Ein innovatives Finanzierungsinstrument hilft der Wirtschaft und den Menschen in Süditalien

>@Università Kore
© Università Kore

Francesca Millauro

Es duftet nach Kokosnuss und Orange. Cristiano Cau hat gerade einen dreischichtigen Kokosnusskuchen und mit Marmelade gefüllte Donuts gebacken. „Ich habe Kurse im Centro besucht, weil ich einmal Koch werden möchte“, erzählt er. Das Centro ANFFAS in Selargius, einem kleinen Dorf bei Cagliari, ist ein Ort, an dem Menschen mit besonderen Bedürfnissen ihre Talente entwickeln können. ANFFAS ist die nationale Vereinigung von Familien mit Menschen mit Behinderungen. Sie hat für das Zentrum einen zinslosen Kredit über 1,4 Millionen Euro erhalten. Kreditgeber ist ein Dachfonds, den die Europäische Investitionsbank im Rahmen von JESSICA, der Gemeinsamen europäischen Unterstützung für Investitionen zur nachhaltigen Stadtentwicklung, in Sardinien betreut.

Die Universität Kore Enna in der Hügellandschaft Mittelsiziliens liegt in puncto Studienzufriedenheit landesweit an der Spitze. Auch die 26-jährige Studentin Francesca Millauro schwärmt: „Wir haben neue Labore bekommen, und die Bibliothek ist vergrößert worden. Auf dem Campus ist richtig was los.“ Zu den neuen Einrichtungen der Universität zählt auch ein Full-Motion-Flugsimulator für den Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik – der erste in Europa. All dies wurde mit 12,4 Millionen Euro aus der JESSICA-Initiative in Sizilien mitfinanziert.

Süditalien kommt seit jeher nur schwer an Kredite und wird von den Geldgebern gerne links liegengelassen. Aber jetzt macht ein innovativer Dachfonds es leichter, Forschungs- und Innovationsprojekte in Süditalien zu finanzieren. An dem Fonds sind das italienische Ministerium für Bildung, Hochschulen und Forschung (MIUR) und die EIB als Partner beteiligt.

>@Centro Anffas Selargius
© Centro Anffas Selargius

Cristiano Cau

Kleine Maßnahmen mit großer Wirkung in Sardinien

Cristiano hat an einer Gastronomieschule einen Abschluss gemacht, mit dem er in einem Café arbeiten kann. Aber wegen seiner Behinderung ist er auf medizinische Hilfe angewiesen. Mehrere Jahre fand er keinen Job und saß daheim.

Bis er letzten Sommer, im Alter von 30 Jahren, vom Centro ANFFAS in Selargius erfuhr. „Hier kann ich meiner Leidenschaft nachgehen und kochen, aber ich treffe auch neue Freunde und lerne, wie man eine Vase macht“, sagt er.

Das im Dezember 2016 eröffnete Zentrum ist für seine 40 Gäste wie ein Zuhause. 15 von ihnen wohnen auch dort.

Im ersten Stock gibt es drei Wohnungen mit Schlafzimmern, Bädern und Küchen. Im Erdgeschoss liegen die Gemeinschaftsräume für Sport, Musik oder auch Töpferkurse. „Wir verkaufen unsere handgefertigten Töpferwaren in einem Geschäft im Ort“, berichtet Angela Pitzalis, die das Zentrum leitet. „Es ist wichtig, dass diese Menschen sich aktiv in die Gemeinschaft einbringen.“

Eine zielstrebige Frau

Angela erzählt, dass das Haus ganz neu gebaut wurde. Ohne den Kredit aus dem Fonds, den die EIB für Sardinien eingerichtet hat, wäre das aber nicht bezahlbar gewesen. Dann wäre wohl nichts daraus geworden.

Als Angela von dem Förderprogramm erfuhr, war sie nicht sicher, ob ihr Projekt alle Anforderungen für den Kredit erfüllen würde. Aber sardische Frauen sind bekannt für ihre Hartnäckigkeit. Angela gab nicht auf und stellte den Antrag trotzdem.

Sie hatte Glück: Der Investitionsausschuss des Sardinien-Fonds erkannte das große Potenzial ihres Projekts, „weil Investitionen in das Leben der Menschen sich immer lohnen“. So kam es zu dem ungewöhnlichen Kredit, der durch einen neuartigen Einsatz der EU-Strukturfonds möglich wurde.

Wie die Finanzierung funktioniert

Die Gelder aus den Strukturfonds werden zumeist als Zuschüsse vergeben. Daneben können sie aber auch als Finanzierungsinstrumente eingesetzt werden – als Eigenkapital, Kredite oder Garantien für Investitionen. Ein Team der EIB hilft den regionalen und nationalen Behörden dabei.

„Finanzierungsinstrumente sind eine innovative Lösung für Strukturfonds, vor allem in Zeiten knapper Kassen“, sagt Andrea Bua, der das EIB-Team leitet. Er erklärt, dass die finanzierten Projekte wirtschaftlich solide sein müssen, weil ja die Kredite zurückgezahlt werden sollen. Aus den Rückflüssen können die Regionen dann wieder neue Vorhaben finanzieren. Die EIB hilft, private Investoren mit an Bord zu holen. So können zusätzliche Gelder für die Ziele der EU mobilisiert werden.

Das funktioniert so: Die Behörden stellen einen Teil ihrer Mittel aus dem EU-Haushalt der EIB zur Verfügung. Diese verwendet das Geld für ein Finanzierungsinstrument, beispielsweise einen Dachfonds. Sie wählt Partnerinstitute vor Ort aus, die geeignete Projekte aussuchen und sich ebenfalls an der Finanzierung beteiligen.

Bislang sind dadurch 775 Millionen Euro zusammengekommen, für 75 Stadtentwicklungs- und Energieeffizienzprojekte in Süditalien – von Capo d‘Orlando bis Neapel. Mit jedem Euro, den die Bank im Auftrag der lokalen Behörden investiert hat, sind vor Ort drei Euro in die Projekte geflossen.

Forschung und Innovation im Herzen einer Insel

Die Kleinstadt Enna mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern und dem atemberaubenden Ausblick war mir ein Begriff. Von der erstklassigen Universität mit 18 Studiengängen und modernen Einrichtungen für 10 000 Studierende wusste ich aber nichts. Die Hochschule wurde 2005 gegründet, 200 Jahre nach ihrer Vorgängerin in Sizilien. In den letzten Jahren hat sich dort viel getan:

  • Erweiterung der Bibliothek auf die dreifache Fläche von 9 000 Quadratmetern sowie Renovierung der Lesesäle und Büros
  • Ausbau des Forschungszentrums auf 2 700 Quadratmeter über drei Stockwerke mit sechs technischen Labors

Salvatore Berrittella, der Rektor der Universität, hielt vor Ort die Fäden bei dem Großprojekt in der Hand: „Wir waren hoch motiviert und ein gutes Team“, sagt er. „Aber entscheidend war der günstige Kredit.“

Ein unkonventioneller Kredit

In diesem Fall erweiterte die Bank ihr übliches Stadtentwicklungsgeschäft um das JESSICA-Programm. Das Ziel: Forschung und Innovation in rückständigen, abgelegenen Regionen fördern. „Wir haben ein unternehmensfreundlicheres Umfeld geschaffen. Erfolgsgeschichten wie die in Enna zeigen, dass unser Ansatz funktioniert“, freut sich Christoph Lassenberger vom EIB-Team. Kollege Andrea Dondè bestätigt das: „Wir haben fest vor, in weitere Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu investieren.“ Das Team hat bereits ein neues Projekt im Auge, um Innovationen in Süditalien zu fördern und das Wirtschaftswachstum zu stärken.

Weitere Pläne für Süditalien     

In dem Dachfonds, den die Bank und das MIUR eingerichtet haben, stehen jetzt 270 Millionen Euro für Forschung und Innovation in Süditalien zur Verfügung.

Die ersten beiden Partnerinstitute wurden bereits ausgewählt. Sie sollen die Mittel aus dem Fonds weiterleiten. „Wir rechnen damit, dass gleich nach dem Sommer die ersten Gelder investiert werden“, sagen Angela Murgia und Alessandro Apa, die den Dachfonds von den Büros der EIB in Rom und Luxemburg aus betreuen.

Ich freue mich schon darauf, von den Menschen und Projekten zu berichten, die der Dachfonds unterstützt