Was Banken und die Kreislaufwirtschaft voneinander wissen müssen

Von Liesbet Goovaerts und Arnold Verbeek

Sie können Ihren alten Beistelltisch nicht mehr sehen? Dann bringen Sie ihn doch einfach zum nächsten 3D-Druck-Service! Die schreddern ihn und drucken daraus einen neuen. Sie suchen sich einfach das gewünschte Modell aus, gehen dann einkaufen, und wenn Sie zurückkommen, steht da schon Ihr neuer Tisch.

Für die meisten von uns klingt das nach Zukunftsmusik. Aber tatsächlich ist diese Art der Kreislaufwirtschaft im Kommen – eine Wirtschaft, in der die Ausgangsstoffe immer wieder verwendet werden und Abfall bald ein Fremdwort ist. Ganz im Gegenteil zur Linearwirtschaft, die nur „produzieren, konsumieren und wegwerfen“ kennt.

Das Denken in Kreisläufen erfordert jede Menge Innovationen – von der Entwicklung und Herstellung von Produkten (wie 3D-Druckern) bis hin zur Rückführung aller Bestandteile. Solche Innovationen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, kostet allerdings viel Geld. Gestandene Unternehmen haben dafür in der Regel Rücklagen. Aber junge, schnell wachsende Firmen (die die Kreislaufwirtschaft dominieren) brauchen normalerweise einen Kredit.

Um den zu bekommen, müssen sie unbedingt verstehen, wie Banken ticken – und die kennen nun mal eher das lineare Modell mit seinen bekannten Risiken und stabilen Renditen.

Andererseits wäre auch bei den Banken ein Umdenken angebracht.

Bei den folgenden fünf Punkten müssen wir ansetzen:

1.    Die Risiken der Linearwirtschaft erkennen

Die Unternehmen der Linearwirtschaft geraten immer mehr unter Druck – knappe Ressourcen, schwankende Rohstoffpreise, strengere Umweltvorschriften und Verbraucher, die nachhaltige Lösungen verlangen. Dazu kommen junge Unternehmen mit ihren disruptiven Ideen für die Kreislaufwirtschaft.

Folglich bergen Investitionen in das lineare Modell große Risiken. Steigende Rohstoffpreise sind nur ein Beispiel. Mit ihnen steigt auch die Nachfrage nach Innovationen, die für mehr Ressourceneffizienz sorgen. Banken berücksichtigen diese Risiken bei der Bewertung oft nur am Rande. Um für Unternehmen der Kreislaufwirtschaft die gleichen Bedingungen zu schaffen wie für etablierte Unternehmen der Linearwirtschaft, sollten diese Risiken stärker ins Gewicht fallen. 

2.    Vermieten statt verkaufen

In der Kreislaufwirtschaft bleibt das Unternehmen Eigentümer seiner Produkte. So ist gewährleistet, dass sie kontinuierlich wiederverwendet werden. Bei Flugzeugen und großen Landmaschinen hat sich das bereits bewährt. Nun müsste dieses Leasingmodell auch auf normale Verbraucherprodukte ausgeweitet werden. Waschmaschinenhersteller würden nicht die Geräte, sondern Waschgänge verkaufen. Die Maschine selbst bleibt in der Unternehmensbilanz. 

Mehr Aktiva in der Bilanz bedeuten mehr Sicherheit bei der Kreditaufnahme – und einen niedrigeren Zinssatz für das Unternehmen. Andererseits muss der Geldgeber sicher sein, dass der tatsächliche Wert des Produkts (beim Endkunden) erhalten bleibt und dieser es auch in Zukunft nutzen will. Das erfordert faire Nutzungsbedingungen und geeignete Anreize für den Kunden. Die Banken könnten die Unternehmen dabei unterstützen, solide Verträge und Bedingungen auszuarbeiten, die für alle akzeptabel sind – Kunden, Unternehmen und Banken.

3.    Factoring und Reverse Factoring

In der Kreislaufwirtschaft wird also der Nutzer nicht unbedingt zum Eigentümer des Produkts. Dadurch ändert sich allerdings auch der Cashflow komplett: Statt dem vollen Verkaufspreis erhält der Hersteller monatlich kleine Raten. Deswegen braucht er enorme Liquiditätspuffer: Er muss Ausgangsstoffe und Vorprodukte einkaufen und erhält dann beim Verkauf nicht den vollen Kaufpreis. Und genau da ist der Haken für die Bank – zu geringe oder zeitlich verzögerte Cashflows.

Dieses Cashflow-Problem ließe sich durch Factoring beheben: Die Bank kauft die künftigen Einnahmen des Unternehmens mit einem kleinen Abschlag und stellt ihm das Geld dafür unmittelbar zur Verfügung. Beim Reverse Factoring (Lieferkettenfinanzierung) begleicht die Bank die Rechnungen des Unternehmens beim Lieferanten. Danach zahlt das Unternehmen der Bank mehrere Raten, die besser auf die Zahlungseingänge von seinen Kunden abgestimmt sind.

4.    Solide Wertschöpfungsketten

Der Hersteller kann sein recycelbares Produkt nach der Nutzung nicht unbedingt selbst abholen, auseinanderbauen und die Einzelteile wiederverwenden. Damit sich der Kreis schließt, muss er gegebenenfalls weitere Unternehmen in seine Wertschöpfungskette einbeziehen.

Geht er eine Kooperation ein, hängt seine Bonität als Kreditnehmer stark von der Solidität und Zuverlässigkeit der Wertschöpfungskette ab. Die Zusammenarbeit mit finanziell soliden Partnern mindert im Allgemeinen die Risiken und verbessert die Cashflows, da sie die Produkte zum vereinbarten Restwert zurücknehmen. Je mehr Akteure sich jedoch an der Wertschöpfungskette beteiligen, desto schwieriger wird es, Interessen und Anreize miteinander in Einklang zu bringen. Die Auswahl und Bewertung jedes Akteurs sowie die Koordination untereinander sind für den Erfolg und Fortbestand des gesamten Wertschöpfungsnetzes ausschlaggebend.

Banken könnten beim Aufbau und bei der Bewertung dieses Netzes eine wichtige Rolle spielen – ihnen würden die Unternehmen ihre Finanzdaten viel bereitwilliger als den beteiligten Partnern offenlegen. Diese Informationen sind wichtig, um den Nutzen einer Kooperation einzuschätzen und dafür zu sorgen, dass alle Partner angemessen vergütet werden.

5.    Eine Bank finden, die sich auskennt

Was wir nicht kennen, macht uns Angst. Und was Banken nicht kennen, ist für sie riskant. Dafür verlangen sie höhere Risikoprämien, die das Unternehmen belasten und an den Kunden weitergegeben werden müssen. Bei jungen Unternehmen der Kreislaufwirtschaft geht das zulasten ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Deswegen müssen Banken die Chancen und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft besser verstehen. Um die passende Finanzierung anbieten zu können, müssen sie sich mit den neuen (Sekundär-)Märkten, Lieferketten und den zugrunde liegenden Vermögenswerten vertraut machen. Die Unternehmen der Kreislaufwirtschaft müssen im Gegenzug die Geldgeber sensibilisieren und nach Anbietern suchen, die bereits über das entsprechende Know-how verfügen – denn die Dogmen der Linearwirtschaft halten sich oft sehr hartnäckig.

Aber es lohnt sich! Laut Berechnungen von McKinsey&Company und der Ellen MacArthur Foundation könnte die Kreislaufwirtschaft – angetrieben durch technologische Innovationen – die Ressourcenproduktivität um drei Prozent steigern (McKinsey 2013, Ellen MacArthur Foundation 2012). Für die EU-27 könnte dies innerhalb von zehn Jahren ein Wirtschaftswachstum von ein bis vier Prozent bedeuten (ING 2015). Bei den derzeit geringen Wachstumsraten wäre das eine echte Leistung.

Basierend auf dem Kapitel „Sustainable banking – finance in the circular economy“ der Autoren, das in dem Buch „Investing in Resource Efficiency: The Economics and Political Economy of Resource Efficiency Investments“ des University College London veröffentlicht wurde.

Liesbet Goovaerts ist Ingenieurin für moderne Werkstoffe bei der EIB. Arnold Verbeek ist Berater für Innovationsfinanzierungen bei der EIB