Bevor wir neue Roboter für die Zukunft entwickeln, müssen wir dafür eine ethische und gesellschaftliche Grundlage finden, sagen Experten.

Schon in Zeiten der industriellen Revolution wurde befürchtet, dass die Technik den Menschen eines Tages ersetzt. Durch die jüngsten Fortschritte bei künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen wächst nun die Angst, dass Roboter zu Massenarbeitslosigkeit führen und die Menschenrechte untergraben könnten.

Nach Ansicht von Technologie- und Innovationsexperten könnte ein Ethik-Kodex für Roboter dazu beitragen, die automatisierte Zukunft positiver zu sehen.

„Roboter und Menschen müssen zusammenarbeiten“, erklärte Alexander Stubb, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank und ehemaliger finnischer Ministerpräsident, im Dezember bei einer Podiumsdiskussion in Brüssel. „Statt von Robotern sollten wir eher von Kobots reden.“

Ein kollaborativer Roboter – kurz Kobot – ist ein Roboter, der mit Menschen in einem gemeinsamen Arbeitsbereich interagiert. Roboter arbeiten hingegen autonom.

Das Problem sind also nicht die Roboter. Vielmehr haben wir möglicherweise eine falsche Vorstellung davon, welche Rolle sie einmal spielen werden.

„Wir denken, Roboter handeln mit Absicht und wollen uns die besten Arbeitsplätze wegnehmen. Aber das stimmt nicht“, betont Aimee van Wynsberghe, Professorin für Ethik und Technologie in den Niederlanden und auf verantwortungsvolle Robotik spezialisiert.

Nach Ansicht von Wynsberghe müssen sich Führungskräfte aus dem privaten und öffentlichen Sektor mit den zahlreichen ethischen und gesellschaftlichen Fragen befassen, die sich durch die rasante Entwicklung von Roboteranwendungen ergeben.

Von Robotern und Technologien geht keine Bedrohung aus, solange der Mensch darüber entscheidet, ob Roboter in Bereichen wie Medizin, Bildung oder Militär eingebunden werden sollen.

„Wir dürfen Roboter niemals über Leben und Tod entscheiden lassen“, so Wynsberghe. „Roboter dürfen weder als Arzt noch als Soldat eingesetzt werden und auch nicht als Lehrer.“

Innovationsforum in Brüssel

Die Podiumsdiskussion über die Zukunft der Arbeit und die Rolle von Robotern fand im Rahmen des ersten Global Investment Forum von Financial Times und EIB in Brüssel statt. Auf dem ganztägigen Forum mit Diskussionen und Vorträgen trafen sich öffentliche und private Entscheidungsträger aus der ganzen Welt, um zu erörtern, wie sich Technologie und Innovation inklusiver gestalten lassen – also wie Innovationen größeren Gruppen der Gesellschaft zugutekommen können.

Ann Mettler, Leiterin des Europäischen Zentrums für politische Strategie (EPSC) bei der Europäischen Kommission, befürchtet, dass Arbeitsplätze nicht wegen moderner Technologie, sondern wegen unzureichender Qualifizierung verloren gehen.

„Die zentrale Herausforderung besteht darin, die Menschen auf Arbeitsplätze vorzubereiten, die noch nicht existieren, und sie an Kompetenzen heranzuführen, von denen wir bisher nicht einmal wissen, dass wir sie brauchen werden“, so Mettler. „Die Beschäftigungsquoten in Europa steigen, weil durch Technologie neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen.“

Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), des weltweit größten Gewerkschaftdachverbands, erklärte in ihrem Vortrag, dass sich der IGB keine Sorgen über den technologischen Fortschritt macht, solange es Grenzen gibt. Wie Wynsberghe beharrt sie darauf, dass der Mensch im Mittelpunkt der industriellen Prozesse stehen muss.

„Es muss Grenzen geben, welche Art von Technologie wir akzeptieren“, so Burrow. „Roboter dürfen dem Menschen nicht die Entscheidungsmacht abnehmen. Das wäre ein fataler Fehler.“

Am Körper tragbare Roboter

Ein Roboter, der nach Ansicht einiger Diskussionsteilnehmer für viele Menschen akzeptabel sein müsste, ist das künstliche Exoskelett. In der Robotik bezeichnet das Exoskelett eine tragbare Maschine, durch die der Mensch seinen Körper stärker und länger belasten kann und weniger verletzungsgefährdet ist.

Die Diskussionsteilnehmer forderten, dass eine heterogene Gruppe von Personen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft „einen neuen Ethik-Kodex“ für Technologie entwickelt. Die Gruppe soll darüber diskutieren, wie Computerprogramme geschrieben werden, und noch in der Planungsphase ermitteln, welche Auswirkungen Roboter auf Arbeitsplätze und Gesellschaft haben werden. Das wäre besser, als sich erst nach der Entwicklung der Technologie mit solchen Fragen zu beschäftigen.

„Vordenker müssen sich mit den zahlreichen ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen befassen, die sich derzeit durch die rasche Entwicklung von Roboteranwendungen ergeben“, so Technologie- und Ethikexpertin Wynsberghe. „Wir müssen die Öffentlichkeit über die neuesten Entwicklungen in der Robotertechnik informieren und einen offenen Dialog über die Zukunft von Robotern in unserer Gesellschaft ermöglichen.“