Ein Beispiel dafür, wie die EIB mit der Resilienzinitiative hilft, Migrationsprobleme zu bewältigen

Existenzgründer haben es in Libanon nicht leicht. Grundstücke sind teuer und Kredite nur schwer zu bekommen. Hinzu kommt, dass viele Industriegebiete nicht gut an Strom-, Telekommunikations- und Verkehrsnetze angeschlossen sind.

„Wer hier ein Unternehmen gründen will, hat es sehr schwer“, klagt Fady Gemayel, Präsident der Association of Lebanese Industrialists. Die in Beirut ansässige Vereinigung setzt sich in Libanon für eine landesweit ausgewogene Industrieentwicklung ein. „Neue Unternehmen müssen viele Hürden meistern. Das größte Problem ist aber der Mangel an bezahlbaren Grundstücken.“

Die Europäische Investitionsbank hilft, das Problem zu lösen. Sie unterstützt die Pläne der Regierung für drei moderne Industriezonen in Libanon. Zwei davon sollen nahe der syrischen Grenze entstehen – in Gebieten, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Die Regierung hofft, dass sich mehr als 100 kleine Unternehmen in diesen Gebieten ansiedeln, denn die Grundstücke werden zu einem fairen Preis angeboten und locken mit einer guten Infrastruktur.

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Die beiden künftigen Industriezonen an der syrischen Grenze werden die Belastung der Wirtschaft durch die Flüchtlingskrise etwas mindern.

Mehr Exporte

„Die Unternehmen können dort günstig produzieren: Die Kosten sind nicht so hoch, und die Infrastruktur ist gut. Wenn sie mehr herstellen, werden sie wettbewerbsfähiger und können mehr nach Europa exportieren“, erklärt Cristiano Pasini, der Vertreter der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung in Beirut. „Indirekt wird sich das natürlich auch positiv auf die dort lebenden Flüchtlinge auswirken.“

Im Mai unterzeichnete die EIB ein Darlehen über 52 Millionen Euro für das Projekt. Das Darlehen fällt unter die Resilienzinitiative – ein Programm, das die Bank 2016 auf den Weg gebracht hat, um die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Flüchtlingskrise anzugehen. In den Industriegebieten sollen sich innovative Unternehmen sowie Firmen aus der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, Autowerkstätten und Bauunternehmen ansiedeln. Das Geld der EIB fließt in den Bau von Wasserleitungen, Kläranlagen, Straßen, Stromnetzen und in andere Basisinfrastruktur.

Durch die neuen Industriezonen, deren Bau rund 105 Millionen Euro kostet, werden etwa 1 300 befristete und 1 900 feste Arbeitsplätze entstehen. Italien hat finanzielle Hilfen für die Baumaßnahmen zugesagt. Daneben beteiligen sich auch andere internationale Finanzierungsinstitutionen an dem Projekt.

Mit ihrer Resilienzinitiative will die Bank im Westbalkan und in der südlichen Nachbarschaft, zu der auch Länder in Nordafrika und dem Nahen Osten gehören, mehr Wachstum und neue wirtschaftliche Perspektiven schaffen.

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© EPA - EU - Neighbourhood info

Die Industriezonen werden Unternehmen im Agrar- und Lebensmittelsektor, Autowerkstätten und Baufirmen offenstehen. Vielleicht kommen dann auch innovative Unternehmen aus anderen Bereichen hinzu.

Gegen Krisen wappnen

Mit der Resilienzinitiative hilft die Bank Ländern, die Zuwanderung neuer Bevölkerungsgruppen zu bewältigen und die Migrationsursachen zu bekämpfen. Sie verbessert die Infrastruktur und fördert den privaten Sektor, vor allem kleine Unternehmen. Die Initiative unterstützt Länder auch bei Wirtschaftsflauten, politischen Krisen, Dürren, Überschwemmungen oder Erdbeben.

EIB-Vizepräsidenten Dario Scannapieco, der für die Resilienzinitiative zuständig ist, weiß, dass langfristige Lösungen nötig sind:

„Die Wirtschaftsmigration ist und bleibt ein Thema für die EU. Deshalb müssen wir die Wirtschaft langfristig robuster machen und Ländern helfen, die mit politischer und wirtschaftlicher Instabilität zu kämpfen haben.“

Im Zeitraum 2016 bis 2020 stellt die Bank über die Resilienzinitiative zusätzlich sechs Milliarden Euro für Projekte im Westbalkan, im Nahen Osten und in Afrika bereit. Dieses Geld kommt zu den 7,5 Milliarden Euro hinzu, die bereits bis 2020 für diese Regionen vorgesehen sind. Die EIB finanziert üblicherweise 30 bis 50 Prozent der Kosten eines Projekts. Der Gedanke: Wenn sich die EIB beteiligt, steigen andere Investoren mit ein. So kann die Resilienzinitiative insgesamt rund 15 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Geldern mobilisieren.

Bislang sind fast zwei Milliarden Euro in 24 Projekte geflossen. Die Kredite, die über Partnerbanken vor Ort vergeben werden, können 1 300 kleineren Unternehmen helfen und mehr als 50 000 Arbeitsplätze sichern.

Im Rahmen der Resilienzinitiative hat die EIB unter anderem folgende Projekte genehmigt oder zur Prüfung vorliegen:

  • 60 Millionen Euro für die Pipeline zwischen Rotem und Totem Meer in Jordanien, die das Land selbst, aber auch Israel und Palästina mit Trinkwasser versorgen wird
  • 10 Millionen Euro für kleine Unternehmen in Kosovo
  • 200 Millionen Euro für die Modernisierung von vier großen Kliniken in Serbien
  • Mehrere Millionen Euro für die marokkanische Agrarwirtschaft sowie für Wasser- und Abwassernetze in Montenegro und Tunesien
  • Vorhaben in den Bereichen Stadtentwicklung, Abwasser und Straßensanierung sowie mehrere Darlehen an Partnerbanken zur Förderung kleiner Unternehmen in Libanon

Mehr Lebensqualität

Die neuen Industriezonen werden außerhalb von Ballungszentren entstehen. Das sorgt in den Städten für bessere Luft, weniger Staus und den Erhalt des Stadtbildes. In den Innenstädten wird so Raum frei, was den Einwohnern mehr Lebensqualität bringt. Wenn es gut läuft, könnten noch viele weitere Industriegebiete dieser Art im ganzen Land folgen.

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Erster Entwurf einer neuen Industriezone in Libanon

In Libanon gibt es bereits 130 private Industriegebiete, jedoch ohne geeignete Infrastruktur. Viele sind in Stadtzentren angesiedelt und aufgrund der hohen Preise für Existenzgründer unerschwinglich.

„In den letzten 50 Jahren sind private Industriegebiete in der Nähe von Städten entstanden“, erklärt Elisabetta Cucchi, Kreditreferentin bei der EIB. „Mittlerweile sind die Städte gewachsen und die Industriegebiete von Wohnvierteln umgeben. Das ist ein Problem.“

Einige der neuen Industriezonen werden in Gebieten angesiedelt, in denen viele Flüchtlinge leben. Sie werden neue Arbeitsplätze bieten und helfen, die sozialen Spannungen und Infrastrukturprobleme zu mindern, die mit der Syrienkrise einhergehen. Die Syrienkrise hat das Wirtschaftswachstum und Investitionen in Libanon gebremst. Das Land mit rund 4,4 Millionen Einwohner hat bislang 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen.

Die neuen Industriezonen werden mehr Möglichkeiten für jungen Menschen und Frauen in Libanon schaffen. Außerdem könnten die neuen Unternehmen beim Wiederaufbau Syriens helfen, so VN-Vertreter Pasini. 

Fadi Gemayel vom libanesischen Industrieverband hofft, dass auch einige große Unternehmen und mehr ausländische Investitionen kommen. „Viele Libanesen wünschen sich bessere Jobs und würden gern mehr verdienen. Aber dafür müssten die meisten ins Ausland gehen.

 Wir hätten gerne, dass alle ein größeres Stück vom Kuchen abbekommen“, sagt Gemayel mit Blick auf neue Jobs und die Geschäftschancen für Investoren aus dem Ausland.

Libanon bräuchte seiner Meinung nach ein ausländisches Ankerunternehmen, beispielsweise einen Autohersteller. Ähnlich wie die Automobilwerke von Renault in Marokko, die vielen lokalen Unternehmen neuen Schub geben.

„Libanon ist ein Land mit viel Potenzial“, versichert Gemayel. „Die Menschen hier legen Wert auf gute Qualität und Innovationen. Daher machen sie weiter und gründen Unternehmen, egal wie schwierig es ist. Und viele Jahre war es sehr schwierig.“