Investitionen in Afrika schaffen Arbeitsplätze, sodass Afrikaner nicht gezwungen sind, ihre Heimat und ihre Familie zu verlassen.

14 Jahre lang arbeitete Michel Lo weit weg von Zuhause. Eigentlich wohnt er in einem winzigen Dorf 30 Kilometer von Saint-Louis im Norden von Senegal. Sein Dorf liegt am Fluss Senegal und lebte früher hauptsächlich vom Fischfang. Nachdem invasive Pflanzen den Fischbestand dezimiert hatten, gab es kaum noch Arbeit. Michel Lo konnte sich nur einmal im Jahr eine Heimreise leisten, um seine Familie zu besuchen.

Das änderte sich dieses Jahr, als die Compagnie Agricole de Saint-Louis begann, Ackerland in der Nähe seines Heimatdorfes zu bewässern. Auf den Feldern sollen pro Jahr 65 000 Tonnen Reis geerntet werden. Damit trägt das Projekt zu einer sicheren Nahrungsmittelversorgung bei, die Senegal dringend braucht. Zugleich schafft das Unternehmen damit Hunderte von Arbeitsplätzen für die einheimische Bevölkerung. Ohne diese Jobs wären die Menschen gezwungen, in die 320 Kilometer entfernte Hauptstadt Dakar zu ziehen oder sogar nach Europa auszuwandern.

Durch das neue Projekt bekam der 38-jährige Michel Lo einen Job als Vorarbeiter und koordiniert nun den Bau der Bewässerungsgräben für die Reisfelder. „Jetzt kann ich jeden Abend nach Hause gehen“, sagt er. „Durch dieses Unternehmen kann ich wieder bei meiner Familie leben.“

In Afrika haben etwa 15 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, um einen Arbeitsplatz in Europa, den Golf-Staaten oder in Amerika zu finden. Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Bank der Europäischen Union, beteiligt sich an Projekten, die Einwanderer in Europa unterstützen. Die Bank finanziert jedoch auch Vorhaben in Afrika, die vor Ort Arbeitsplätze schaffen und somit den Arbeitern die Möglichkeit bieten, zu Hause bei ihren Familien zu bleiben. Projekte wie die Reisfarm in Saint-Louis bringen zukunftsfähige Privatunternehmen hervor und sichern dadurch die Zukunft Afrikas. Die EIB unterstützt das Projekt mit einem Darlehen von 15,7 Millionen Euro.


Patrice Backer, Zweiter von links, auf einer AFIG-Sitzung

Patrice Backer, Zweiter von links, auf einer AFIG-Sitzung

Afrika braucht vor allem Investitionen

„Afrikas Entwicklung wird in der Regel durch das Prisma der Entwicklungshilfe gesehen. Es herrscht der Irrglaube, dass es den afrikanischen Ländern nur besser gehen kann, wenn sie von ausländischen Regierungen und nichtstaatliche Organisationen entsprechende Kapitalspritzen erhalten“, erklärt Patrice Backer, ein in Kongo geborener Fondsmanager, der in Senegal arbeitet. „Wir halten hingegen Private Equity für absolut unentbehrlich. Entwicklungshilfe ist sicher gut, aber wir müssen in erster Linie das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer in unseren Ländern steigern.“

Patrice Backer ist Chief Operating Officer bei der Advanced Finance & Investment Group (AFIG), an der die EIB seit 2008 mit 15,6 Millionen Euro beteiligt ist. Die AFIG investiert in afrikanische Unternehmen, beispielsweise in Senbus Industries. Senbus wurde 2001 in Senegal gegründet, um eine einheimische Automobilindustrie aufzubauen. Das Unternehmen erhielt von der AFIG ein Darlehen von 3,4 Millionen Euro.

Pape Mbodji, Vorarbeiter in der Senbus-Fabrik in Senegal

Pape Mbodji, Vorarbeiter in der Senbus-Fabrik in Senegal

Investitionen zur Industrialisierung Afrikas

Pape Mbodji ist 35 Jahre alt. Bekleidet mit Schutzhelm und Blaumann leitet er ein 20-köpfiges Team, das bei Senbus am Fließband arbeitet. Pape Mbodji hat in derselben Stadt Arbeit gefunden, in der er geboren ist. Die Rolle, die er für die wirtschaftliche Zukunft Senegals spielt, erfüllt ihn auch mit Zufriedenheit.

„Ich liebe meinen Beruf“, schwärmt er. „Ich kann in Senegal bei einem führenden Montagewerk für Busse arbeiten. Das bereitet mir große Freude. Damit leiste ich auch meinen Beitrag zur Entwicklung unseres Landes.“

Cheik Sadibou Diop, Gründer von Senbus, erklärt stolz: „Wir haben Arbeitsplätze geschaffen. Das ist in einem unterentwickelten Land wie Senegal äußerst wichtig. Damit haben wir auch gezeigt, dass die Industrialisierung Afrikas möglich ist. Wir müssen einfach daran glauben und es anpacken.“

Arbeiter in der Senbus-Fabrik in Senegal

Arbeiter in der Senbus-Fabrik in Senegal

Junge Afrikaner mit Potenzial

Senbus stellte junge Managementabsolventen der einheimischen Fachhochschule und qualifizierte Eisenbahner ein. „Bei Senbus bekommen junge Manager die Chance, Verantwortung auf hoher Ebene zu übernehmen“, erklärt Boubacar Sagna, ein 31-jähriger Ingenieur, der bei dem Unternehmen als Produktionsleiter arbeitet. Er gehört zu den gut ausgebildeten Afrikanern, die ohne Aussicht auf einen Job wohl ausgewandert wären. „Senbus ermöglicht es jungen Managern, ihr Know-how und ihr Potenzial unter Beweis zu stellen. Und das Potenzial ist riesig.“

Vorstandschef Diop merkt jedoch an, dass Afrika noch den Finanzsektor ausbauen muss, um mehr Unternehmen wie Senbus finanzieren zu können.

CEO Diop in der Fabrik von Senbus in Senegal

CEO Diop in der Fabrik von Senbus in Senegal

Private Equity und Wettbewerb

Hier wird Patrice Backer aktiv.

Der junge Private-Equity-Manager, Sohn haitianischer Eltern, investiert bis zu 20 Millionen US-Dollar in afrikanischen Ländern – von Kap Verde bis nach Kenia. Innerhalb von fünf Jahren haben die Beteiligungen der AFIG zur Schaffung von 2 200 direkten und weiteren 15 000 indirekten Arbeitsplätzen beigetragen. Die Beteiligungsunternehmen der AFIG haben in diesem Zeitraum Steuern in Höhe von 34 Millionen US-Dollar in Afrika bezahlt.

„Es geht darum, Wohlstand zu schaffen. Dafür brauchen wir einen gut strukturierten und robusten Privatsektor, der Arbeitsplätze schafft und für steigende Umsätze sorgt, damit die Arbeitnehmer ein besseres Auskommen haben“, erklärt Backer. „Und hier kommt Private Equity ins Spiel. Damit werden die Unternehmen wettbewerbsfähig.“

Die Investitionen der Gruppe haben sich so gut entwickelt, dass sich die EIB im Juli mit weiteren 18 Millionen Euro an der AFIG beteiligte.

Gutsverwalter Gashoka begutachtet die Sisalplantage

Gutsverwalter Gashoka begutachtet die Sisalplantage

Wenn es die Plantage nicht gäbe ...

Auf der Migotiyo-Plantage in der kenianischen Provinz Rift Valley wird Sisal angebaut. Die Fasern der Sisalpflanze dienen zur Herstellung von Teppichen und Bedachungen. Auf den Feldern hacken Männer und Frauen die langen Sisalreihen unter der glühenden Sonne. Sie entfernen das Unkraut zwischen den stacheligen, kniehohen Pflanzen. Es ist ein Knochenjob, der den Arbeitern jedoch ein anständiges Leben in ihrem Heimatland ermöglicht. So bleiben ihnen die zahlreichen Unsicherheiten und Gefahren erspart, denen Migranten ausgesetzt sind.

Die Farm erhielt über die einheimische NIC Bank ein Darlehen von 2,3 Millionen Euro, das das Partnerinstitut der EIB aus Mitteln der EU-Bank bereitstellte. Auf der Plantage werden monatlich 100 Tonnen Fasern produziert, die für den Export in arabische Länder und nach Nigeria bestimmt sind. Laut Peter Gashoka, dem 34-jährigen Gutsverwalter, bringt jede Tonne einen Gewinn von 2 000 US-Dollar. „Das ist ziemlich lukrativ.“

Trotz der schweren Arbeit ist Samuel Gruto mit seinem Job zufrieden. „Wenn es diese Farm nicht gäbe“, erklärt der junge Mann, der aus einem nahegelegenen Dorf stammt, „müsste ich woanders hingehen. Nach Nairobi oder sogar weg aus Kenia. Ich würde wohl nach Europa auswandern.“

Auch die qualifizierten Arbeiter sind froh, dass sie durch die Sisalfarm bei ihrer Familie leben können. Plantagenleiter Kalija Komen bestätigt, dass er ohne die Farm woanders einen Job finden müsste – vielleicht in Nairobi oder im Ausland.

Arbeiter bei der Sisalernte

Arbeiter bei der Sisalernte