Die Compagnie Agricole de Saint Louis führt in Senegal ein wegweisendes Projekt durch: Sie errichtet alle nötigen Anlagen, um auf riesigen Feldern im Flussdelta des Senegal Reis anzubauen. Dies schafft bessere Bedingungen für die ortsansässigen Bauern und zahlreiche Arbeitsplätze. Die Lebensumstände verbessern sich bereits.

„Ich habe 14 Jahre lang weit entfernt von hier gearbeitet. In der Zeit habe ich meine Familie nur einmal im Jahr gesehen.“

Reis ist für das Land lebenswichtig. Das Getreide ist Grundnahrungsmittel - nicht nur für Senegal, sondern für ganz Westafrika. Doch während der Verbrauch ständig steigt, ist der Anbau begrenzt. Die Bevölkerung wächst rasch und der durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 100 Kilogramm Reis. Senegal importiert bis zu 80 Prozent des landesweiten Reisbedarfs aus dem Ausland. Das Getreide steht bei den nationalen Ausgaben für Einfuhren an zweiter Stelle, direkt hinter Kraftstoffen.

Die Compagnie Agricole de Saint Louis (CASL) will dazu beitragen, dieses Problem zu beheben. Reis soll künftig großflächig im Flussdelta des Senegal angebaut werden. Sie nutzt vorhandenes Ackerland und schafft so die notwendigen Voraussetzungen, um bis zu 60 000 Tonnen Reis pro Jahr zu mahlen und zu lagern. Neben dem Anbau wird die CASL auch Rohreis von lokalen Bauern ankaufen und Einheimische für den Betrieb und die Instandhaltung der großen Farm und der Reismühlen einstellen. Es handelt sich um ein ehrgeiziges Vorhaben mit enormen Herausforderungen. Reispflanzen sind nun einmal Lebewesen. Der Reisanbau ist somit nicht mit der Herstellung von Waren in einer Fabrikanlage vergleichbar. „Wir sind Wind und Regen ausgesetzt“, erklärt Laurent Nicolas, CEO der CASL. „Unsere Fabrik hat sozusagen kein Dach und keine Wände. Der Reisanbau an sich ist bereits ein schwieriges Unterfangen. Und in diesem Umfang sind die organisatorischen und logistischen Anforderungen besonders hoch.“

Laurent Nicolas, CEO der CASL

Laurent Nicolas, CEO der CASL

Das Projekt ist noch nicht voll im Gange und hat noch nicht die gewünschte Kapazität erreicht. Dennoch wirkt es sich bereits jetzt positiv auf die Umgebung aus. Die neue Bewässerungsinfrastruktur ermöglicht es den ortsansässigen Bauern, Reis auf Flächen anzubauen, die vorher unter Wassermangel litten. Außerdem können zwei Reisernten pro Jahr eingeholt und mit den Anlagen auch andere Getreidearten bewässert werden. Das Projekt sieht auch den Anbau von Obstbäumen vor, die von den Dörfern genutzt werden können. Ein Aufforstungsprogramm sorgt überdies für eine zuverlässige Brennholzversorgung. Damit wird der Verlust einiger Büsche und Bäume im Rahmen des Gesamtprojekts ausgeglichen.

Bauer Djibi Seye, der Dorfälteste im nahegelegenen Diadiam 3, redet Klartext. Er erfährt den Nutzen des Projekts aus erster Hand: „Als wir vor einigen Jahren mit der Landwirtschaft begannen, hatten wir maximal 30 Hektar und nur unregelmäßigen Zugang zu Wasser. Mittlerweile haben wir 70 Hektar für die kommende Erntesaison erschlossen. Durch unsere Beziehung zur CASL kann effizient und vor Ort angebaut werden. Das war vorher nicht der Fall. Das Projekt ist also für beide Seiten vorteilhaft.“


Bauer Djibi Seye, der Dorfälteste im nahegelegenen Diadiam 3

Bauer Djibi Seye, der Dorfälteste im nahegelegenen Diadiam 3

Kleinbauern empfinden gegenüber größeren Agrarunternehmen häufig Unbehagen. In diesem Fall jedoch nicht. „Mein Dorf konnte selbst entscheiden, ob es mit der CASL zusammenarbeiten möchte“, erklärt Herr Seye. „Sie stellten sich uns ordnungsgemäß vor. Der Nutzen für uns selbst und auch für die CASL liegt klar auf der Hand. Diadiam 3 arbeitet vollkommen freiwillig mit der CASL zusammen. Bei anderen Projekten dieser Art ist das nicht immer der Fall. Dieses Unternehmen gibt der lokalen Bevölkerung jedoch Arbeitsplätze, Hoffnung und Sicherheit. Wenn dem nicht so wäre, würde ich Ihnen das sagen, das können Sie mir glauben.“

Zuvor war das Dorf ein Notstandsgebiet, und dies aus gutem Grund. Diadiam 3 hat mit Altlasten zu kämpfen. Nahrungsmittel sind für das Dorf überlebenswichtig. „Wir lebten vom Fischfang“, erzählt Herr Seye weiter. „Der Fischbestand hat sich jedoch durch invasive Pflanzen stark reduziert.“ Der Senegal wurde – wie so viele andere Flüsse in Westafrika und anderen Ländern – Opfer eines übermäßigen und wuchernden Bewuchses von Unkraut sowie von Wasserhyazinthen und -farnen. Diese verdrängten die einheimische Flora und Fauna.

Im Rahmen des CASL-Projekts wird Reis so schonend wie möglich angebaut. Die Felder werden eingeebnet, um eine effiziente Wassernutzung sicherzustellen, das Bewässerungswasser wird ordnungsgemäß abgeleitet. Außerdem wird ein Aufforstungsprogramm umgesetzt. Dünger und Pestizide werden in Einklang mit guten landwirtschaftlichen Praktiken nur minimal eingesetzt.

Das Projekt steht erst am Anfang. Obwohl es als riskant einzustufen ist, glaubt Laurent Nicolas fest daran. Er hat die Hoffnung, dass sich dieses Modell in Zukunft wiederholen lässt. „Jede landwirtschaftliche Wertschöpfungskette braucht einen Vorkämpfer“, erklärt er. „Ohne einen, der die Sache in die Hand nimmt, gestaltet sich die Verbesserung des Produktionsniveaus sehr schwierig. Ein solch umfangreiches Vorhaben wäre ohne die Finanzierungsbeiträge von Partnern wie der EIB und der AfDB nicht möglich gewesen. Beide stellten ein Darlehen von jeweils 15,7 Millionen Euro bereit. Wir setzen alles daran, damit unser Projekt funktioniert. Und wir würden es gerne woanders wiederholen.“

Die CASL ermöglicht etwas noch nie Dagewesenes. Sie trägt dazu bei, Arbeitsplätze im Gebiet rund um Saint Louis zu schaffen. Dies wiederum überzeugt die Einheimischen, dass sie selbst etwas bewirken können. Und das gibt ihnen Hoffnung. Es ist genau diese Art von Entwicklungseffekt, den die EIB unbedingt mit ihren „Impact Financing“-Mitteln unterstützen will. Das Projekt möge mit höheren Risiken verbunden sein, doch es übt auch eine Signalwirkung aus, da es zu einer sicheren Nahrungsmittelversorgung, zur Verringerung der Armut in ländlichen Gebieten und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. „Ich denke, wir können alle stolz sein. Ich zumindest bin es. Wir versorgen Senegal mit Nahrungsmitteln und geben dem Land mehr Sicherheit. Das ist keine leichte Aufgabe, aber Mut zahlt sich aus“, meint Herr Nicolas lächelnd.

„Das Unternehmen arbeitet mit den Menschen vor Ort zusammen, was ich sehr erfreulich finde“, so Djibi Seye. „In unserem Dorf geben sie sich echt Mühe. Es handelt sich nicht nur um eine rein wirtschaftliche, sondern allmählich auch um eine gesellschaftliche Zusammenarbeit. Landflucht ist für unsere Dorfbewohner keine Option mehr.“

Genau das Gegenteil könnte eintreten, auch wenn es für eine solche Aussage eigentlich noch zu früh ist: „Ich habe 14 Jahre lang weit entfernt von hier gearbeitet. In der Zeit habe ich meine Familie nur einmal im Jahr gesehen. Nun bin ich zurück und arbeite für die CASL“, erzählt Michel Lo, der für den Grabenaushub zuständig ist. „Jetzt habe ich endlich ein Familienleben. Ich sehe meine Lieben jeden Tag und kann mich um sie kümmern.“ Die persönliche Geschichte von Herrn Lo verdeutlicht die Idee, die hinter dem Projekt steckt. Die Reisindustrie gibt den Einheimischen Möglichkeiten, die es vorher überhaupt nicht oder zumindest nicht in dieser Form gab.

Michel Lo ist bei der CASL für den Grabenaushub verantwortlich

Michel Lo ist bei der CASL für den Grabenaushub verantwortlich

Er ist nicht der Einzige, der zurückkommt, weil sich ihm bessere Chancen bieten. Und die CASL steht erst am Anfang. Es gibt in Senegal noch viel vor Ort zu tun und es gibt enorm viel Potenzial für weitere Projekte dieser Art in Afrika. „Wenn sie mit diesem Tempo und Rhythmus fortfahren und mit uns auf diese Weise weiter zusammenarbeiten, dann sehe ich nur Vorteile für uns alle“, sagt Djibi Seye. „Wir haben ein Sprichwort in Wolof: Wenn der Topf gut riecht, wird das Essen wahrscheinlich auch gut schmecken.“