollten mehr Einflussmöglichkeiten bei der Bankenabwicklung haben

Die Teilnehmer der Plenarsitzung erörterten die Entwürfe der EU-Richtlinien in Bezug auf die Gesundung des Bankensektors und die Bankenabwicklung und kamen zu dem Schluss, dass die Gastländer in allen Angelegenheiten, die ihre Finanzstabilität betreffen, ein klares und eindeutiges Mitspracherecht haben sollten. Sie hielten es insbesondere für dringend erforderlich, die Auswirkung der von den Heimatländern ergriffenen Maßnahmen auf die Gastländer zu berücksichtigen. Die Teilnehmer hoben die Notwendigkeit hervor, die Behörden der Gastländer stärker in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen, die die Maßnahmen zur Überwachung und Abwicklung betreffen, und ihre Rechte und Pflichten zu identifizieren. Zahlreiche Teilnehmer legten Nachdruck darauf, dass die makroprudenziellen Instrumente auf nationaler Ebene belassen werden sollten. Hinsichtlich des vorgeschlagenen Rahmens für die Bankenunion hoben die Teilnehmer der Plenarsitzung hervor, dass die rasche Schaffung einer vollständigen Bankenunion für ganz Europa von Vorteil wäre. Viele Teilnehmer würden es begrüßen, wenn die Bedingungen für eine Beteiligung an von Nicht-Euro-Staaten an der Bankenunion („Opting in") verbessert würden, und zwar sowohl im Hinblick auf die Zuständigkeiten als auch in Bezug auf den Zugang zu Back-up-Fazilitäten. 

Die Abwicklung notleidender Darlehen beschleunigen

Die Teilnehmer stellten fest, dass die umfangreichen notleidenden Darlehen in einigen europäischen Schwellenländern ein Hindernis für neue Finanzierungen und letztlich zur Rückkehr auf den Wachstumspfad darstellen. Im Anschluss an den kürzlich von der Arbeitsgruppe der Wiener Initiative veröffentlichten Bericht über notleidende Darlehen sind in mehreren Ländern Seminare zur Umsetzung der Maßnahmen organisiert und Programme zur Lösung der Frage der notleidenden Darlehen ausgearbeitet worden. In der Plenarsitzung wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Umsetzung auf sämtliche Länder auszuweiten, in denen sich notleidende Darlehen in erheblichem Umfang nachteilig auf die Bilanzen der Banken auswirken.

Der neue gemeinsame Aktionsplan der IFI für Wachstum wurde begrüßt

Die Teilnehmer begrüßten den kürzlich von der EIB, der Weltbank-Gruppe und der EBWE  angekündigten gemeinsamen Aktionsplan der IFI für Erholung und Wachstum in Mittel- und Südosteuropa. Die von den drei Institutionen für den Zeitraum 2013-14 zugesagten Mittel von mehr als 30 Mrd EUR dürften dazu beitragen, die Ziele der Wiener Initiative 2.0 in den betreffenden Ländern zu erreichen.

Der Lenkungausschuss für die Wiener Initiative 2.0 freut sich, die neue Website www.vienna-initiative.com anzukündigen. Auf dieser Website können Informationen zur Initiative einschließlich Arbeitsgruppen, Unterlagen, Forschungsergebnissen und Angaben zu kommenden Veranstaltungen abgerufen werden.


* An der Sitzung nahmen Vertreter von Regulierungsinstanzen für den Bankensektor, Zentralbanken und Steuerbehörden der Gastländer (europäische Schwellenländer und Länder, in denen große internationale Bankengruppe, die in dieser Region tätig sind, ihren Sitz haben) sowie Mitarbeiter der Europäischen Kommission, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Europäischen Investitionsbank, des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank-Gruppe teil. Die Europäische Zentralbank (EZB), der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und das Financial Stability Board (FSB) waren als Beobachter vertreten.