Für die EIB ist Quasi-Eigenkapital ein wichtiges Instrument, um die Investitionsoffensive für Europa umzusetzen.

Moderne Unternehmen achten auf ihre CO2-Bilanz. Viele würden deshalb ihre Energie gern selbst aus erneuerbaren Quellen erzeugen. In Großstädten ist Platz jedoch ein knappes Gut – die Frage nach einem Windpark vor der Liverpool Street Station in London erübrigt sich genauso wie die nach einem Solarpark in der Bürostadt La Défense am Rande von Paris.

Die Heliatek GmbH, eine Ausgründung der Technischen Universität Dresden, hat sich dieses Problems angenommen. Sie hat eine Folie entwickelt, die auf vertikalen Flächen von Gebäudefassaden aufgebracht wird und Sonnenlicht in Strom umwandelt.

Doch das Projekt will finanziert werden.

Auch hierfür gibt es eine Lösung: Eine Quasi-Eigenkapital-Finanzierung über 20 Millionen Euro der Europäischen Investitionsbank.

Dies ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Finanzexperten der EIB haben jahrelang getüftelt, wie die Bank innovativen neuen Unternehmen Geld zur Verfügung stellen kann, ohne dass diese sich anschließend mehr auf die Rückzahlung der Schulden konzentrieren müssen als auf den Aufbau ihres Geschäfts.

Quasi-Eigenkapital-Finanzierungen gehören bereits seit einigen Jahren zum Werkzeugkasten der EIB, allerdings nur in geringem Umfang. Mit der Investitionsoffensive für Europa hat sich dies jetzt geändert: Quasi-Eigenkapital-Finanzierungen sollen für die Bank ein wichtiges Instrument werden, um risikoreichere Vorhaben von Unternehmen, die die EIB bislang nicht fördern konnte, auszuweiten.

„Wir beginnen aktuell, uns mit kleinen, sehr risikoreichen und hochinnovativen Dingen zu befassen“, erklärt Adrian Kamenitzer, Direktor für Eigenkapital, neue Produkte und besondere Operationen bei der EIB. „Die EIB muss sich auf diese neue Art von Projekten einstellen, damit diese ihr volles Potenzial entfalten können.“

EFSI unterstützt Quasi-Eigenkapital-Finanzierungen

Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) der Investitionsoffensive für Europa soll die Finanzierung innovativer Unternehmen unterstützen. Der Grund: Geschäftsbanken stufen solche Projekte tendenziell als zu riskant ein, weil sie noch nicht erprobt sind. Aber neue Ideen müssen eine Chance erhalten, sonst wird Europa abgehängt. Die EIB betritt mit diesen Finanzierungen neues Terrain und wird dabei dennoch ihrer historischen Rolle gerecht – sie schließt Marktlücken.

Sie fasst Geschäfte, die mit einem höheren Risiko eingehen, unter den sogenannten „Sonderaktivitäten“ zusammen. Die Bank will diese Sonderaktivitäten 2017 ausweiten und dazu die Verfahren für Quasi-Eigenkapital-Instrumente und andere neue Strukturen vereinfachen. Der Abteilung Wachstumskapital und Innovationsfinanzierung der EIB liegen bereits 1 000 Anträge innovativer Unternehmen vor. Bis Mitte 2018 will die Bank eine Milliarde Euro für derartige Geschäfte bereitstellen.

„Wir erleben eine spannende Zeit und arbeiten mit neuen Kunden, die bislang nicht für Darlehen der EIB infrage kamen“, erläutert Abteilungsleiter Hristo Stoykov. „Unsere Gegenüber sind innovative Unternehmen. Wir haben es wesentlich dem Quasi-Eigenkapital-Produkt zu verdanken, dass wir nun mit solchen Kunden zusammenarbeiten können.“

Finland’s Canatu got quasi-equity financing for its flexible screens.

Canatu (Finnland) nutzte Quasi-Eigenkapital-Instrumente für eine Folie für faltbare Bildschirme.

So funktioniert Quasi-Eigenkapital

Das Quasi-Eigenkapital-Produkt der EIB ist einzigartig am Markt. Die Bank möchte damit eine Marktlücke schließen, die etwa 2 500 mittelgroße europäische Unternehmen mit einem Finanzierungsbedarf zwischen zehn Millionen Euro und 17 Millionen Euro betrifft. Und so funktioniert es:

Die EIB stellt einem innovativen Unternehmen ein langfristiges Darlehen zur Verfügung. Eine gleichmäßige Tilgung des Darlehens würde die Firmenkasse genau in dem Moment belasten, in dem Investitionen in Forschung und Entwicklung oberste Priorität haben. Die Alternative – eine Eigenkapitalfinanzierung – würde hingegen unweigerlich eine Verwässerung des Ertrags derjenigen nach sich ziehen, die die Risiken der Frühphasenfinanzierung übernommen haben.

Durch Quasi-Eigenkapital-Instrumente erhält das Unternehmen also Risikokapital ohne Verwässerungseffekt. Die Vergütung hängt vom Unternehmenserfolg ab – wie bei Eigenkapital.

Die ersten Quasi-Eigenkapital-Geschäfte

Die Entwicklung dieses Produkts beanspruchte viel Zeit. Hristo Stoykov und seine Kollegen in den verschiedenen Abteilungen der EIB mussten neue Unterlagen und Verträge erstellen und die Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Direktionen der Bank neu anpassen. Für Finanzierungen im Rahmen des EFSI wurde eine komplett neue Eigenkapitalstrategie verabschiedet.

Die ersten Quasi-Eigenkapital-Geschäfte veranschaulichen, welche Art von Unternehmen diese Finanzierungsmöglichkeit benötigt:

Bisher erfolgten die meisten Quasi-Eigenkapital-Geschäfte im Rahmen von EIB-Programmen wie „InnovFin – Wachstumsfinanzierung für Midcap-Unternehmen“. Allmählich spielt Quasi-Eigenkapital jedoch auch bei EFSI-Projekten eine immer wichtigere Rolle. Dank der EFSI-Garantie wird die Bank dafür höhere Beträge bereitstellen können.

Schoolchildren using Ultimaker’s 3D printers.

Ultimakers 3D-Drucker im Einsatz in einer Schule

Erstes Quasi-Eigenkapital-Geschäft im Rahmen des EFSI

2016 wurde die erste Quasi-Eigenkapital-Finanzierung im Rahmen des EFSI unterzeichnet – und zwar in einer Region Europas, in der die EIB bereits sehr präsent ist: in Griechenland. Bei dem geförderten Projekt ging es allerdings nicht darum, den Kühlschrank mit dem Internet zu verbinden oder Displays zu entwickeln, die in Textilien eingewebt und am Arm getragen werden können. Es ging viel mehr um – die Wurst!

Creta Farms, einer der größten Wurstwarenhersteller Griechenlands, investiert fünfmal so viel wie vergleichbare Unternehmen dieser Branche in innovative Methoden zur Herstellung gesünderer Fleischwaren und hat in den vergangenen fünf Jahren 20 Patente eingereicht. Das Unternehmen setzt dabei in erster Linie auf eine komplexe firmeneigene Technologie, durch die es dem Fleisch die gesättigten tierischen Fette entzieht und ihm stattdessen extra natives Olivenöl – und somit ungesättigte Fette – zusetzt. Durch diesen Prozess wird das Fleisch gesünder, weil er das „schlechte“ Cholesterin reduziert. Gleichzeitig bleibt der gute Geschmack erhalten.

„Wenn Sie dieses Fleisch essen, dann erleben Sie Genuss – fast ohne schlechtes Gewissen“, verspricht Konstantinos Frouzis, der Chef des im kretischen Rethymno ansässigen Unternehmens. „Noch dazu tun Sie Ihrer Gesundheit etwas Gutes.“

Technology on the meat processing line at Creta Farms.

Technologie in der Fleischverarbeitung – Produktionslinie von Creta Farms

Quasi-Eigenkapital für griechische Unternehmen

Mit der Quasi-Eigenkapital-Finanzierung von 15 Millionen Euro wird Creta Farms seine Expansion auf den internationalen Märkten vorantreiben und FuE für die Einführung der „Oliving“-Technologie im weltweiten Snack-Food-Bereich finanzieren.

„Investoren haben in Bezug auf die griechische Wirtschaft gerade jetzt viele Bedenken“, erklärt Frouzis. „Doch dieses Beispiel zeigt, dass es auch bei uns Unternehmen gibt, die durchaus sehr solide sind.“

Quasi-Eigenkapital-Aktivitäten 2017

2016 wurden insgesamt 23 Quasi-Eigenkapital-Geschäfte vereinbart. Für 2017 rechnet Stoykov mit 40 Unterzeichnungen. Dank des EFSI kann sein Team das Volumen der Vereinbarungen auf 50 Millionen Euro erhöhen – und damit auch die FuE größerer Unternehmen fördern.

Ziel des EFSI ist es, Mittel der EIB gemeinsam mit einer EU-Haushaltsgarantie für Vorhaben einzusetzen, die von der EIB in der Weise sonst nicht finanziert würden. Dieses wichtige Kriterium der „Zusätzlichkeit“ wird in der Tat erfüllt, wie die neuen Vereinbarungen mit risikoreicheren innovativen Unternehmen und die eigenkapitalähnliche Vergütung zeigen.

Stoykov räumt ein, dass sich einige dieser Quasi-Eigenkapital-Darlehen wohl nicht auszahlen werden. „Wenn wir nur Gewinner auswählen würden, hätten bereits viele andere Geld in diese Unternehmen gesteckt“, erklärt er. „Aus strategischer Sicht handelt es sich um großartige Investitionen. Deshalb gehen wir das Risiko ein.“