Investitionsplan für Europa beschleunigt Sanierung innerstädtischer Industriebrachen und Errichtung moderner Wohn- und Geschäftsgebäude

In der kleinen belgischen Gemeinde Mont-Saint-Guibert südöstlich von Brüssel, wo im 19. Jahrhundert eine Papierfabrik stand, beginnen im April die Erdbauarbeiten für die Errichtung von 300 Wohnungen und Eigenheimen. Kurz danach geht es auf dem Gelände einer stillgelegten Gießerei im Pariser Vorort Choisy-le-Roi weiter, und anschließend kommt der Standort der ehemaligen Waschmaschinenfabrik Brandt im Zentrum von Lyon an die Reihe.

Alle drei Standorte haben eines gemein – ohne Dekontaminierung und Sanierung könnten sie nicht neu bebaut werden und würden weiter brachliegen. Ein bahnbrechender Investmentfonds übernimmt solche Revitalisierungsarbeiten und setzt dabei modernste Umwelttechnik ein, um die toxischen Hinterlassenschaften der alten Fabriken zu entfernen. Solche Dekontaminierungsmaßnahmen sind für die Zukunft der Städte entscheidend. Ganze 3,5 Millionen Industriebrachen gibt es noch in Europa. Überall wird versucht, durch die Sanierung und Umnutzung ehemaliger Industriestandorte eine weitere Zersiedlung der Städte zu vermeiden.

„In Frankreich macht die Zersiedlung alle zehn Jahre die Fläche eines gesamten Departements aus“, erklärt Bruno Farber, Managing Director des Altlastensanierungsfonds Ginkgo Advisor. „Die Lösung liegt in der Revitalisierung innerstädtischer Flächen.“

The old foundry at Mont-St-Guibert when Ginkgo arrived...
Die alte Gießerei in Mont-Saint-Guibert, bevor Ginkgo sich ihrer annahm...
Mont-St-Guibert as it will be after the clean-up
So soll Mont-Saint-Guibert nach der Sanierung aussehen

Mittel für die Altlastensanierung

Der von Farber geleitete Ginkgo-Fonds hat 80 Millionen Euro für sieben Altlastensanierungs- und Neuerschließungsprojekte in Belgien und Frankreich eingesammelt. Die Dekontaminierungsarbeiten laufen bereits und sollen Ende 2018 abgeschlossen sein. Dann können die Bauarbeiten beginnen. Die Europäische Investitionsbank ist mit 15,6 Millionen Euro am Ginkgo-Fonds beteiligt.

Der Erfolg des ersten Ginkgo-Fonds veranlasste Farber, mit der Mitteleinwerbung für den Fonds Ginkgo II zu beginnen. Das Geld ist für ähnliche Projekte im Vereinigten Königreich, in Luxemburg und in Spanien vorgesehen. Die Beteiligungsreferenten der EIB haben wieder sofort Interesse bekundet.

Ohne den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) wäre die Beteiligung der EIB am Fonds Ginkgo II jedoch deutlich geringer ausgefallen.

Der EFSI ist Teil des Investitionsplans für Europa und soll Investitionen in innovative Projekte beschleunigen. Über die Kombination von 5 Milliarden Euro aus EIB-Mitteln mit einer Garantie von 16 Milliarden Euro der Europäischen Kommission werden bis 2018 neue Investitionen im Gesamtbetrag von 315 Milliarden Euro angestrebt. Die EIB kann durch die Garantie Vorhaben unterstützen, die sie sonst nicht in dieser Form mitfinanziert hätte. Sie kann zum Beispiel größere Beträge bereitstellen oder Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort beschleunigen.

Der Fonds Ginkgo II eignet sich auf jeden Fall für eine EFSI-Finanzierung. James Ranaivoson, Berater in der Abteilung Klimawandel und Umwelt der EIB, war bereits für die Beteiligung am Ginkgo I zuständig und bestätigt, dass alles reibungslos gelaufen ist. Durch die EFSI-Garantie konnte er direkt in den zweiten Fonds einsteigen und dazu mit einem größeren Betrag als ohne EFSI-Unterstützung möglich gewesen wäre. Die EIB-Beteiligung von 30 Millionen Euro am Ginkgo II wurde im November von der Bank genehmigt und im Februar unterzeichnet.

„Wir sehen jetzt schon, wie gut sich der Ginkgo I entwickelt“, erklärt James Ranaivoson. „Jetzt kommt es darauf an, dass wir die Vorhaben von Ginkgo über den zweiten Fonds direkt weiter unterstützen. Durch den EFSI haben wir diese Möglichkeit.“

The Ginkgo site in Lyon before...
Der Gingko-Standort in Lyon vorher...
...and after
…und nachher

Meilenstein EFSI

Die Beteiligung der EIB hat wesentlich dazu beigetragen, weitere Geldgeber für den ersten Ginkgo-Fonds ins Boot zu holen. Farber geht davon aus, dass es beim Ginkgo II genauso funktionieren wird. „Die EIB spielt eine zentrale Rolle“, erklärt er. „Als Ankerinvestor hat sie mit ihrer Beteiligung andere Institutionen davon überzeugt, dass eine eingehende Prüfung stattgefunden hat und dass der Vorgängerfonds in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld solide verwaltet wurde.“

Faber will insgesamt 140 Millionen Euro für den Fonds einsammeln. Die EIB und die französische Förderbank Caisse des Dépôts beteiligen sich jeweils mit 25 Prozent.

Dabei entfaltet der EFSI eine doppelte Wirkung. Die EIB kann durch den EFSI zunächst mehr Mittel in den Fonds investieren. Dadurch dürfte der Ginkgo II wiederum sein angestrebtes Fondsvolumen schneller erreichen, da sich andere Investoren aufgrund der umfangreichen Beteiligung einer großen EU-Einrichtung bereitwilliger anschließen.

Romainville looked like this...
So sah es in Romainville aus...
...better now?
…ist das besser?

Ohne Eigenkapital läuft nichts

Die Beteiligung großer Investoren, die einen guten Ruf genießen, ist für den Ginkgo-Fonds von entscheidender Bedeutung. Altlastensanierung ist ein Nischengeschäft, das für viele Investoren nicht unbedingt in Betracht kommt.

Gehen Sie doch mal zu Ihrer Bank und sagen Sie zu Ihrem Berater: „Es gibt da in Belgien eine verfallene Papierfabrik. Der Boden ist über Jahrzehnte hinweg mit Kohlenwasserstoffen wie Teer und Benzin, toxischen Schwermetallen und chlorhaltigen Lösungsmitteln verseucht worden. Ich will dort Wohnhäuser bauen. Können Sie mir dafür 5 Millionen Euro leihen?“

Sie bekommen mit Sicherheit keinen Kredit.

Genau deshalb hat sich Farber, ein in Genf ansässiger Belgier, 2008 an die EIB gewandt. Nicht um ein Darlehen zu beantragen (was die meisten Kunden tun), sondern um für eine Beteiligung an seinem Fonds zu werben. „Altlastensanierungs- und Neuerschließungsarbeiten kosten viel Geld“, erklärt er. „Banken geben keine Darlehen für Altlastensanierungsvorhaben und auch nicht für den Kauf verseuchter Grundstücke. Deshalb braucht man für beides Eigenkapital.“

Eigenkapital für den Klimaschutz

Die Hauptabteilung Klimawandel und Umwelt der EIB stellt seit 2005 Mittel für Beteiligungsfonds bereit. Ihre Aufgabe besteht darin,

  • auf die Marktnachfrage nach Eigenkapital zu reagieren (das betrifft vor allem Nischensektoren wie den Klimaschutz sowie unzureichend versorgte Regionen),
  • das Angebot der EIB zu diversifizieren, um weitere Produkte anzubieten, die einen höheren Zusatznutzen bewirken, indem sie weitere Investoren anziehen,
  • Projekte zu unterstützen, die zu klein sind, um von der EIB einen direkten Finanzierungsbeitrag zu erhalten.

Inzwischen hat die EIB in fast 40 Fonds investiert, die zumeist von Managementteams geleitet werden, die erstmals in dieser Funktion tätig sind. Rund zwei Drittel dieser Fonds wären ohne den Erstinvestorbeitrag der EIB und ihre vertrauensbildende Wirkung nicht in der Lage gewesen, genügend Mittel einzusammeln, um ihre Tätigkeit aufnehmen zu können.

Die EIB engagiert sich nicht nur über die Ginkgo-Fonds für die Altlastensanierung von Industriestandorten. 2013 beteiligte sich die Bank mit 20 Millionen Euro am Brownfields Redevelopment Fund. Der Brownfields-Fonds, der 2006 von Ingenieuren und ehemaligen Führungskräften eines großen französischen Industriekonzerns gegründet wurde, konnte dank des Finanzierungsbeitrags der EIB insgesamt 120 Millionen Euro einsammeln.

Ginkgo's Bruno Farber
Bruno Farber von Ginkgo

Altlastensanierung ohne Grenzen

Über den Fonds Ginkgo II will Farber auch in anderen Ländern tätig werden und schließt sich dazu mit Entwicklern und Stadtplanern in weiteren Zielregionen zusammen. Nachdem der erste Ginkgo-Fonds ausschließlich in Vorhaben in Belgien und Frankreich investiert hat, sollen nun ganze 30 Prozent des neuen Fonds in Projekte außerhalb dieser beiden Länder fließen.

Es gibt überraschend wenige Unternehmen, die sich mit der Altlastensanierung und Wiederherrichtung von Industriebrachen befassen. Meist wird der verseuchte Boden abgetragen und anderswo deponiert oder sogar einfach nur mit riesigen Betonplatten abgedeckt. Keine dieser Methoden löst das Schadstoffproblem wirklich. Ginkgo verfolgt einen nachhaltigeren Ansatz: Das kontaminierte Material wird vor Ort behandelt, bis es eventuell für das neue Projekt wiederverwendet werden kann.

Im Rahmen von Ginkgo II soll dieses Fachwissen in Länder wie das Vereinigte Königreich transferiert werden, wo bisher kein Fonds Mittel für Altlastensanierungsprojekte einwirbt. Farber interessiert sich für Standorte in Leeds, Bristol und Glasgow, aber auch für ehemalige Stahlwerke in Luxemburg und Projekte in Barcelona. „Für die Zukunft Europas ist es wichtig, diese Technologie zu fördern“, sagt Martin Berg, ein Beteiligungsreferent der EIB, der an der Beteiligung der Bank am Ginkgo-Fonds mitgewirkt hat. „Durch den EFSI können wir mehr und schneller in solche Projekte investieren.“